Zusammenfassung
Das Erntefest ist einer der Haupttage im Bauernleben. Einem armen Taglöhner und seinem Weibe, welche das ganze Jahr die Erdäpfel sparen müssen und kein Stückchen Fleisch sehen, ist ein Erntefest, an welchem Wein, zwei oder drei Arten Fleisch und Kuchen genug sind, wirklich ein Tag aus dem tausendjährigen Reiche, auf den sie sich das ganze Jahr durch freuen, und traurig seufzen, wenn er vorbei ist. Der Geizigste schämt sich, an diesem Tage zu sparen, und wenn es ihn schon reut, er verbirgt es. Es liegt auch eine Art von religiösem Gefühl, oder wenn man will, eine Art von Aberglauben zugrunde. Es ist eine christliche Opfermahlzeit. Der Geber alles Guten hat wiederum seine Hand aufgetan, den Fleiß des Landmanns gesegnet, den Schoß der Erde gesegnet; da kommt’s auch dem Härtesten ins Gemüt, daß er Gott Dank schuldig sei, etwas opfern solle. Er rüstet eine Mahlzeit, gibt ungezählt den an solchen Tagen fast herdenweise herumziehenden Armen die Kuchen weg an der Kirchentüre und läßt essen und trinken eine Nacht und einen Tag lang seine Söhne, und Knechte und Mägde und den Fremdling, der bei ihm wohnet, soviel ihr Herz gelüstet. Wo die rechte alte Freigebigkeit noch vorwaltet, da heißt man nicht nur die, welche in der Ernte gearbeitet haben, kommen, sondern alle, welche durch das Jahr für das Haus gearbeitet haben.
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Weyel, F. (1927). Jeremias Gotthelf. In: Weyel, F. (eds) Der bürgerliche Realismus. Literaturkundliche Lesehefte, vol 15. Vieweg+Teubner Verlag, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-16165-3_7
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DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-663-16165-3_7
Publisher Name: Vieweg+Teubner Verlag, Wiesbaden
Print ISBN: 978-3-663-15592-8
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