Zusammenfassung
Die »Organe der örtlichen Verwaltung«, wie sie seit der Verwaltungsreform von 1952 genannt werden, haben mit der Formierung des Staatswillens nichts zu schaffen. Gerade darum wurden sie an Stelle der ehemaligen Landesregierungen eingesetzt. Bis 1952 bestand eine, wennschon seit Gründung der DDR bescheidene, föderative Struktur, die sich im wesentlichen auf die Landes- bzw. Provinzialgliederungen aus der Zeit vor 1945 stützte. Auf diese föderativen Elemente und ihre Grenzen nimmt die Verfassung der DDR Bezug. Sie legt nämlich auf der einen Seite Hoheitsfunktionen der Republik fest (Außenpolitik, Außenhandel, Zollwesen, Staatsbürgerstatus, Jurisdiktion, Verkehr und Nachrichtenwesen, Film- und Pressewesen[!], Währung, Sozialversicherung u. a. m.) 342; auf der anderen Seite erkennt sie aber in dem übrigbleibenden Spielraum den Ländern das Recht auf Legislative zu, vorausgesetzt, daß das Landesrecht nicht mit Gesetzen der Republik kollidiert 343. Die finanzielle Bewegungsfähigkeit der Länder war ausdrücklich durch die Verfassung garantiert 344, auch wenn die Befugnis zur Festsetzung von Steuern, obwohl in dem genannten Kompetenz-Katalog der Republik nicht erwähnt, als ausdrückliche Domäne der VK 345 zweifellos der Gesamtrepublik zustand. Doch konnten die Länder Bau- und Kultivierungsprojekte, Ausbau von Industrien u. ä. entwickeln und fördern; sogar eine föderative Schul- und Kulturpolitik blieb ihnen zugestanden 346. Das hat allerdings schon bald keine Rolle mehr gespielt, Bereits nach Errichtung der DWK und insbesondere seit Mitte 1948 durch die die gesamte Zone umfassenden VW-Pläne war die Möglichkeit, Sonderinteressen der Länder zur Geltung zu bringen, praktisch erloschen.
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Literatur
Verfassung der DDR, Art. 112.
A. a O., Art. 114.
A. a O., Art. 113.
A. a O., Art. 120.
Nach dem Verfassungsentwurf der SED von 1946 sollte die Schul- und Kulturpolitik Sadie der Republik sein. Der endgültige Wortlaut der Verfassung enthält diesen Passus bemerkenswerterweise nicht.
Beispielsweise § 218 StGB. Vgl. U. Dressler, Verbrechen gegen die Person (Material zum Strafrecht, besonderer Teil, Heft 2), Berlin 1955, S. 73 ff. sowie S. 191-199.
So z. B. bei der Verstaatlichung der Lichtspielhäuser, die in Ostberlin und im Land Brandenburg, soweit sie nicht unter Sequester gefallen waren, auf Grund entsprechender Abgeordneten-Beschlüsse privat blieben.
Im sächsischen Parlament befand sich die SED zwar auch in der Minderheit, konnte aber mit Hilfe von Genossen, die über die Tarnlisten von Massenorganisationen gewählt worden waren und sich der Parteidisziplin fügten, mit einer knappen Mehrheit operieren.
Grundsätzlich wurden frühere Landesbeamte, soweit sie nicht — was für die überwiegende Mehrzahl galt — politisch ubelastetr waren, in die Länderverwaltungen übernommen. — Vgl. Grotewohl zur Begründung des Reformgesetzes vor der Volkskammer; mitgeteilt bei Friedrich Teupitz, Die besondere Aufgabenstellung der Sowjetzonen-Verwaltung im Zeichen des Neuen Kurses, hrsgg. vom Untersuchungsausschuß Freiheitlicher Juristen, 1954, hektrogr., S. 1.
