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Wertphilosophische Abschweifungen eines Logischer Empiristen: Der Fall Carnap1

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Book cover Logischer Empirismus, Werte und Moral

Part of the book series: Veröffentlichungen des Instituts Wiener Kreis ((WIENER KREIS,volume 15))

Zusammenfassung

Ein strikter Nonkognitivismus in ethischen Fragen gilt als Markenzeichen des Logischen Empirismus. Zwar würde niemand behaupten, jeder Non-kognitivist wäre ein Logischer Empirist, gleichwohl aber — so die verbreitete Meinung — waren alle Logischen Empiristen Nonkognitivisten. Diese Behauptung möchte ich für Rudolf Carnap in Frage stellen.2 Carnaps werttheoretische Auffassungen umfassten ein weitaus größeres Spektrum, seine philosophischen Einstellungen zur „Wertphilosophie“ waren nicht so einfältig, wie meist angenommen wird. Was Werturteile angeht, war Carnap nicht immer der radikale Nonkognitivist, für den er heute meist gehalten wird. Es gab eine Zeit, in der er in der Wertphilosophie dezidiert neukantianische Auffassungen vertrat. Man mag versucht sein, dies als eine Episode abzutun, die für seine spätere Entwicklung keine Bedeutung gehabt hätte. Ich möchte in dieser Arbeit zeigen, dass man es sich nicht so einfach machen sollte. Auch nach seiner Bekehrung zu einem radikalen Nonkognitivismus blieb für Carnap der Exkurs in die neukantianische Wertphilosophie eine Erfahrung, die noch seine Auseinandersetzungen mit dem Kognitivismus des amerikanischen Pragmatismus in den sechziger Jahren des vorigen Jahrhunderts beeinflusste.

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References

  1. Ich danke Thomas Uebel füir zahlreiche nützliche Diskussionen zum Thema.

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  2. Bei näherem Besehen dürfte diese Behauptung auch für andere Logische Empiristen zweifelhaft sein. Überhaupt waren die Logischen Empiristen des Wiener Kreises an Problemen der Ethik keineswegs so desinteressiert, wie heute meist angenommen wird: Von den zehn bis 1937 erschienenen Schrißen zur wissenschaftlichen Weltauffassung befassten sich drei mit Ethik und Wertlehre (vgl. Friedrich Stadler, Studien zum Wiener Kreis. Ursprung, Entwicklung und Wirkung des Logischen Empirismus im Kontext. Frankfurt am Main: Suhrkamp 1997, pp. 656/657).

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  3. Neuerdings hat Andrew Cams diesen „cartesischen“ Charakter von Carnaps Denken vehement in Frage gestellt und behauptet, Carnaps Denkstil sei wesentlich durch KonziHanz und Vermittlung gekennzeichnet (cf. Andrew Carus, Carnap and Twentieth-Century Thought. Explication as Enlightenment. Cambridge: Cambridge University Press 2007). Dazu ist zu sagen, dass Carnap im Formalen vielleicht ausnehmend „tolerant“, „pluralistisch“ und „flexibel“ war, dass er aber zugleich an ihm wichtigen Unterscheidungen, etwa der zwischen Theorie und Praxis, kompromisslos festhielt.

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  4. Vgl. Rudolf Carnap, Der logische Aufbau der Welt. Hamburg: Meiner Verlag 1928 (1961), §181, §183.

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  5. Vgl. Heinrich Rickert, Die Philosophie des Lebens. Darstellung und Kritik der philosophischen Modeströmungen unserer Zeit. Tübingen: J.C.B Mohr (Paul Siebeck) 1920. Sehr pointiert beschreibt Fritz Ringer in The Decline of the German Mandarins die Intentionen des akademischen Establishments (d.h. der „mandarins“, T. M.) um die vorige Jahrhundertwende so: „The mandarins wanted to re-create a condition in which Wissenschaft could be said to affect the whole person, the whole nation, and all the concerns of ‚life‘.“ (Fritz Ringer, The Decline of the German Mandarins. The German Academic Community, 1890-1933. London-Hanover: The University Press of New England 1990 (1968), p. 336). Die Anhänger der Lebensphilosophie sträubten sich vehement gegen diese Vereinnahmungs-versuche der Mandarinphilosophie.

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  6. Vgl. Heinrich Rickert, Das System der Philosophie. Tübingen: J.C.B Mohr (Paul Siebeck) 1921.

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  7. Damit behaupte ich nicht, diese neukantianische Lesart des Aufbaus sei die einzig mögliche oder die beste: Carnaps opus magnum lässt viele Interpretationen zu.

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  8. RC 110-07-49:2. Camaps Argument hat eine formale Ähnlichkeit mit der These Carl Schmitts, wonach der Begriff der parlamentarischen Demokratie inkonsistent sei, weil diese Staatsform zwei einander widersprechende Legitimitätsaxiome habe, einmal das Prinzip, legitime politische Macht gehe vom allgemeinen Volkswillen aus, und zum Anderen, es gebe gewisse objektiv gültige Herrschaftsprinzipien, die durch öffentliche Diskussion aufgefunden werden könnten, und das Parlament sei die geeignete Institution, eine solche öffentliche Diskussion zu führen.

