Zusammenfassung
DEVEREUX (1974:126ff.)schreibt, es sei “ungerecht und unvernünftig..., vom Psychiater zu verlangen, er solle ein Experte auf dem Gebiet der Ethnographie... werden”. Man könne von ihm nicht erwarten, daß er die “Kultur” eines jeden Patienten im Detail studiere, den er diagnostizieren und behandeln muß. DEVEREUX sucht daher nach “Mitteln”, die es erlauben, auch solche Patienten zu diagnostizieren und zu behandeln, die einer ihm weitgehend unbekannten Kultur angehören. Diese Mittel glaubt er weder der Psychiatrie noch der Ethnographie entnehmen zu können, wohl aber einer Ethnologie, die nicht mehr auf diese oder jene Kultur bezogen bleibe, sondern auf ein generalisierbares “Konzept der Kultur, betrachtet als erlebte Erfahrung, d.h. als Art und Weise, wie ein Individuum im Zustand seelischer Gesundheit ebenso wie im Zustand psychischer Störung seine Kultur lebt und begreift.” Mit anderen Worten: es geht nicht nur um einen “Kulturbegriff”, wie DEVEREUX formuliert, sondern um die besondere Art und Weise der Kulturbezogenheit des Menschen wie seiner Krankheiten (1). Diese ist nicht in jeder Kultur von Grund auf eine je andere. Es handelt sich vielmehr nur um Metamorphosen ein und der selben Grund-struktur; einer Grundstruktur, die ein einheitliches Modell für die verschiedenartigsten Abwandlungsformen hergibt. DEVEREUX (1976:266) fordert, “die Fähigkeit, jedes kulturelle System einfach als Exemplar eines generischen und charakteristisch menschlichen Phänomens — der Kultur per se — anzusehen”.
Access this chapter
Tax calculation will be finalised at checkout
Purchases are for personal use only
Preview
Unable to display preview. Download preview PDF.
Literatur
BAEYER W. V. 1979. Wähnen und Wahn. Stuttgart: Enke.
BASTIDE R. 1973. Soziologie der Geisteskrankheiten. Köln: Kiepenheuer & Witsch.
BATESONG. 1981. Ökologie des Geistes. Frankfurt/M.: Suhrkamp.
BECKER-PFLEIDERER B. 1977. Kranksein in fremden Kulturen. MMG 2:129–139.
BERGER P., LUCKMANN Th. 1967. The Social Construction of Reality. New York: Anchor Books.
BERGMANN J.R. 1980. Der Beitrag Harald Garfinkeis zur Begründung des ethnometho-dologischen Forschungsansatzes. Diss. Konstanz 1974.
BLANKENBURG W. 1965. Differentialphänomenologie der Wahnwahrnehmung. Nervenarzt36, 285–298
BLANKENBURG W. 1972. Anthropologische Probleme des Wahns, in Wahn. Hrsg.v. W. Schulte und R. Tolle. Stuttgart: Thieme.
BLANKENBURG W. 1974. Ein Beitrag zum Normproblem, in Die Wirklichkeit des Unverständlichen. Hrsg.v. J.M. Broekman und G. Hofer. Den Haag: Nijhoff.
BLANKENBURG W. 1983. Phänomenologie der Lebensweltbezogenheit und Psychopathologie, in Sozialität und Int er Subjektivität. Hrsg. v. R. Grathoff und B. Walden-Fels. München: Fink.
BLANKENBURG W., HILDENBRAND, B., BEYER B., KLEIN D., MÜLLER H. 1983. Familie und alltagsweltliche Orientierung Schizophrener. Abschlußbericht eines DFG-Projekts. Marburg.
DEVEREUX G. 1974. Normal und anormal. Aufsätze zur allgemeinen Ethnopsychiatrie. Frankfurt/M.: Suhrkamp.
DEVEREUX G. 1976. Angst und Methode in den Verhaltenswissenschaften. Frankfurt-Berlin-Wien: Ullstein.
DEVEREUX G. 1978. Ethnopsychoanalyse. Frankfurt/M.: Suhrkamp.
DUERR H.P. 1982. Die Angst vor dem Leben und die Sehnsucht nach dem Tode. Habilitationsvortrag an der Gesamthochschule Kassel (1981). In ders. Satyricon. Berlin: Kramer.
FRIESSEM D.H. 1977. Das Krankheitsverhalten und seine ethnischen Variationen, in Schröder E. (Hg.) s.d. Wiesbaden.
FRIESSEM D.H. 1979. Transkulturelle, vergleichende und Ethno-Psychiatrie, in Kritische Stichwörter der Psychiatrie. München: Fink.
GEERTZ C. 1983. Dichte Beschreibung. Beiträge zum Verstehen kultureller Systeme. Frankfurt/M.: Suhrkamp.
GURWITSCH A. 1977. Die mitmenschliche Begegnung in der Milieuwelt. Hrsg. U. Eingeleitet v. A. Mëtraux: Phänomenolog.-psycholog. Forsch. Bd. 16, Berlin-New York: de Gruyter.
