Zusammenfassung
Der Physiker und Philosoph Philipp Frank hat für die Geschichte des Logischen Empirismus eine Schlüsselrolle gespielt. Er war bei den ersten Anfangen des späteren „Wiener Kreises“ dabei.2 Als Physiker, Spezialist für die Relativitätstheorie, Freund und Biograph Albert Einsteins hat er die Sicht der modernen Naturwissenschaften im Wiener Kreis wesentlich mitgeprägt. In den 1930er Jahren spielte er oft die Rolle eines Vermittlers zwischen den Anhängern einer logisch-empiristisch orientierten Wissenschaftsphilosophie. Diesevertraten bekanntlich sehr unterschiedliche Auffassungen, was immer wieder zu beträchtlichen Spannungen führte.3
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References
Dieser Text ist eine überarbeitete und ins Deutsche übersetzte Version des Artikels „Philosophy of Science and Democracy. Some Reflections on Philipp Frank’s Relativity —A Richer Truth“, in: Michael Heidelberger / Friedrich Stadler (Hg.), Wissenschaftsphilosophie und Politik / Philosophy of Science and Politics, Wien-New York: Springer 2003, pp. 119–138.
Siehe Rudolf Haller, „Der erste Wiener Kreis“, in: Rudolf Haller, Fragen zu Wittgenstein und Aufsätze zur österreichischen Philosophie. Studien zur österreichischen Philosophie Bd. 10. Amsterdam: Rodopi 1986, pp. 89–107; Friedrich Stadler, Studien zum Wiener Kreis. Ursprung, Entwicklung und Wirkung des Logischen Empirismus im Kontext. Frankfurt am Main: Suhrkamp 1997; Thomas Uebel, Vernunftkritik und Wissenschaft. Otto Neurath und der erste Wiener Kreis. Veröffentlichungen des Instituts Wiener Kreis Bd. 9, Wien-New York: Springer 2000 (besonders Kap. 4-6) und Thomas Uebel, „On the Austrian Roots of Logical Empiricism: The Case of the First Vienna Circle“, in: Paolo Parrini/Wesley C. Salmon/Merrilee H. Salmon (Hg.), Logical Empiricism. Historical and Contemporary Perspectives. Pittsburgh: University of Pittsburgh Press 2003, pp. 67-93.
Im Zuge der Vorbereitung der Prager Vorkonferenz der internationalen Kongresse für Einheit der Wissenschaft schrieb Neurath am 6.8.1934 an Philipp Frank in Bezug auf die Einführung in die Konferenz: „Sie müssen beginnen, weil sie das sozialste Wesen unter uns sind.“ (Zitiert mit Genehmigung der Wiener Kreis Stichting, Amsterdam.) Tatsächlich bezeugt die Korrespondenz zwischen Philipp Frank und Neurath in der zweiten Hälfte der 1930er Jahre, wie oft Frank klärend und vermittelnd in Auseinandersetzungen einzugreifen suchte — sei es in den Differenzen zwischen Schlick und Neurath, sei es bei den Vorbereitungen für die Pariser Kongresse 1935 und 1937, wo er versuchte, die Wogen zwischen den Franzosen Rougier und Boll zu glätten.
Philipp Frank, „Die Bedeutung der physikalischen Erkenntnistheorie Machs für das Geistesleben der Gegenwart“, Original 1917, abgedruckt in: Der Wiener Kreis. Texte zur wissenschaftlichen Weltauffassung. Philosophische Bibliothek Bd. 577. Hg. v. Michael Stöltzner/Thomas E. Uebel. Hamburg: Meiner 2006, pp. 93–113, engl. Übersetzung in: Philipp Frank, Modern Science and its Philosophy. Cambridge: Harvard University Press 1950, pp. 61-78.
1938 emigrierte Frank in die USA, lehrte von 1939 bis 1953 an der Harvard University sowie an zahlreichen anderen amerikanischen Universitäten. 1948 gründete er das Institute for the Unity of Science in Harvard, das er bis 1965 leitete. Für weitere Informationen zu Leben und Werk siehe Stadler, Studien zum Wiener Kreis, op. cit., pp. 681-687.
Modern Science and its Philosophy ist der Titel eines Bandes, den Frank 1950 veröffentlichte. Er enthält unter anderem auch frühe Schriften Franks in englischer Übersetzung, darunter Frank, „Die Bedeutung der physikalischen Erkenntnistheorie Machs für das Geistesleben der Gegenwart“, op. cit.
Philipp Frank, Wahrheit-relativ oder absolut? Zürich: Pan-Verlag 1952. Übersetzung ins Deutsche von Relativity — A Vacher Truth. Boston: Beacon 1950.