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  9. Cf. John Dewey, A Theory of Valuation. Chicago: Chicago University Press 1944; Clarence I. Lewis, „Experience and Meaning“, in: Clarence I. Lewis, Collected Papers of Clarence Irvine Lewis. Edited by J. D. Goheen and John L. Mothershead. Stanford: Standford University Press 1970, pp. 258-276 (Original 1934); Clarence I. Lewis,„Judgments of Value and Judgments of Fact“, in: Clarence I. Lewis, Collected Papers of Clarence Irvine Lewis. Edited by J. D. Goheen and John L. Mothershead. Stanford: Standford University Press 1970, pp. 151-161 (Original 1936); Abraham Kaplan, „Logical Empiricism and Value Judgments“, in: Paul A. Schilpp (Hg.), The Philosophy of Rudolf Carnap. Chicago-La Salle, Ill.: Open Court 1963, pp. 827-856; Charles Morris, „Pragmatism and Logical Empiricism“, in: Schilpp, The Philosophy of Rudolf Carnap, op. cit., pp. 87-98.

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  10. Cf. Carnap, Aufbau, op. cit., §152.

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  11. Rudolf Carnap, „Überwindung der Metaphysik durch logische Analyse der Sprache“, in: Erkenntnis 2, 1932, pp. 219–241.

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  12. Otto Neurath, „Wissenschaftliche Weltauffassung. Der Wiener Kreis“, in: Sahotra Sarkar (Hg.), Basic Works of Logical Empiricism, Vol. 1, The Emergences of Logical Empiricism. From 1900 to the Vienna Circle. New York: Garland Publishers 1996, pp. 321–340.

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  13. Zur Entstehungs-und Rezeptionsgeschichte dieses Textes siehe Thomas Uebel, „Writing a Revolution: On the Production and Early Reception of the Vienna Circle’s Manifesto“, in: Perspectives on Philosophy 16, 2008, pp. 70–102.

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  14. Rudolf Carnap, Wissenschaft und Leben. Unveröffentlichte Notizen für einen Vortrag in Dessau. RC-110-07-49, 1-4, Archives for Scientific Philosophy, University of Pittsburgh, Human Library.

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  15. Gottfried Gabriel, „Introduction: Carnap Brought Home“, in: Steve Awodey / Carsten Klein (Hg.), Carnap Brought Home. The View from Jena. Chicago-La Salle, Ill: Open Court 2004, pp. 3–23, hier p. 6.

    Google Scholar 

  16. Thomas Uebel, ‚„BLUBO-Metaphysik‘: Die Verwerfung der Werttheorie des Südwestdeutschen Neukantianismus durch Carnap und Neurath“, in diesem Band, pp. 104f.

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  17. Vgl. Ringer, The Decline of the German Mandarins, op. cit.

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  18. Vgl. Anmerkung 5.

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  19. Ob die These, ein solipsistisches System sei nicht imstande, die InterSubjektivität wissenschaftlicher Erkenntnis zu gewährleisten, tatsächlich stichhaltig ist, soll hier nicht weiter untersucht werden. Einige interessante Bemerkungen, die dies in Zweifel ziehen könnten, finden sich in Michael Heidelberger, „Zerspaltung und Einheit“, in: Hans-Joachim Dahms (Hg.), Philosophie, Wissenschaft, Aufklärung, heiträge zur Geschichte und Wirkungdes Wiener Kreises. Berlin: de Gruyter 1985, pp. 144–189, insbesondere in der langen Fußnote 101 auf Seite 183.

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  20. Die Konstitution von Werten ist nicht das einzige Thema, das neukantianische Einflüsse im Aufbau bezeugt (cf. Thomas Mormann, „Werte bei Carnap“, in: Zeitschrift für philosophische Forschung 60, 2, 2006, pp. 169–189; Thomas Mormann, „Carnap’s Logical Empiricism, Values, and American Pragmatism“, in: Journal of General Philosophy of Science 38, 2007, pp. 127-146.

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  21. Cf. Mormann, „Werte bei Carnap“, op. cit.

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  22. Carnap, Aufbau, op. cit., §§54ff

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  23. Rudolf Carnap, „Empiricism, Semantics, and Ontology“, in: Repue Internationale de Philosophie 4, 1950, pp. 20–40.

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  24. Cf. Carnap, Auflau, op. cit., §42.

    Google Scholar 

  25. Das im Auflau diskutierte Beispiel der Konstitution der Sitte des Grüßens durch das Abnehmen des Hutes findet sich auch in: Hans Freyer, Theorie des objektiven Geistes. Eine Einführung in die Kulturphilosophie. Leipzig, Berlin: Teubner 1923.

    Google Scholar 

  26. Carnap, Aufbau, op. cit., §152.

    Google Scholar 

  27. Ibid., §59.

    Google Scholar 

  28. Ibid., §152.

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  29. Vgl. dazu Mormann, „Werte bei Carnap“, op. cit.