HAENEL T. 1983. Aberglaube, Glaube, Wahn. Schw.Arch.f.Neurol., Neurochir.u. Psychiat. 133, 295–310.
HOFER G. 1979. Ethno-Psychiatrie, in Psychiatrie der Gegenwart. Hrsg. v.K.B. Kisker et al. Band i/l, Berlin-Heidelberg-New York: Springer.
JÜRGENSON F. 1980. Sprechfunk mit Verstorbenen. München:Goldmann TB 11727
KNOLL M. 1984. Extrem Normal — Paradoxie und Hoffnung einer psychiatrischen Freiheitsethologie. In diesem Band, S. 53–62
LIPPITZ W. 1978. Der phänomenologische Begriff der “Lebenswelt” — seine Relevanz für die Sozialwissenschaften. Z.f.philos. Forschung 32, 416–435.
MERLEAU-PONTY M. 1964. Le visible et l’invisible. Paris: Gallimard.
MÜLLER-SUUR H. 1950. Das psychisch Abnorme. Berlin-Göttingen-Heidelberg: Springer.
MÜLLER-SUUR H. 1966. Über die kulturelle Bedingtheit des Begriffs der Normalität. Sozialpsychiatrie 1: 138–141.
NATANSON M. 1963. Philosophische Grundlagen der Psychiatrie, in Psychiatrie der Gegenwart 1/2, 1. Aufl., Berlin-Göttingen-Heidelberg: Springer.
OFFER D., SABSHIN M. 1974. The Concept of Normality, in American Handbook of Psy-chiatrie, 202–213. Ed. S. Arieti. New York: Basic Books2.
PARIN P. 1978. Ethnologie und Psychiatrie, in Der Widerspruch im Subjekt, ders. Frankfurt/M.: Syndikat.
PFEIFFER W.M. 1971. Transkulturelle Psychiatrie. Stuttgart: Thieme.
PSATHAS G. 1976. Ethnotheorie, Ethnomethodologie und Phänomenologic, in Weingarten et al. (Hg.) s.d. Frankfurt/M.: Suhrkamp.
SARTORIUS N. 1979. Crosscultural Psychiatry, in Kisker K-P. et al.: Psychiatrie der Gegenwart Bd. I/1, 711–737. Berlin-Heidelberg-New York: Springer.
SCHARFETTER C. 1970. Symbiontische Psychosen. Bern: Huber.
SCHRÖDER E. (Hg.). 1977. Faktoren des Gesundwerdens in Gruppen und Ethnien. Wiesbaden: Steiner
SCHÜTZ A. 1961–66. Collected Papers. Vol. I–III. The Hague: Nijhoff.
SCHÜTZ A. 1981. Theorie der Lebensformen. Frankfurt/M.: Suhrkamp.
SCHÜTZ A., Luckmann Th. 1979. Strukturen der Lebenswelt. Frankfurt/M.: Suhrkamp.
TELLENBACH H. (Hg.). 1976. Das Vaterbild in Mythos und Geschichte. Stuttgart-Berlin-Köln-Mainz: Kohlhammer.
TELLENBACH H. 1980. Normalität, in Psychologie des 20. Jahrhunderts; Bd. X. Hrsg. v.U.H. Peters. Zürich: Kindler.
TÖPFER S. 1977. Normalitätszuschreibung: theoretisch-methodologische Überlegungen. Unveröffentlichter Forschungsbericht. Konstanz.
WEINGARTEN E., SACK F., SCHENKEIN J. 1976. Ethnomethodologie. Beiträge zu einer Soziologie des Alltagshandelns. Frankfurt/M.: Suhrkamp.
WIEDER D.L., ZIMMERMANN D.H. 1976. Regeln im Erklärungsprozess. Wissenschaftliche und ethnowissenschaftliche Soziologie. Frankfurt/M.: Suhrkamp.
WULFF E. (Hg.). 1978. Ethnopsychiatrie. Seelische Krankheit — ein Spiegel der Kultur? Wiesbaden: Akademische Verlagsgesellschaft.
Editor information
Rights and permissions
Copyright information
© 1984 Springer Fachmedien Wiesbaden
About this chapter
Cite this chapter
Blankenburg, W. (1984). Ethnopsychiatrie im Inland. Norm-Probleme im Hinblick auf die Kultur- und Subkultur-Bezogenheit psychiatrischer Patienten. In: Schröder, E., Frießem, D.H. (eds) George Devereux zum 75. Geburtstag. Eine Festschrift. Vieweg+Teubner Verlag, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-19640-2_3
Download citation
DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-663-19640-2_3
Publisher Name: Vieweg+Teubner Verlag, Wiesbaden
Print ISBN: 978-3-528-07920-8
Online ISBN: 978-3-663-19640-2
eBook Packages: Springer Book Archive