Zusammenfassung
Die Analyse der Grundzüge des Staatsapparats der DDR wäre unvollständig, wenn nicht noch die Personalpolitik oder — um den bolschewistischen Terminus zu gebrauchen — die »Kaderpolitik«1 behandelt würde. Die Lösung der »Kader-Frage«, d. h. der Frage, wieweit es gelingt, die im Sinn der Herrschenden »richtigen« Leute an die richtige Stelle zu setzen und die Stellenplanung und die Funktionalität der Teile des Ganzen so festzulegen, daß mit dem vorhandenen parteigemäßen »Kader«-Potential schon eine Gewähr für das Wirksamwerden der angestrebten Parteilichkeit geleistet wird, ist für das Gelingen des bolschewistischen Experiments von ausschlaggebender Bedeutung. Das hat bereits Stalin ausdrücklich hervorgehoben; sein Satz, daß »die Kader alles entscheiden«2, also das Gelingen des Vorhabens der »Revolution von oben« weitgehend davon abhängt, wieweit Partei und Staat die geeigneten Männer und Frauen heranzuziehen vermögen, ist zum richtunggebenden Slogan für alle Volksdemokratien geworden.
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Referenzen
Zum Kaderbegriff vgl. Schultz (Anm. II/107), S. 4 f.
Stalin, Fragen des Leninismus (Anm. I/84), S. 715.
Ausführlich Richert/Stern/Dietrich (Anm. I/6), I. Kapitel.
Vgl. Schultz (Anm. II/107), IX. Kapitel.
Vgl. o. VIII. Kapitel.
Nach der Selbsteinschätzung der SED-Führung im Zusammenhang mit dem Juni-Aufstand 1953.
Nach einer Mitteilung, die in den SED-Kreisparteiaktivs von leitender Seite einheitlich Ende 1956 abgegeben wurde.
StJB 1962, S. 117.
Den jeweiligen Kapiteln V des StJB zu entnehmen.
Nach persönlicher Information des Verf.
Grotewohl, »Die Volksmassen. . .« (Anm. II/58), S. 406 f.
Vgl. o. VI. Kapitel.
Nach einem Überblick, der nahezu alle Fachministerien erfaßt und den sich der Verf. durch eine Reihe von Interviews verschaffen konnte, stellte sich den leitenden Mitgliedern der Ministerien die Lage selbst so dar, daß es in jedem Ministerium in der Regel zwei bis fünf »Scharfmacher« gibt, die »politisch« gefürchtet sind. Dazu gehören meist einige Mitarbeiter der Kaderleitung, zuweilen der Erste Sekretär der BPO-Leitung, manchmal auch Verschlußsachen-Bearbeiter, in Ausnahmefällen BGL-Personal und gelegentlich ein höherer Funktionär, etwa einer der persönlichen Referenten eines Leitungsmitglieds oder ein Stellvertreter des Ministers. Das sind natürlich nur Schlußfolgerungen aus Eindrücken. Vom Umfang der diesbezüglichen Umfrage her beurteilt, erscheinen sie jedoch typisch für die genannte Situation.
Vgl. o. IX. Kapitel, Abschnitt »Das Gesamtnetz der Kontrolle«.
»Gesetz der Arbeit zur Förderung und Pflege der Arbeitskräfte, zur Steigerung der Arbeitsproduktivität und zur weiteren Verbesserung der materiellen und kulturellen Lage der Arbeiter und Angestellten« vom 19. April 1950 in: GBl., 1950, S. 349 ff., sowie die den § 39 dieses Gesetzes durchführende »Verordnung über Kündigungsrecht« vom 7. Juni 1951 in: GBl., 1951, S. 550 f.; ferner »Verordnung über die Pflichten und Rechte der Mitarbeiter der staatlichen Verwaltungsorgane. . .« (Anm. VI/5), § 3 Abs. 2.
»Verordnung über Kündigungsrecht«, a. a. O., § 5, sowie insbes. § 9 Abs. a und b (fristlose Entlassung aus politischen Gründen).
Vgl. o. VI. und VII. Kapitel.