Auf Grund des uGesetzes über die weitere Demokratisierung des Aufbaus und der Arbeitsweise der staatlichen Organe in den Ländern der Deutschen Demokratischen Republik. Vom 23. Juli 1952, in: GBI, 1952, Nr. 99, S. 613 f. — Vgl. hierzu die vorausgegangene Entschließung der 2. SED-Parteikonferenz (Anm. 38). — Für das Folgende wird weitgehend auf die recht materialreiche Darstellung von Kröger-Hochbaum-Leidhtfuß, Zur Rechtsstellung der Räte der örtlichen Organe der Staatsgewalt (Schriftenreihe Staats- und Verwaltungsrecht, hrssg. vom Deutschen Institut für Rechtswissenschaft, Heft 1), Berlin 1954, zurückgegriffen.
Vgl. Teupitz (Anm. 350), S. 2. Die Mitglieder der Länderkammer werden seither nach einem bestimmten Schlüssel von den Bezirkstagen aus ihrer Mitte nominiert.
Ausführliche Darlegung des doppelten Unterstellungsverhältnisses bei Kröger-Hochbaum-Leichtfuß (Anm.351), S. 23–36.
Dies Staatssekretariat ist seit der Wende 1956/57 wieder ausgegliedert und als eine selbständige Hauptabteilung Ortliche Organe in den Apparat des Präsidiums des Ministerrats eingebaut worden. Ober die sehr verwickelte Vorgeschichte dieser Institution vgl. den Bericht des Ministers des Innern, Maron, auf dem 25. ZK-Plenum in: Au dem Protokoll der 25. Tagung des Zentralkomitees der SED vom 24.-27. Oktober 1955 [Bonn 1956], S. 110.
»Bekanntmachung des Beschlusses des Ministerrates...« (Anm. 261) sowie »Bekanntmachung des Beschlusses des Ministerrates über die Anleitung und Kontrolle der Räte der Bezirke und Kreise durch den Ministerrat. Vorn 3. Februar 1955e in: GBI, 1955, II, Nr. 11, S. 65 f
Ebda
Vgl. o. Anm. 355.
»Ordnung über den Aufbau und die Aufgaben der Stadtverordnetenversammlung und ihrer Organe in den Stadtkreisen. Vom B. Januar 1953» in: GBI, 1953, Nr, 4, S. 53 ff., sowie »Ordnung über den Aufbau und die Aufgaben der Stadtbezirksversammlung und ihrer Organe in den Stadtbezirken. Vom B. Januar 1953« in: GBI, a. a O., S. 60 ff.
»Gesetz über die örtlichen Organe der Staatsmacht. Vom 18. Januar 1957» in: GBI, 1957, I, Nr. 8, S. 65 ff. Das Gesetz dehnt die zitierten, 1952 erlassenen Ordnungen über den Aufbau der Bezirke, Kreise und Stadtbezirke auch auf die Gemeinden aus, ohne die früheren »Ordnungen« im übrigen nennenswert abzuwandeln.
Sie sind damit klassische Beispiele für die von Death (Anm. 111), S. 8, wie auch von R. Lange in Walther Rosenthal, Richard Lange, Aiwed Blomeyer, Die Justiz in der sowjetischen Zone (Bonner Berichte aus Mittel- und Ostdeutschland), 2 Aufl., Bonn 1955, S. 72, beschriebene Tendenz, an die Stelle echter Gesetzgebung den — wie es Lange nennt — Verwaltungsbefehl zu setzen. Das zugrunde liegende erwähnte »Gesetz über die weitere Demokratisierung...« (Anm. 351) hatte die genannten »Ordnungen« zwar vorbereitet, dabei aber mit der Formulierung (§ 4), die bisher von den Ländern wahrgenommenen Aufgaben seien auf die Bezirke »überzuleiten«, den Anschein gewahrt, als handle es sich tatsächlich — freilich entgegen der Präambel des Gesetzes — um keinen tiefgreifenden politischen Akt (für den ja wiederum die einfache Gesetzgebung nicht hingereicht hätte, sondern Verfassungsänderung nötig gewesen wäre).