    Google Scholar 

  30. Carnap, „Überwindung“, op. cit., pp. 219/220.

    Google Scholar 

  31. Ibid., p. 237.

    Google Scholar 

  32. Überhaupt scheint Carnap die Bedeutung des Unterschiedes zwischen solipsistischen und nichtsolipsistischen Konstitutionssystemen im Lauf der Jahrzehnte recht unterschiedlich eingeschätzt zu haben (vgl. Heidelberger, „Zerspaltung und Einheit“, op. cit.).

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  33. Lewis, „Experience and Meaning“, op. cit.

    Google Scholar 

  34. Lewis, „Judments of Value and Judgments of Fact“, op. cit.

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  35. Ibid., p. 152.

    Google Scholar 

  36. Ibid., p. 153.

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  37. Morris, „Pragmatism and Logical Empiricism“, op. cit.

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  38. Ibid., pp. 94-95.

    Google Scholar 

  39. Rudolf Carnap, „Charles Morris on Pragmatism and Logical Empiricism“, in: Paul A. Schilpp (Hg.), The Philosophy of Rudolf Carnap. Chicago-La Salle, Ill: Open Court 1963, pp. 860–863, hier p. 862.

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  40. Dewey, A Theory of Valuation, op. cit.

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  41. Ibid., pp. 444-445.

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  42. George Reisch, How the Cold War Transformed Philosophy of Science in America. To the Icy Slopes of Logic. Cambridge: Cambridge University Press 2005.

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  43. Cf. ibid., pp. 90ff

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  44. John Dewey, German Philosophy and Politics. New York: Henry Holt 1915, p. 20.

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  45. Ibid

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  46. Abraham Kaplan (1918-1993) promovierte bei Hans Reichenbach mit der Dissertation The Language of Value. A Study in Pragmatics. Sein wichtigstes philosophisches Buch ist The Conduct of Inquiry. Methodology for Behavioral Science (1964). Sein Hauptinteresse galt der Ausarbeitung einer Wissenschaftsphilosophie, die Naturwissenschaften und Sozialwissenschaften in gleichberechtigter Weise berücksichtigte. In Conduct of Inquiry kritisierte er in überzeugender Weise die sogenannte „Fact-Value-Dichotomy“, lange bevor diese Thematik in den 80er und 90er Jahren Mode wurde.

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  47. Rudolf Carnap, „Intellectual Autobiography“, in: Paul A. Schilpp (Hg.), The Philosophy of Rudolf Carnap. Chicago-La Salle, Ill.: Open Court 1963, pp. 3–84.

    Google Scholar 

  48. Kaplan, „Logical Empiricism and Value Judgments“, op. cit.

    Google Scholar 

  49. Rudolf Carnap, „Abraham Kaplan on Value Judgments“, in: Schilpp, The Philosophy of Rudolf Carnap, op. cit., pp. 999–1013.

    Google Scholar 

  50. Eine ausführliche und recht positive Besprechung dieses Buches findet sich in: Jürgen Habermas, Zur Logik der Sozialwissenschaften. Materialien. Frankfurt am Main: Suhrkamp 1970. Gleichwohl scheint Kaplan im deutschen Sprachraum ziemlich unbekannt geblieben zu sein.

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  51. Kaplan, The Conduct of Inquiry, op. cit.

    Google Scholar 

  52. Ibid., p. 394.

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  53. Carnap, „Abraham Kaplan on Value Judgments“, op. cit., p. 1009.

    Google Scholar 

  54. Carnap, „Intellectual Autobiography“, op. cit., p. 82.

    Google Scholar 

  55. Ibid., p. 855.

    Google Scholar 

  56. Ibid., pp. 852/853.

    Google Scholar 

  57. Ob dieser Versuch gelungen ist, darf man füglich bezweifeln (vgl. Uebel in diesem Band).

    Google Scholar 

  58. Cf. Gabriel, „Introduction: Carnap Brought Home“, op. cit.

    Google Scholar 

  59. Cf. Kaplan, „Logical Empiricism and Value Judgments“, op. cit., p. 853.

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  60. Peter Machamer / Gereon Wolters, Science, Values and Objectivity. Pittsburgh: Pittsburgh University Press 2004, p. 7.

    Google Scholar 

  61. Cf. Hilary Putnam, Ethics without Ontology. Cambridge, Mass.: Harvard University Press 2004.

    Google Scholar 

  62. Carnap, Aufbau, op. cit., §162.

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  63. Vgl. Carnap, „Empiricism, Semantics, and Ontology“, op. cit.

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  64. Cf. ibid.

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Mormann, T. (2010). Wertphilosophische Abschweifungen eines Logischer Empiristen: Der Fall Carnap1. In: Siegetsleitner, ..A. (eds) Logischer Empirismus, Werte und Moral. Veröffentlichungen des Instituts Wiener Kreis, vol 15. Springer, Vienna. https://doi.org/10.1007/978-3-7091-0160-5_5

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