Die Kaderleiter nehmen an den »Entwicklungsgesprächen« teil und haben von hier aus durch die »Kaderunterlagen« (die von ihnen verwalteten Personalpapiere) mancherlei Möglichkeit zur Schikane. Entlassungen können aber nur Vorgesetzte vom Abteilungsleiter an aufwärts aussprechen.
Im Prinzip unterliegen diejenigen Funktionäre, über die die Kaderabteilung »Macht« hat, keiner höheren Nomenklatur.
Sehr häufig tritt eine Rivalität zwischen Fachabteilungen und Kaderapparat in Erscheinung. Auch Rückendeckung bei Massenorganisationen gibt den Fachfunktionären guten Schutz gegen Willkür von Kaderleitungen.
Das betrifft vor allem die gehobenen Gehälter.
Vgl. o. Anm. X/16.
Zu den dauernden Klagen über »Fluktuation« vgl. u. S. 276. Hierbei wäre noch zu beachten, daß die Partei lt. Statut Genossen an einen Arbeitsplatz disziplinarisch binden kann. Von dieser Möglichkeit wird aber offenbar wenig Gebrauch gemacht.
»Verordnung über die Pflichten und Rechte. . .« (Anm. VI/5).
A. a. O., § 24.
Ebda.
A. a. O., §30.
A. a. O., § 30 Abs. 3.
Nach persönlichen Informationen des Verf.
»Verordnung über die Pflichten und Rechte. . .« (Anm. VI/5), § 3 Abs. 2.
Ebda.
A. a. O., § 7.
A. a. O., § 6.
A. a. O., § 3 Abs. 2.
Gemäß einem Ministerratsbeschluß; vgl. »Anerkennung für die Eisenbahner« in: Neues Deutschland vom 23. Oktober 1956.
Erich Funk, »Die Kader für die neuen Aufgaben befähigen«, in: Demokratischer Aufbau, 10. Jg., Heft 20/21 (Dezember 1955), S. 534 ff.
Karl Bönninger und Willi Büchner-Uhder, »Vorschläge für eine künftige Regelung des Staatsdienstes in der Deutschen Demokratischen Republik«, in: Staat und Recht, 5. Jg., Heft 8 (31. Dezember 1956), S. 1012 ff. Bezeichnenderweise sollten ausgenommen werden: Minister, sämtliche Funktionäre der Machtsicherungsorgane, aber auch alle hauptamtlichen Vorstandsmitglieder örtlicher Räte — letztere wie die Minister als Wahlfunktionäre. Die bei der Aufzählung der drei Laufbahnen sich aufdrängende Analogie zum traditionellen höheren, gehobenen und mittleren Verwaltungsdienst in Deutschland verstärkt sich noch durch die hier erhobene Forderung nach größerer Rechtssicherheit der Verwaltungsangestellten. Vgl. hierzu Leißner (Anm. IV/34), bes. S. 379–394. Die sehr sorgfältige Darstellung, die Leißners Schrift auszeichnet, findet leider ihre Grenzen an seiner Unterschätzung der wirtschaftspolitischen Implikationen in der gesamten Entwicklung der DDR.
Vgl. u. Abschnitt »Kaderqualifikation — Die 〉neue Intelligenz〈 im Staatsapparat«.
Der hier gegebenen Darstellung liegen folgende Unterlagen zugrunde: mehrere Berichte von kaderpolitisch tätigen höheren Verwaltungsfunktionären sowie Unterlagen des Untersuchungsausschusses Freiheitlicher Juristen und eine Nomenklaturaufstellung des 2K für den internen Dienstgebrauch (Stand: Reorganisation des Nomenklatursystems nach dem 15. Plenum des ZK von Mitte 1953).
DDR-Verf., Art. 94.
»Gesetz über die örtlichen Organe. . .« (Anm. VII/26), § 29 Abs. 1.
A. a. O., § 46 Abs. 2.
»Gesetz der Arbeit. . .« (Anm. X/15), II, §§ 4–9.
Daran hielt man sich auch in den folgenden Jahren, doch trachtete die SED schon damals, bei Vakanzen (Bürgermeisterposten u. ä.) »ihre« Leute einzuschieben.
Vgl. o. VI. Kapitel.
Zugrunde liegt die o. in Anm. X/39 erwähnte Aufstellung des ZK. Sie soll im wesentlichen heute noch gelten.