Zugrunde liegt das »Gesetz über die Regierung... 1950« (Anm. 160). Der damit vollzogene Einbruch der Verwaltungsmanipulationen in das Grundgerüst des Staatsaufbaus konnte sich nun über das »Gesetz über die weitere Demokratisierung...« in der Erstellung von »Ordnungen» der genannten Art bis zur völligen Verkehrung der Grundkonstruktion der Verfassung fortsetzen.
»Ordnung für den Aufbau... der Bezirke...« (Anm. 257), §§ 6–9.
A. a O., § 9.
Haupt, Über einige Veränderungen.. (Anm. 9), S. 39 f.
Vgl. o. H. Kapitel, Abschnitt.Präsidium des Ministerrats und Ministerrat«.
Diese Dinge sind nirgends publiziert. Offenbar handelt es sich um interne Absprachen der Blockparteien.
»Gesetz über den Ministerrat... 1954« (Anm. 164), § 4, Abs. 2.
Vgl. Protokoll... der 3. Parteikonferenz.. (Anm. 175), S. 674 ff. (Grotewohl).
Maron in seinem Diskussionsbeitrag: Aus dem Protokoll der 25. Tagung des Zentralkomitees (Anm. 354), S. 111 f.
Ausführlicher darüber u. im VII. Kapitel.
Nach der “Ordnung für den Aufbau... der Bezirke...« (Anm. 257), IV, § 3, soll die bezirkliche Plan kommission dem Rat, die Abteilung Kader dem Vorsitzenden des Rats unterstellt sein. Die letztere hat damit gegenüber den übrigen Ratsabteilungen eine Sonderstellung. Nach allen vorliegenden Berichten hat die bezirkliche Plankommissionsstelle jedoch eine erhebliche Selbständigkeit; nach einer neuerlichen Empfehlung sollen die örtlichen Leiter für Planung und für Kader tunlichst in den Rat selbst kooptiert werden.
Alle Vorsitzenden von Räten, ausgenommen die einiger thüringischer Stadtkreise wie Weimar und Eisenach, gehören der SED an.
Dagegen hat es seit 1952 fast keine Fluktuation unter den Vorsitzenden der Räte der Bezirke gegeben — ausgenommen einige Fälle, in denen Vorsitzende entweder in die Regierung aufrückten oder starben. Die demgegenüber sehr unzulängliche Qualifikation der.Kader« in den Räten der Kreise wurde häufig festgestellt, z. B. von Grotewohl, Protokoll... der 3. Parteikonferenz.. (Anm. 175), S. 703, von Oel4ner, Aus dem Protokoll der 25. Tagung des Zentralkomitees.. (Anm. 354), S. 11 ff., von Maron,.Der erste demokratische Staat in Deutschlande, in: Demokratischer Aufbau, Nr. 16, 1954, S. 412.
DDR-Verfassung, Art. 112.
Diese Begriffe werden unten im Kapitel VIII erläutert.
Seit Herbst 1953 bedarf nur noch der Vorsitzende des Bezirksrats des Plazets des PB der SED, während sämtliche übrigen höheren Ratsfunktionäre lediglich der Genehmigung bzw. Oberwachung durch die örtlichen Parteileitungen unterliegen. Vorsitzende der Räte der Kreise benötigen allerdings entsprechend die Zustimmung des Büros der zuständigen SED-Bezirksleitung.
Die Ratsmitglieder werden von der entsprechenden Volksvertretung “gewählt«, die Abteilungsleiter durch den Rat vorgeschlagen und von der Volksvertretung bestätigt;.Ordnung für den Aufbau... der Bezirke...« (Anm. 257), III, § 1; IV, § 12.
Nach persönlichen Informationen des Verf.; die “Ordnung für den Aufbau...«, a. a. O., enthält darüber nichts; auch sonst sind keine präzisen Angaben bekannt.
Lucie Haupt, Die ständigen Kommissionen der örtlichen Organe der Staatsgewalt (Schriftenreihe Staats- und Verwaltungsrecht, Heft 5), Berlin 1956, S. 96 ff.
