Zusammenfassung
Wenn ich meine ausgeführten Beispiele nochmals durchlese, so habe ich das Gefühl, daß die Ausführungen selbst nicht geben konnten, was ich alles geben wollte. Ich frage mich unwillkürlich: Ist dir die Dichtung wirklich nur das, was du hier in Worten, in Begriffen, niedergeschrieben hast? Ist das die Dichtung, wie sie in dir lebt? Ist sie dir nicht viel mehr?
„Sollte jemand künftig dieses Märchen gedruckt lesen und zweifeln, ob es eine solche Wirkung habe hervorbringen können, so bedenke derselbe, daß der Mensch eigentlich nur berufen ist, in der Gegenwart zu wirken. Schreiben ist ein Mißbrauch der Sprache, stille für sich lesen ein trauriges Surrogat der Rede.“
Goethe: Aus meinem Leben, II. Teil.
„Der Ring, den ich hier wieder zurückschicke, hält sich bei wiederholtem Lesen sehr gut, er wird vielmehr besser, wie es jedes Gedicht von Wert tun muß, indem es uns in die Stimmung nötigt, die wir beim ersten Hören und Lesen nicht gleich mitbringen.“
Goethe an Schiller.
„Der Vortragende muß da einsetzen, wo der Dichter aufhört, um die poetische Bewegung dahin gelangen zu lassen, von wo der Dichter ausging. — Um dieser Forderung gerecht zu werden, muß der Vortragende an der Hand des fertigen Kunstwerks imstande sein, für sich alle Stadien rückwärts durchleben zu können, die der Dichter hinter sich ließ, als er die erlösende Formel schuf. Er muß an der Stärke des Reflexes die ausstrahlende Lichtmasse selbst bemessen können, muß sich bis in die letzten Voraussetzungen des dichterischen Ichs einzufühlen imstande sien. Je restloser sein individuelles Empfinden in die Welt des Gedichts einzugehen vermag, um so wunschloser werden auch unsere künstlerischen Forderungen nach der Sättigung sich zur Ruhe legen.“
Magda Janssen in ihren Gedanken über Vortragskunst.
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Weber, E. (1921). Über den Vortrag der Dichtung. In: Die epische Dichtung. Vieweg+Teubner Verlag, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-16115-8_10
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DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-663-16115-8_10
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