Seit Mitte 1956 ist der Befehl auch im innerparteilichen Betrieb nicht mehr in Kraft. Vgl. Leitartikel »Über das Verhalten zu den Kadern« in: Neuer Weg, Jg. 1956, Nr. 13, S. 794 ff.
Hermann Martin, »Kaderpolitik und Staatsapparat«, in: SBZ-Archiv, 6. Jg., Nr. 13 (5. Juli 1955), S. 193 ff., bes. S. 194. — Vgl. hierzu und zum folgenden auch die recht instruktive Darstellung »Der individuelle Entwicklungsplan« in: Merkbuch . . . 1954 (Anm. VI/66), S. 42 f.
Martin, a. a. O., S. 195.
A.a. O., S. 194.
Richtert/Stern/Dietrich (Anm. I/6), Fünfter Teil.
Ebda.
Martin (Anm. X/48), S. 194.
Max Gustav Lange, Ernst Richert, Otto Stammer, »Das Problem der 〉neuen Intelligenz〈 in der Sowjetischen Besatzungszone«, in: Veritas, Justitia, Libertas. Festschrift zur 200-Jahrfeier der Columbia University New York, Berlin 1953, Teil III und IV. Vgl. auch (von östlicher Seite) G. Gottschling, »Die Kader für die Lösung der Hauptaufgabe qualifizieren«, in: Demokratischer Aufbau, 11. Jg., Hef. 1 (Januar 1956), S. 16 ff.
Stern, Die SED (Anm. I/66), S. 125 f.
Hier sind später weitere Reorganisationen und Zusammenlegungen erfolgt. Nach dem Stand von Ende 1961 gab es folgende Spezialhochschulen: Eine Hochschule für Schwermaschinenbau in Magdeburg (mittlerweile zur generellen TH erhoben), eine Hochschule für allgemeinen Maschinenbau in Karl-Marx-Stadt, eine Hochschule für Elektrotechnik in Ilmenau, eine TH für Chemie in Leuna-Merseburg, eine Hochschule für Verkehrswesen in Dresden, drei Hochschulen für Bauwesen in Weimar (mit Architektur), Cottbus und Leipzig; eine Hochschule für LPG in Meißen, drei agrarwissenschaftliche Institute mit Hochschulcharakter, eine Hochschule für Ökonomie (einschließlich Außenhandel) in Berlin-Karlshorst, eine Hochschule für Binnenhandel in Leipzig, die Akademie für Staats- und Rechtswissenschaften in Babelsberg, die traditionsreiche Bergakademie in Freiberg, drei medizinische Akademien, acht pädagogische Hochschulen und Institute mit Hochschulcharakter, eine Reihe nichtwissenschaftlicher Hochschulen (für Künste u. ä.) sowie — gleichfalls mit Promotionsrecht — die Parteihochschule der SED und das Institut für Gesellschaftswissenschaften beim ZK, beide in Ost-Berlin.
Lt. StJB 1962, S. 120 ff.
Helmut Büsing, »Im Juli 1955 begannen neue Lehrgänge an den Verwaltungsschulen«, in: Demokratischer Aufbau, 10. Jg., Nr. 12 (August 1955), S. 328 f.
Heinz Krusche, »Die Kaderauswahl für die Verwaltungsschulen verbessern«, in: Demokratischer Aufbau, 11. Jg., Nr. 5 (März 1956), S. 109; Gerhard Wagenhaus, »Schluß mit der Unverantwortlichkeit in der Kaderarbeit«, in: a. a. O., Nr. 6 (März 1956), S. 135. Vgl. auch die Übersicht »Die Verwaltungsschulen der DDR« in: Merkbuch . . . 1957 (Anm. VIII/75), S. 115 f.
Maron (Anm. VII/53), S. 412.
Büsing (Anm. X/58).
Funk (Anm. X/36), S. 535. Vgl. auch die Bestätigung bei Karl Maron, »Um die volle Entfaltung der Demokratie«, in: Demokratischer Aufbau, 11. Jg., Nr. 9 (Mai 1956), S. 196. Bemerkenswert ist, daß nach Funk (ebda.) nur 19 % der Verwaltungsfunktionäre auf Bezirksebene am Fernstudium teilnehmen; in den Kreisen und Gemeinden sind es sicher noch weit weniger.
