Zusammenfassung
Die Lyrik der letzten zweihundert Jahre ist ein programmatischer Spiegel der allgemeinen Dichtungstheorien dieser Zeit. Trotzdem oder gerade deshalb hat sich eine spezifische Theorie der Lyrik bisher nur in Ansätzen herausgebildet. Der seit dem 18. Jahrhundert fest eingebürgerte Glaube an die Subjektivität dieser Gattung schien jede Normierung von vornherein zu verbieten. Einzelne Gedichtarten, wie Lied, Ode, Elegie, Sonett und Madrigal, wurden zum Gegenstand von Monographien. Aber deren Addition ergibt kein überzeugendes Gesamtbild vom Wesen der Lyrik im allgemeinen, zumal sich bei fast jeder dieser Gedichtarten metrische und thematische Merkmale den Rang streitig machen. Auch ein Blick auf die historischen Epochen von der Antike bis heute fördert eher tiefgreifende Wandlungen als durchgehende Konstanten zutage. Das gilt für die einzelnen Arten ebenso wie für die Lyrik insgesamt. Die metrische Neubelebung der antiken Vers- und Strophenformen durch Klopstock und die thematische Verschiebung und beginnende Auflösung des alten Systems der Gedichtarten gehen Hand in Hand. Besonders augenfällig dokumentiert sich die teils historische, teils zeitlose Vielfalt in den unterschiedlichen Meinungen über die Entstehung von Gedichten. Göttlicher „Wahnsinn” (Platon), eine kollektiv verstandene Volksseele (Herder), die Eigengesetzlichkeit der Sprache (Valéry) und praktische Zwecke wurden als Faktoren ebenso in Erwägung gezogen wie der fühlende, denkende, imaginativ schauende und artistisch gestaltende Dichter.
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Anmerkungen
Vgl. auch Albert Klein/Jochen Vogt: Methoden der Literaturwissenschaft I: Literaturgeschichte und Interpretation. Düsseldorf 1971. (= Grundstudium Literaturwissenschaft. Bd. 3.) S. 49 f. und S. 128 – 132.
Staiger. Grundbegriffe der Poetik. Zürich 81968. S. 207.
Wolfgang Kayser: Das sprachliche Kunstwerk. Bern 151971. S. 336.
Max Kommerell: Gedanken über Gedichte. Frankfurt/M. 31956. S. 19.
Ebd. S. 20. Zur musikalischen Herkunft von „Stimmung“ vgl. Bodo Lecke, Das Stimmungsbild, Göttingen 1967.
Joseph von Eichendorff: Neue Gesamtausgabe der Werke und Schriften. Hrsg. v. Gerhart Baumann und Siegfried Grosse. Bd. 1. Stuttgart (1957). S. 37.
Vgl. Ernst Robert Curtius: Europäische Literatur und lateinisches Mittelalter. Bern/München 71969. S. 323 – 329.
Zitiert nach Albrecht Schöne (Hrsg.): Das Zeitalter des Barock. Texte und Zeugnisse. München 1963. S. 190. (Dort fortlaufend gedruckt.)
Ebd. S. 81. Die Gelegenheitsorientierung entspricht der Hofkultur des 17. Jahrhunderts. Gracián empfiehlt in seinem „Handorakel“ (Nr. 288) dem Hofmann, nach der Gelegenheit zu leben, nicht nach Grundsätzen. Laut D. Kimpel (Der Roman der Aufklärung, 1967, S. 15) hat Christian Weise dieses Ideal auf den bürgerlichen Politikus übertragen. Goethe denkt an privatere Gelegenheiten.
Erich Trunz in: Goethes Werke. Hamburger Ausgabe in 14 Bänden. Bd. 1. 1948 u. öfter. S. 424.
Vgl. Albert Klein/Jochen Vogt: Methoden der Literaturwissenschaft I: Literaturwissenschaft und Interpretation. Düsseldorf 1971. (= Grundstudium Literaturwissenschaft. Bd. 3.) S. 30 – 32 und 99 – 103.
Vgl. Max Kommerell: Gedanken über Gedichte. Frankfurt/M. 31956. S. 49 f.
Vgl. Wolfgang Preisendanz: Zur Poetik der deutschen Romantik I: Die Abkehr vom Grundsatz der Naturnachahmung. In: Hans Steffen (Hrsg.): Die deutsche Romantik. Poetik, Formen und Motive. Göttingen 21970. S. 54 – 74.
Vgl. Mario Praz: Liebe, Tod und Teufel. Die schwarze Romantik. 2 Bde. München 1970.
Hugo Friedrich: Die Struktur der modernen Lyrik. Hamburg 111970. S. 55 – 58.