Die erste Konferenz fand im September 1940 in New York statt. Das Buch, das die Beiträge zu dieser ersten Phase versammelte, wurde in der März-Nummer von Nature 1941 besprochen. „The papers contained in the present volume were prepared for a conference held in New York during September 9-11, 1940, the subject of the conference being’ science, Philosophy and Religion in their Relation to the Democratic Way of Life’. Those who initiated the conference maintain that ‘civilization itself is threatened by the rise of totalitarian systems based on various anti-scientific, anti-philosophic, and anti-religious dogmas’.“ (Nature 147, 1941, pp. 367-369; 29 March 1941).
Dass Frank großen Respekt vor Cassirer hatte, zeigt sich in seiner Rezension von Cassirers Determinismus und Indeterminismus in der modernen Physik. Dort bezeichnet er Cassirer zwar als Vertreter der „Schulphilosophie“, aber er zollt der Schrift große Anerkennung. Frank lobt Cassirers Argumentationsweise und hebt die klare, verständliche Sprache hervor. Cassirers Schrift sei auch vom Standpunkt des Logischen Empirismus aus sehr zu begrüßen. (Philipp Frank, „Bemerkungen zu E. Cassirer: Determinismus und Indeterminismus in der modernen Physik“, in: Theoria 4, 1938, pp. 70–80, engl. Übersetzung in: Frank, Modern Science and its Philosophy, op. cit., pp. 172-185.)
John Michael Krois hat darauf aufmerksam gemacht, dass es noch viel mehr bemerkenswerte Elemente in der Beziehung zwischen Cassirers Denken und dem Logischen Empirismus gibt (John Michael Krois, „Ernst Cassirer und der Wiener Kreis“, in: Friedrich Stadler (Hg.), Elemente moderner Wissenschaftstheorie. Veröffentlichungen des Instituts Wiener Kreis Bd. 8, Wien-New York: Springer 2000, pp. 105–122).
Frank, Wahrheit-relativ oder absolut?, op. cit., p. 9.
Ibid.
Ibid., p. 14.
Ibid.
Ibid., p. 17.
Ibid.,pp. 17f.
Ibid., p. 17.
Ibid., p. 24.
Ibid., p. 18.
Ibid., p. 23.
Ibid., p. 32.
Ibid., p. 37.
Ernst Cassirer, Substanzbegriff und Funktionsbegriff. Untersuchungen über die Grundlagen der Erkenntnistheorie. Berlin: Bruno Cassirer 1910, 2. Aufl. 1923, p. 367.
Ibid., p. 373.
Ibid., p. 371.
Ibid., p. 365.
Ibid., pp. 386f.
Ibid., p. 368.
Ibid., p. 369.
Ernst Cassirer, Das Erkenntnisproblem in der Philosophie und Wissenschaft der neueren Zeit. Bd. 1. Berlin: Bruno Cassirer 1906. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 1994, p. 483.
Damit soll keineswegs suggeriert werden, die Philosophie der symbolischen Formen sei letztlich nichts anderes als die Weiterfuhrung eines neo-kantianischen erkenntnistheoretischen Projekts. John Michael Krois hat sehr deutlich herausgearbeitet, dass die Transformation der Philosophie, an der Cassirer arbeitete, weder auf Erkenntnistheorie noch auf Kulturphilosophie reduziert werden kann (John Michael Krois, Cassirer. Symbolic Forms and History. New Haven-London: Yale University Press 1987.
Ernst Cassirer, Philosophie der symbolischen Formen. Bd. 1. Berlin: Bruno Cassirer 1923. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 1988, pp. 8f.
Ibid., p. 27.
Ibid., p. 13.
Ibid., p. 11.
Ibid.
Frank, Wahrheit-relativ oder absolut?, op. cit., pp. 83ff
Siehe dazu Uebel, „On the Austrian Roots of Logical Empiricism: The Case of the First Vienna Circle“, op. cit., pp. 103–106.
Siehe dazu Alan Richardson, „Tolerance, Internationalism, and Scientific Community in Philosophy: Political Themes in Philosophy of Science, Past and Present“, in: Heidelberger / Stadler, Wissenschaftsphilosophie und Politik / Philosophy of Science and Politics, op. cit., pp. 65–90, hier pp. 72-86.
Frank, Wahrheit— relativ oder absolut?, op. cit., p. 36.
Cassirer, Philosophie der symbolischen Formen, op. cit., p. 13.
Ibid.,p.12.
Ibid.
Ibid.
Frank, Wahrheit-relativ oder absolut?, op. cit., pp. 58ff
Ibid., pp. 51f.
Ibid., p. 81.
Ibid., p. 82.
Ibid., p. 55.
Ibid., p. 56.
Ibid., p. 58.
Ibid., p. 82.
Michael Friedman, „On the Sociology of Scientific Knowledge and its Philosophical Agenda“, in: Studies in History and Philosophy of Science 29, 2, 1998, pp. 239–271; Michael Friedman, Reconsidering Logical Positivism. Cambridge, UK: Cambridge University Press 1999.