So vor allem von Grotewohl für die unteren Ebenen (Kreise und Gemeinden) hervorgehoben; Protokoll ... 3. Parteikonferenz. . . (Anm. VI/53), S. 703.
Vgl. u. Schlußbetrachtung.
»Verordnung über die Berufsberatung und die Berufslenkung der Absolventen der Universitäten, Hoch- und Fachschulen« vom 3. Februar 1955 in: GBl., I, 1955, S. 113 ff.
Lt. Statistische Praxis, 17. Jg., Heft 9 (September 1962), Beilage.
Dabei darf man auch nicht außer acht lassen, daß rd. 90 % aller Hochschulstudenten des Direktstudiums und fast sämtliche vollstudierenden Fachschüler staatliche Stipendien erhalten, während die Absolventen des Fernund Abendstudiums im Regelfall ohnehin Gehalt oder Lohn empfangen.
Lange/Richert/Stammer (Anm. X/54), Teil III und IV.
Nach Steiniger, Vom Wesen. . . (Anm. VIII/14), S. 52, kamen 1954: 60% aller leitenden Angestellten der Ministerialebene aus der Arbeiterklasse. Das Jahrbuch . . . 1955 (Anm. IV/15) gibt für Dezember 1955 an (S. 108), daß von allen (also auch subalternen) Mitarbeitern des Staatsapparats 63,8 % aus der Arbeiterschaft, 8,2 % aus der Klasse der werktätigen Bauern, 16,5 % aus Angestelltenkreisen und die übrigen 11,5 % aus dem »übrigen Mittelstand» stammen. Das entspricht annähernd dem Bevölkerungsdurchschnitt, lediglich die Bauern sind zu schwach, die »sonstigen« Mittelstandskreise zu stark vertreten.
Funk (Anm. X/36), S. 534.
Carola Stern, »Kaderpolitik in der ‚DDR‘«, in: SBZ-Archiv, 5. Jg., Nr. 15 (5. August 1954), S. 231.
A. a. O., S. 230.
StJB 1962, S. 125 bzw. S. 115.
Vgl. dazu u. die Schlußbetrachtung.
Martin (Anm. X/48), S. 154.
Ebda.
Ebda.
Zur »Fluktuation« vgl. den folgenden Abschnitt.
Nach Informationen eines geflüchteten ZK-Mitarbeiters.
Das wurde besonders von Fred Oelßner hervorgehoben; Aus dem Wortprotokoll . . . 25. Tagung des Zentralkomitees. . . (Anm. VII/17), S. 65–70.
In diesem Zusammenhang wäre auch noch auf die Aktion »Industriearbeiter aufs Land« hinzuweisen, die auf Initiative des ZK in mehreren, nicht sehr erfolgreichen Anläufen parteiergebene Arbeitnehmer der Industrie zur sozialen Umstrukturierung des flachen Landes in die MTS, LPG und Dörfer verpflanzen sollte.
Vgl. u. Schlußbetrachtung.
Funk (Anm. X/36), S. 535.
Ebda. — Zum Thema Fluktuation vgl. kritisch Lange/Richert/Stammer (Anm. X/54), S. 236 ff.
Nach persönlichen Informationen des Verf.
Friedrich (Anm. IV/97), S. 254 ff.
Die Ereignisse von Mitte 1961 mit dem Avancement von Mewis und Neumann passen zwar ebenso wie die Unterstellung des LWR unter Ewald ausgesprochen in diesen Zusammenhang. Doch ist der erstgenannte Vorgang völlig atypisch gewesen. Daß aber die Landwirtschaftspolitik bisher immer, und besonders seit 1960 primär ideologisch und eben nicht pragmatisch betrieben worden ist, darüber ist o. im II. Kapitel, Exkurs, und im V. Kapitel ausführlich gehandelt worden.
Näheres hierzu u. in der Schlußbetrachtung.
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Richert, E. (1963). Die Kader im Staatsapparat. In: Macht ohne Mandat. Schriften des Instituts für Politische Wissenschaft. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-19649-5_10
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