Zusammenfassung
Historisch betrachtet ist das unwissenschaftliche oder praktisch gerichtele Denken älter als das wissenschaftliche und zugleich der Mutterboden, auf dem jenes unter allmählichen charakteristischen Veränderungen sich entwickelt hat. Die Formen, in denen beide sich vollziehen, sind dieselben: hier wie dort Urteile über Gegenstände, die durch andere Urteile begrifflich fixiert sind, und Schlüsse, die aus gegebenen Urteilen neue gewinnen lassen. Ziel und Mittel beider sind dagegen wesentlich verschieden. Dient das unwissenschaftliche Denken vorwiegend praktischen Zwecken der Lebensführung, so das wissenschaftliche, seinen unmittelbaren Aufgaben nach, theoretischen der Erkenntnis, Jenes ist einseitig, subjektiv-individuell und dem Augenblick angehörend, dieses umfassend, objektiv-allgemein und dem Ideal noch für die Ewigkeit bestimmt. Dem Zweck entsprechen die Mittel: unwissenschaftliches Denken ist unkritisch und unmethodisch, allen Ver-führungen des Hoffens, Meines und Glaubens willfährig hingegeben; wissenschaftliches dagegen eine kritisch-methodische Reflexion des Bewußtseins auf seine Gegenstände, in der an die Stelle des Hoffens das Forschen, an die Stelle des Meinens das Beweisen, an die Stelle des Glaubens das Wissen tritt.
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Referenzen
Auf die speziellen Differenzen zwischen den methodischen Voraussetzungen naturwissenschaftlicher und psychologischer Foischung kann bei dieser summarischen Übersicht über die Haupltatsachen nicht ein gegangen werden. Man vgl. zur Methodenlehre der Psycholegie die einschlägigen Werke von Ebbingyaus, Münsterberg, Stumpf; sowie; Sigwart, Logik Bd. II.
Dem analog ist das Verfahren, durch das wir das Gesamtbild einer Persönlichkeit oder eines Einzeldinges aus seinen speziellen Seiten gewinnen (Gesamtbegriff aus Spezialbegriffen durch ergänzende Induktion).
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Besonderer Hinweis
Dieses Kapitel ist Teil des Digitalisierungsprojekts Springer Book Archives mit Publikationen, die seit den Anfängen des Verlags von 1842 erschienen sind. Der Verlag stellt mit diesem Archiv Quellen für die historische wie auch die disziplingeschichtliche Forschung zur Verfügung, die jeweils im historischen Kontext betrachtet werden müssen. Dieses Kapitel ist aus einem Buch, das in der Zeit vor 1945 erschienen ist und wird daher in seiner zeittypischen politisch-ideologischen Ausrichtung vom Verlag nicht beworben.
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Grau, K.J. (1921). Die Lehre vom wissenschaftlichen Untersuchungsverfahren. In: Grundriß der Logik. Aus Natur und Geisteswelt, vol 637. Vieweg+Teubner Verlag, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-15950-6_5
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DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-663-15950-6_5
Publisher Name: Vieweg+Teubner Verlag, Wiesbaden
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