Zusammenfassung
Fragt man einen Nichtjuristen, womit es der Berufsjurist — Richter, Staatsanwalt, Verwaltungsjurist, Rechtsanwalt, Wirtschaftsjurist — eigentlich zu tun habe und was ihn charakterisiere, so zeichnet er meist ein ganz unvollkommenes und schiefes Bild. Er meint, seine Aufgabe bestehe nur darin, für einen Fall den richtigen Paragraphen aufzusuchen und dann die Lösung aus dem Gesetz abzulesen. Dabei wird eine besondere Fähigkeit zu einem abstrakt-logischen Denken, die Anwendung einer Art von Begriffsmathematik und ein kühl abwägender nüchterner Verstand unterstellt, der sich selbst genügt und für den die logische Korrektheit der Entscheidung oberstes Ziel ist. Man sieht im Juristen gewissermaßen eine Maschine, die, selbst seelenlos, tote Paragraphen verarbeitet, und betrachtet ihn als einen Menschen, der nicht danach fragt, ob seine Entscheidungen den Lebensbedürfnissen gerecht werden und dem die inneren Spannungen und Nöte derer gleichgültig sind, deren „Fall“ er bearbeiten muß. „Was meinen Sie zu der Sache?“ — „Nach gesundem Menschenverstand würde ich so urteilen, aber juristisch wird es wohl anders sein“, lautet vielfach die Antwort. Die „natürliche“ und die „juristische“ Entscheidung werden von vornherein als Gegensätze aufgefaßt, wobei die juristische Lösung dann menschlich eine Fehlentscheidung ist. Derartige Vorstellungen verzerren und verkennen das, was zum Juristen gehört und was er erstreben muß.
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Schumann, H. (1959). Einleitung. In: Einführung in die Rechtswissenschaft. Die Wirtschaftswissenschaften, vol No. 1 = Lfg. 9. Gabler Verlag, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-19010-3_1
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