Zusammenfassung
Die Jünger Jesu dürfen ihren Eifer nicht in der Hingabe an die hohen und eigentümlichen Glaubenslehren des Neuen Testaments erschöpfen und für die praktischen Pflichten, die es auferlegt, nur kalte Zurückhaltung übrig haben. Kein Christ soll seine Religion beiseite legen, wenn er mit seiner Familie die Morgenandacht verrichtet hat. Vielmehr soll er sie mit hinausnehmen und sie zu seiner Begleiterin unb Führerin für sein ganzes Tagewerk machen. Immer soll es ihm im Herzen gegenwärtig sein, daß Gott ihn sieht. Immer soll er sich vor Augen halten, daß keine Stunde verstreicht und keine Gelegenheit vorübergeht, in der nicht des Herrn Gesetz mit dieser ober jener unerbittlichen Forderung gegenwärtig wäre. Es ist nicht wahr, daß das Prinzip der christlichen Heiligung keinen Ginfluß auf die Einzelheiten des bürgerlichen, alltäglichen Lebens besitze. Und ebenso falsch ist es natürlich, zu behaupten, daß Frömmigkeit eine vornehme, mönchische Tugend sei, die ihren Bereich allein im feierlichen Gottesdienst oder im einsamen Gebet habe. Wenn wirklich Gottes Gnadengeist in uns waltet, dann will er auch unserem ganzen Weg durch die menschliche Gesellschaft Richtung und Färbung verleihen; dann ist keine Verrichtung unter all den verschiedenen Arbeiten, die Menschen zu tun vermögen, denkbar, welche nicht von diesem Geist beseelt werden könnte; dann ist nichts von allem, was uns begegnen kann, zu klein, als daß es nicht durch die Wirkung dieses Geistes einen himmlischen Glanz erhalten könnte. Ja, dieser Geist versucht ständig, den ganzen Menschen unter seine Herrschaft zu zwingen und sich all seine Regungen zu unterwerfen.
„Wet in diesen Dingen Christo dienet, ist Gott gefällig und den Menschen wert.“
Röm. 14, 18.
Th. Chalmers war der bedeutendste Führer der schottischen Kirche im 19.Jahrhundert. Er lebte von 1780–1847. Seine Hauptwirksamkeit galt der Weckung sozialen Geistes in seiner Heimatkirche. Das strenge Verpflichtungsgefühl der calvinistischen Gemeinde gegenüber allen in ihrem Bereich befindlichen Notständen erlebte durch seine Tätigkeit eine großartige Auferstehung. Man hat ihn deshalb nicht mit Unrecht „in mancherlei Beziehung die bedeutendste Persönlichkeit der schottischen Kirche seit der Reformation“ genannt. Er war einer der wenigen Männer, die die große Gefahr, welche der christlichen Kirche durch die geistige und wirtschaftliche Entwicklung im 19. Jahrhundert drohte, rechtzeitig erkannte und ihr entschlossen entgegentraten. Daß er nicht auf den Ausweg einer durch Privatgesellschaften geleisteten „inneren Mission“ verfiel, sondern die Behebung der Notstände ausdrücklich der Kirche zur Pflicht machte und dabei den religiösen Gesichtspunkt allezeit kräftig in den Vordergrund rückte, ist das spezifisch calvinistische Erbe in seiner Anschauungswelt und Wirksamkeit. Seine weit über die Grenzen seines Vaterlandes, insbesondere nach Deutschland hinein reichende Bedeutung ist neuerdings von Karl Holl in umfassender und gründlicher Weise gewürdigt worden (vgl. Karl Holl: Th. Chalmers und die Anfänge der kirchlich-sozialen Bewegung. Tübingen 1913). Alle hier abgedruckten Äußerungen von ihm sind aus dem 6. Bd. seiner gesammelten Werke übersetzt. (The Works of Thomas Chalmers D. D. Edinbourgh 1853.)
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Kittel, H. (1927). Thomas Chalmers. In: Der Calvinismus in Westeuropa. Religionskundliche Quellenhefte, vol 12. Vieweg+Teubner Verlag, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-16164-6_7
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DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-663-16164-6_7
Publisher Name: Vieweg+Teubner Verlag, Wiesbaden
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