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Die Wiedervereinigung Deutschlands: Die Interessen der Mächte

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Deutschland und die NATO
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Zusammenfassung

Anfang der fünfziger Jahre, als die Sowjets offiziell eine Neutralisierung Deutschlands vorschlugen, schien die Wiedervereinigung eine unmittelbare politische Möglichkeit zu sein, und man diskutierte ernsthaft in Deutschland und anderen westlichen Staaten darüber, ob man der Wiederaufrüstung der Bundesrepublik oder der Wiedervereinigung Deutschlands den Vorrang geben sollte. Seit 1955 wurde die Diplomatie in der Deutschland-Frage von dem Bemühen der Sowjets beherrscht, die Zustimmung des Westens für den Gedanken der »Zwei Deutschlands« zu gewinnen. Die westlichen Wiedervereinigungsvorschläge wirkten wenig überzeugend. Das spricht nicht für eine Doppelzüngigkeit des Westens oder für einen Wunsch, den Frieden auf Kosten der Deutschen zu erkaufen, sondern eher für einen tief verankerten Pragmatismus, der es den westlichen Regierungen erschwert, eine Politik zu verfolgen, die wenig Aussichten auf Erfolg zu haben scheint. Die westliche Wiedervereinigungspolitik wurde durch die unabänderliche Anwesenheit der Sowjets in ihrer Zone gelähmt. Keines der westlichen Länder hat aber bisher einen erfolgversprechenden Vorschlag für eine Wiedervereinigung zu annehmbaren Bedingungen gemacht1.

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Referenzen

  1. Es ist lehrreich, die westliche Politik in bezug auf die deutsche Wiedervereinigung und in bezug auf das ebenso schwer erreichbare Ziel der totalen Abrüstung zu vergleichen. Bei der Abrüstung werden die Regierungen zu Vorschlägen gedrängt durch eine öffentliche Meinung, die von dem Ziel fasziniert ist und die praktischen Hindernisse weitgehend ignoriert. Bei der Wiedervereinigung gilt dies nur für die deutsche öffentliche Meinung: die Öffentlichkeit der anderen Länder weiß um die Aussichtslosigkeit, die Wiedervereini¬gung durch irgendeinen der heute gemachten Vorschläge zu erreichen.

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  2. Der deutsche Sprachgebrauch enthält ein Element der Zweideutigkeit: Die Diskussion über die Wiedervereinigung dreht sich gewöhnlich um das Problem der Vereinigung der beiden bestehenden Staaten. So definiert auch Eschenburg die Wiedervereinigung (Die deutsche Frage, S. 25). Aber es wird auch allgemein erklärt, daß die Grenzen eines wiedervereinigten Deutschchland erst in einem Friedensvertrag festgelegt werden sollen, und die Grenzen von 1937 werden offiziell als rechtmäßig bezeichnet. Karten und Plakate des Kuratoriums Unteilbares Deutschland, einer aus öffentlichen Mitteln finanzierten und von allen politischen Parteien unterstützten Organisation, zeigen ein dreigeteiltes Deutschland, wobei der dritte Teil Ostpreußen und alle anderen früheren deutschen Gebiete östlich der Oder-Neiße-Linie umfaßt. Während die wissenschaftliche und ver-antwortungsbewußte Diskussion die Wiedervereinigung und die Grenzrevision als zwei getrennte Probleme behandelt, neigt die Massenpropaganda dazu, den Unterschied zu verwischen. In diesem Kapitel wird »Wiedervereinigung« in dem normalen Sinne der Vereinigung der beiden bestehenden deutschen Staaten gebraucht, wie im Ausland und in den intellektuellen Kreisen Deutschlands.

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  3. Diese These wird selten im einzelnen begründet. Eine systematische Erörterung findet sich bei Karl Loewenstein »Unity for Germany?«, Current History, Januar 1960, S. 37–45.

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  7. Für die Periode 1950–1957 s. Deutsch und Edinger Germany Rejoins the Powers, S. 178, für eine spätere Periode s. Divo Pressedienst, 1. 5. 1962, S. 2: 40 Prozent nennen die Wiedervereinigung, 17 Prozent die Verhütung eines Krieges, 16 Prozent die Berlin-Frage. Divo, eines der drei führenden deutschen Meinungsforschungsinstitute, veröffentlicht alle zwei Monate einen Überblick über die deutsche öffentliche Meinung. Über ähnliche Ergebnisse des Instituts für Demoskopie, Aliensbach, s. Erich Peter Neumann »Die Wiedervereinigung in der öffentlichen Meinung«, Unteilbares Deutschland, Bonn, Jan./ Febr. 1964, S. 16–18.