Zu entnehmen aus: Direktive für die Aufstellung des Staatshaushaltsplans. 1953, hrsgg. vom Ministerium der Finanzen der DDR (nur für den inneren Dienstgebrauch).
Vgl. o. III. Kapitel, Abschnitt »Die Aufstellung der Pläne«.
Haupt, Die ständigen Kommissionen.. (Anm. 379), S. 112 ff.
Vgl. die o. Anm. 182 zitierten Aufsätze.
Die verwaltungsrechtliche Grundlage dieser Maßnahme ist nicht ersichtlich. Es wird immer betont, daß die örtliche Planung die besonderen Schwerpunkte und die Eigenart des betreffenden Distrikts berücksichtigen soll.
Vgl. o. III. Kapitel, Abschnitt »Die Aufstellung der Pläne«.
Umfassende Analysen zu diesem Thema fehlen leider völlig. Instruktive Hinweise gibt indes das Verhalten der Bevölkerung der verschiedenen Distrikte im Zusammenhang mit dem Aufstand vom 16.-17. Juni 1953, ferner der unterschiedliche Ausgang der verschiedenen Wahlen und Volksentscheide in Bezirken und Kreisen. Weitere Hinweise enthält die Statistik der Bevölkerungsbewegung im erstmals für 1955 in der DDR erschienenen Statistischen Jahrbuch.. (Anm. 258). Auf jeden Fall ist sich die politische Führung der Besonderheit der Gegebenheiten in den verschiedenen Teilen der Zone in den letzten Jahren bewußt geworden. Darauf deutet die Differenzierung des Parteiaufbaus in den verschiedenen Kreisen hin, ebenso die neuerliche Lockerung hinsichtlich Zahl und Einteilung der den Kreisräten unterstellten Abteilungen.
Dabei wird aber immer wieder betont, daß eine Rückkehr zur Selbstverwaltung alten Stils nicht in Frage kommt. Das in den Jahren 1956/57 entwickelte Gesetzeswerk über die örtlichen Organe sei vielmehr gerade deswegen vordringlich gewesen, weil die mit ihm aufgehobene Gemeindeverfassung von 1946 den abzulehnenden Grundsatz der Selbstverwaltung verfolgte. Vgl. Aus dem Protokoll der 25. Tagung des Zentralkomitees (Anm. 354), insbes. S. 77 f (Pisnik); S. 86 f. (Frost); S. 131 f. (Buchheim); S. 143 f. (Stief); S. 145 f. (Hans Warnke u. a.).
Vgl. das folgende Kapitel.
Volkskammer-Drucksache, 2. Periode, 11. Sitzung (8. Februar 1956), S. 333 (Bericht des Ministers Rumpf).
A a. O., S. 334.
Diese Entwicklung kann einstweilen nur hypothetisch angedeutet werden. Unterrichtete Ministerialfunktionäre, mit denen der Verf. Gespräche führte, sehen die Dinge im allgemeinen ähnlich, doch gibt es offenbar objektive Schwierigkeiten. So war in der «Perspektive« schon eine sehr großzügige Planung der «Zentraldörfer: entwickelt (mit den LPG als Mittelpunkt, mit Zentralschulen, ländlichen Polikliniken, Kulturhäusern u. a. m.); die ganze Angelegenheit wurde dann aber um die Jahreswende 1954/55 zurückgestellt, wobei offenbleiben muß, ob finanzielle Gründe den Ausschlag gaben oder die Verlangsamung des Tempos, in dem die Agrarkollektivierung seither betrieben wird.
«Beschluß über die Erweiterung der Befugnisse...« (Anm. 242), S. 933, sowie Ausführungen des Finanzministers Rumpf (Anm. 389), S. 330.
Ebda (Ausführungen Rumpf).
A. a O., S. 334.
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Richert, E. (1958). Die Nachgeordnete Exekutive. In: Macht ohne Mandat. Schriften des Instituts für Politische Wissenschaft. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-19648-8_5
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