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Zusammenfassung

Herr Gustav Hothan, ein Regierungslaudmesser, hatte die letzte Nacht in der Kolonie hinter sich und einen längeren Aufeuthalt im Urwalde an den Abhängen der Serra dos Bugres vor sich. Der wohlhabende Bauer Ferdinand Weber in Santa Christina hatte ihm die Vermessung eines grötzeren Waldkomplexes übertragen, der parzelliert und neu besiedelt werden sollte. So hatte er im Weberschen Hause in dem breiten pommerschen Bett auf der Maisstrohmatratze und unter den prallgestopfteu Federbctten eine recht geruhsame Nacht verbracht, denn der Wonnemond, in welchem nach Heine alle Knospen springen, in dem alle Blumen dnften, alle Lämmlein auf grünem Anger weiden, die Nachtigallen ihr schmelzendes Lied intonieren und der Finken klingender Schlag aus Busch uud Hecken schallt, bringt in den deutschen Siedelungen im Mittelgebirge von Rio Grande schon recht frische uud kalte Nächte. Beim ersten Sonncnstrahl pfiff der Sabiá, die Amsel Brasiliens, sein munteres Lied, uud der Tucano im dunklen Gewande, mit gelbroter Brust und dem riesigen gebogenen Schnabel knarrte und krächzte aus dem duukleu Laube der Orangen, die über und über mit goldenen Früchten bedeckt waren. Der Landmesser verstanb den Weckruf der gefiederten Gesellen und war bald bei der Morgentoilette. Er öffnete das Fenster, das auf den Garten hiuausgiug, uud lietz die kühle, würzige Morgeuluft hereiu. Noch lag der Morgeutau in bliukcudeu Tropfen auf den Gräseru uud Blüteu; au den gelbroten Gtocken des Abutilou, der Schöumalve, den brennendroten Gladiolen, den dustenden Roseu, dem violettrosa gefärbten Dreiblatt der Bougainvillea, hier Tres-Mariä genannt, schwebte und surrte der Kolibri im grüngoldenen Kleide uud schillerte im juugeu Morgenlichte wie ein glänzeuder Falter. Die Tauben satzen auf der First des Maisschuppens und putzten das weitzbunte Gefieder, von fern ertönte der dumpfgirrende Ruf ihrer wilden Schwester. Aus dem Laube der Orangen fielen kleine Stückchen der goldenen Schale — Periquitos, kleine grüne Papageien, hockten verschwiegen beim Morgenimbitz. Auf einem hoheu, dürreu Stamme besserte der Ioão de Barros, der Töpfervogel, an seinem kngelförmigen Lehmbau. Vom Hofraume her gackerten fleitzige Hühner, grunzte und quiekte das Borstenvieh, an der langeu Krippe standen Pferde und Maultiere beim Milho, und das glatte, breitgestirnte Hornvieh kaute mit stoischer Ruhe an den saftigert Stengeln des Zuckerrohrs. Der Morgen war erwacht, und alles begrützte das Gestirn des Tages, das sich über den dunklen Waldhöhen der Berge langsam erhob.

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© 1902 Springer Fachmedien Wiesbaden

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Kirchhoff, A. (1902). Im Urwald. In: Aus Deutsch-Brasilien. Vieweg+Teubner Verlag, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-16223-0_6

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