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  12. Jaspers steht kritisch zu dem Ideal der Wiedervereinigung im Sinne des Bismarck-Reiches, aber lehnt das Ziel der Wiedervereinigung nicht gänzlich ab.

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  14. Sie könnten hoffen, daß dies der Wirtschaft der Zone zugute käme. Außerdem könnte eine nur von der Staatsräson diktierte Politik zwar für beliebig lange Zeit die Diskrepanz zwischen den »revisionistischen« Tendenzen Sowjetrußlands und den »stalinistischen« Tendenzen in der Zone ertragen; in der Praxis könnte dies aber für die sowjetischen Machthaber ernste Schwierigkeiten aufwerfen.

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  15. Die konfuse und schwankende westdeutsche Reaktion auf Ulbrichts Angebot eines beschränkten Zeitungsaustausches zwischen den beiden Teilen Deutschlands im April 1964 zeigte, daß dieses Problem auf höchster Ebene noch kaum erörtert worden war.

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  16. Die Hallstein-Doktrin (die Drohung, die diplomatischen Beziehungen zu jedem Staat abzubrechen, der das Zonenregime anerkennt) hat bis vor kurzem dessen Anerkennung auf Länder des Ostblocks beschränkt.

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  17. Die Verbindung zwischen den beiden Fragen wird dargestellt in Wilhelm Cornides u. a. »Abrüstungsverhandlungen und Deutschland-Frage seit der Genfer Gipfelkonferenz von 1955«, Europa-Archiv, 20. 2., 5. 4., 20. 4., 5. 5. I960).

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  19. Es gab einen Konflikt zwischen den Parteien und einen Konflikt innerhalb der CDU: Die CDU fürchtete, daß das Verdienst an dem Abkommen dem SPD-Kanzlerkandidaten Brandt zugeschrieben werde, und die »harte« Gruppe in der Partei war gegen jede Verhandlung mit Ost-Berlin. S. Marion Gräfin Dönhoff »Gefahr für Berlin«, Die Zeit, 6. 3. 1964, und Gottfried Vetter »Passierscheine in Deutschland«, Europa-Archiv, Nr. 9, 1964, S. 305–318.

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  22. Stolper, Germany between East and West, S. 11–14. Das wirtschaftliche Wachstum in der Zone war besonders schnell in den Jahren 1950–1955 nach der Umkehrung der sowjetischen Politik, die zuerst das Schwergewicht auf deutsche Reparationsleistungen gelegt hatte. Stolzer schätzt für diese Zeit eine Zuwachsrate von 8,7 Prozent, und für die Zeit von 1955–1958 eine von 4,7 Prozent, s. W. Stolper und K. Roskamp The Structure of the East German Economy (Harvard University Press, 1960), S. 418, 438; ebenfalls F. L. Pryor The Communist Foreign Trade System (Cambridge, Mass.: M.I.T. Press 1963), S. 50–51.

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  23. Nicht in erster Linie die Stärke des Glaubens an die kommunistische Ideologie, sondern der Wert des Kommunismus als eine Form der sozialen Ordnung — die beiden Dinge sind verwandt, aber nicht identisch.

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  24. In der Praxis ist dies kein realistischer Fall: Es besteht keine Aussicht, daß Deutschland eine totale Entmilitarisierung annehmen wird.

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  25. Über den Sinn, in dem der Ausdruck »westlich« hier gebraucht wird, s. S. 12 f. In den Jahren 1963/64 wurde die Situation verändert durch Frankreichs Bemühungen, Deutschland zum Beitritt zu einem gaullistischen Europa zu bewegen, und durch entsprechende amerikanische Bemühungen, die atlantische Allianz für Deutschland attraktiver zu machen. Bei diesem Wettstreit um die Gunst Deutschlands wurde es immer unnatürlicher, einfach von den westlichen Interessen zu sprechen. Dennoch wird wahrscheinlich auf längere Sicht gesehen die hier angesprochene Situation sich klarer herausschälen; die westlichen Regierungen, zusammen oder in gegenseitiger Konkurrenz, werden vor der Wahl stehen, entweder das deutsche Selbstbestimmungsrecht weiterhin zu unterstützen, oder eine Verständigung mit der Sowjetunion auf Deutschlands Kosten zu suchen.

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© 1967 James L. Richardson

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Richardson, J.L. (1967). Die Wiedervereinigung Deutschlands: Die Interessen der Mächte. In: Deutschland und die NATO. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-16293-3_18

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  • DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-663-16293-3_18

  • Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden

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