Auf dieses konservative Moment wissenschaftlicher Praxis hat Neurath schon in seiner Besprechung der Logik der Forscbung von Karl Popper aufmerksam gemacht (siehe Otto Neurath „Pseudorationalismus der Falsifikation“, Original 1935, abgedruckt in: Otto Neurath, Gesammelte philosophische und methodologische Schriften. Hg. v. Rudolf Haller u. Heiner Rutte. Wien: Hölder-Pichler-Tempsky 1981, pp. 635-644). In Kuhns Ansatz wird es bekanntlich zu einem Moment der „Normalwissenschaft“.
Charles Sanders Peirce, „Die Festlegung einer Überzeugung“, Original 1877, deutsche Übersetzung in: Ekkehard Martens (Hg.), Texte der Philosophie des Pragmatismus. Stuttgart: Reclam 1975, pp. 61–98, hier p. 70.
Otto Neurath, „Die Enzyklopädie als ‚Modell‘“, Original 1936, abgedruckt in: Neurath, Gesammelte philosophische und methodologische Schriften, op. cit., pp. 725–738. Siehe auch Otto Neurath, „Einheit der Wissenschaft als Aufgabe“, Original 1935, abgedruckt in: Neurath, Gesammelte philosophische und methodologische Schriften, op. cit., pp. 625-629.
Zum Beispiel in: Neurath, „Die Enzyklopädie als ‚Modell‘“, op. cit., und Neurath, „Einheit der Wissenschaft als Aufgabe“, op. cit.
Thomas E. Uebel, „The Enlightenment Ambition of Epistemic Utopianism: Otto Neurath’s Theory of Science in Historical Perspective“, in: Ronald N. Giere/ Alan W. Richardson (Hg.), Origins of Logical Empiricism. Minnesota Studies in the Philosophy of Science Vol. XVI. London: University of Minnesota Press 1996, pp. 91–114, hier p. 108.
Thomas E. Uebel, „Enlightenment and the Vienna Circle’s Scientific World Conception“, in: Amelie Oksenberg Rorty (Hg.), Philosophers on Education. Historical Perspectives. London-New York: Routledge 1998, p. 429.
Zur „politischen Wissenschaftsphilosophie des Logischen Empirismus“ siehe Thomas E. Uebel, „Political Philosophy of Science in Logical Empiricism: The Left Vienna Circle“, in: Studies in History and Philosophy of Science 36, 2005, pp. 754–773.
Michael Friedman hat in sehr erhellender Weise die Spannung untersucht, die zwischen den internen Normen, die die Praxis der Wissenschaft bestimmen, auf der einen Seite und den distanzierten, externen Feststellungen einer skeptischen und relativistischen Philosophie auf der anderen Seite besteht (Friedman, „On the Sociology of Scientific Knowledge and its Philosophical Agenda“, op. cit., p. 268). Die Tradition, die Friedman als die Hume-Carnap-Wittgenstein-Tradition charakterisiert und der er selbst sich anschließt, habe diese Spannung aufgelöst, indem sie die wissenschaftliche Praxis von der relativistischen Philosophie strikt trennte: „we isolate the practice of science from the corrosive effects of skeptical and relativistic philosophy [...] by sharply segregating philosophy, as a discipline, from the scientific enterprise“ (ibid., p. 269). Ich meine, dass die Unified Science im Sinne Franks und Neuraths ein Projekt war, das mit dieser Spannung anders umzugehen versuchte.
Siehe Thomas Mormann, „Encyclopedism as an Anti-Cartesian Account of Language and Science“, in: Elisabeth Nemeth / Friedrich Stadler (Hg.), “Encyclopedia and Utopia. The Life and Work of Otto Neurath (1882-1945), Vienna Circle Yearbook 4, Dordrecht-Boston-London: Kluwer 1996, pp. 87–96; Thomas Mormann, „Neuraths anticarte-sische Konzeption von Sprache und Wissenschaft“, in: Elisabeth Nemeth / Richard Heinrich (Hg.), Otto Neurath: Rationalität, Planung, Vielfalt. Wiener Reihe Bd. 9, Wien-Berlin: Oldenbourg-Akademie 1999, pp. 32-61.
Zur Kontinuität zwischen Franks Denken und dem der Aufklärung siehe Thomas E. Uebel, „Education, Enlightenment and Positivism: The Vienna Circle’s Scientific World-Conception Revisited“, in: Science & Education 13, 2004, pp. 41–66.
Frank, „Die Bedeutung der physikalischen Erkenntnistheorie Machs für das Geistesleben der Gegenwart“, op. cit.
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Nemeth, E. (2010). Wissenschaftsphilosophie als kulturelle Aufgabe. Überlegungen zu Philipp Frank und Ernst Cassirer1. In: Siegetsleitner, ..A. (eds) Logischer Empirismus, Werte und Moral. Veröffentlichungen des Instituts Wiener Kreis, vol 15. Springer, Vienna. https://doi.org/10.1007/978-3-7091-0160-5_11
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