Zusammenfassung
Das Folgende sei als Miszelle verstanden, die Fragen anreißt, nicht als Untersuchung einer präzisen Frage. Ausgangspunkte waren die beiläufige Bemerkung eines Psychiaters an einem baden-württembergischen Landeskrankenhaus. Sinngemäß sagte er, die Patienten seien nicht mehr das, was sie einmal waren, sie hätten keine Einfälle, keine Phantasie, keine Originalität mehr. Das wurde vor etwa 2o Jahren so dahingesagt; noch älter ist die andere Anmerkung, auch sie stammt von einem Arzt: Justinus Andreas Christian KERNER. Zu Unrecht ist er als Dichter bekannter denn als Arzt: Die seine Studien zum Thieri-schen Magnetismus belächeln, übersehen die psychiatrie-historische Bedeutung des Mesmerismus, und sie übersehen den Autor der ersten großen monographischen Fallbeschreibung der Psychiatrie (Die Seherin von Prevorst, 1829). In KERNERs Bilderbuch aus meiner Knabenzeit steht diese Episode: “Während wir den weinbegrenzten Berg hinanstiegen, begegneten uns viele schöngeputzte Damen und Herren; man sagte uns, es sei der Wochentag, an welchem auf diesem Berge große Konversation und Tanzbelustigung in dem weiten Saale des obenstehenden Gebäudes stattfinde. Als wir in den Saal traten, fanden wir ihn auch von Tanzenden erfüllt. Auf einmal stand alles still; eine hohe Mannesgestalt, den Leib nachlässig und malerisch nur mit einem Tuch umschlungen, und auch das Haupt zur Hälfte in ein Tuch gehüllt, war eingetreten.
Vorher “existierte der Aufsässige nur im Zustand der Utopie, des Traums, der Fiktion, vielmehr er existierte gar nicht, was viel besser ist; es war ihm gelungen, sich ein kleines sehr komfortables Nichts zu schaffen, wo er wie eine Maus im Käse lebte. Dieses Glück gibt es nicht mehr; man hat ihn gestellt und identifiziert, so eindeutig, wie man eine arithmetische Regel beweist, er ist gezwungen, er selbst zu sein”. Th. GAUTIER: Auf der Suche nach dem Anderswo, Bd. I, Berlin 1983, S. 51.
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Bonin, W.F. (1984). Über Wunderlinge, Sonderlinge, Käuze — zu ihrer Funktion in der Gemeinschaft und zur Konnotation der Begriffe. In: Schröder, E., Frießem, D.H. (eds) George Devereux zum 75. Geburtstag. Eine Festschrift. Vieweg+Teubner Verlag, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-19640-2_4
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