Paul Celan: Sprachgitter. Frankfurt/M. 1961. S. 7.
Zitiert nach Pierre Garnier: Jüngste Entwicklung der internationalen Lyrik. In: Reinhold Grimm (Hrsg.): Zur Lyrik-Diskussion. Darmstadt 1966. (= Wege der Forschung. Bd. 111.) S. 451 – 469. (Hier: S. 458.)
In: Akzente 15 (1968) S. 343 f. Vgl. auch die Besprechung bei Sebastian Neumeister: Poetizität. Heidelberg 1970. S. 35–37.
Eugen Gomringer: Worte sind Schatten. Die Konstellation 1951 – 1968. Hamburg 1969. S. 27.
Vgl. Gerhart Hoffmeister: Petrarkristische Lyrik. Stuttgart 1973 (= Sammlung Metzler 119).
Vgl. Hans Aßmann von Abschatz: Die Schöne Groß-Nase (Übertragung nach Alessandro Adimari). In: Albrecht Schöne (Hrsg.): Das Zeitalter des Barock. Texte und Zeugnisse. München 1963. S. 682 f.
Gotthold Ephraim Lessing: Laokoon. In: G. E. L.: Sämtliche Schriften. Hrsg. v. Karl Lachmann u. Franz Muncker. Bd. 9. Stuttgart 31893. S. 3 – 177. (Hier: S. 120 – 138 = Kap. XX – XXII.)
Zu dieser Kußdeutung vgl. Ernst Robert Curtius: Europäische Literatur und lateinisches Mittelalter. Bern/München 61967. S. 296 f.
Vgl. Pindar: Die Dichtungen und Fragmente. Verdeutscht und erläutert von Ludwig Wolde. Wiesbaden 1958. S. 59 ff.
Oskar Loerke: Das alte Wagnis des Gedichts (1929). In: O. L.: Gedichte und Prosa. Bd. 1. Frankfurt/M. 1958. S. 692 – 712. (Hier: S. 697.)
Gero v. Wilpert: Sachwörterbuch der Literatur. Stuttgart 51969. Artikel „Gedankenlyrik”.
Paul Böckmann: Formgeschichte der deutschen Dichtung. Bd. 1. Darmstadt 31967. S. 471 ff.
Vgl. Florian Vaßen: Methoden der Literaturwissenschaft II: Marxistische Literaturtheorie und Literatursoziologie. Düsseldorf 1972. (= Grundstudium Literaturwissenschaft. Bd. 4.) S. 24.
Nach Levin L. Schücking (Soziologie der literarischen Geschmacksbildung. Bern/München 31961. S. 87) spricht die Satire besonders Männer an, während Frauen eher zu empfindsamer Literatur neigen.
Zu den pseudoreligiösen Vorstellungen in der Nazilyrik vgl. Albrecht Schöne: Über Politische Lyrik im 20. Jahrhundert. Göttingen 21969. S. 16–18 und 33–38.
Vgl. das freimütig-deftige Buch von Peter Rühmkorf: Über das Volksvermögen. Exkurse in den literarischen Untergrund. Hamburg 1967 u. öfter.
F. v. Hagedorn: Gedichte. Hrsg. v. Alfred Anger. Stuttgart 1968. S. 6 f.
Vgl. Johann Gottfried Herder: Auszug aus einem Briefwechsel über Oßian und die Lieder alter Völker. In: J. G. H.: Sämmtliche Werke. Hrsg. v. Bernhard Suphan. Bd. 5. Berlin 1891. S. 185 ff.
Walter Hinck: Die deutsche Ballade von Bürger bis Brecht. Kritik und Versuch einer Neuorientierung. Göttingen 1968.
Vgl. dazu Wolfgang Kayser: Das sprachliche Kunstwerk. Eine Einführung in die Literaturwissenschaft. Bern 151971. S. 334 f.;
René Wellek/Austin Warren: Theorie der Literatur. Aus dem Englischen übertragen von Edgar u. Marlene Lohner. Frankfurt/M. 1972 (= FAT 5). S. 247 f.
Käte Hamburger: Die Logik der Dichtung. Stuttgart 21968. S. 216.
Bertolt Brecht: Über Lyrik. Frankfurt 31968. S. 8.
Zur Erzählung als Fiktion vgl. Jochen Vogt: Aspekte erzählender Prosa. Düsseldorf 1972. (= Grundstudium Literaturwissenschaft. Bd. 8.) S. 11 – 23.
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Asmuth, B. (1984). Arten und Merkmale der Lyrik. In: Aspekte der Lyrik. Grundstudium Literaturwissenschaft Hochschuldidaktische Arbeitsmaterialien. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-20514-2_2
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