Zusammenfassung
Von unserer Auffassung des Kunstschaffens, die es als Steigerung des normalen emotionalen Geisteslebens mit spezieller Richtung auf Ausdruck und wirkungsvolle Gestaltung ansieht und auch in den anscheinend abnormalen Inspirationszuständen nur eine Steigerung von ebenfalls im normalen Seelenleben vorkommenden Zuständen erblickt, unterscheiden sich sehr wesentlich zwei andere Anschauungen, die beide zahlreiche Anhänger gefunden haben. Die eine sieht das Kunstschaffen als etwas völlig Unbewußtes an, ja manche damit verwandte Theorien setzen es krankhaften Zuständen der Seele gleich, die andere Anschauung will im Gegensatz dazu das Kunstschaffen wie das geniale Geistesleben überhaupt, völlig ins Licht des Bewußtseins, und zwar möglichst in die Sphäre des rationalen Denkens, der klarbewußten Erkenntnis heben. Um unseren prinzipiellen Standpunkt zu kennzeichnen, sage ich vorausgreifend, daß beide Theorien einseitig sind. Wir geben der ersten zu, daß vieles im künstlerischen Schaffen gewiß unter der Schwelle des Bewußtseins verläuft, wir geben auch der zweiten zu, daß es kein Kunstschaffen ohne Erkenntnisakte gibt, aber wir betonen, daß der Schaffensvorgang weit komplexer ist, als beide Theorien es hinstellen, und daß in den aufgezeigten emotionalen Zuständen, die zu Ausdruck und Gestaltung drängen, der Kern des Erlebens zu suchen und ihm nur von dieser Seite her beizukommen ist, daß man jedoch von hier aus hinabsteigen muß in die Tiefen des unbewußten Seelenlebens und auch die pathologischen Zustände nicht übersehen darf, daß man aber andererseits auch das Rationalisierbare im Kunstschaffen untersuchen muß. Ich widme daher beiden Problemstellungen eine gesonderte Untersuchung.
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Müller-Freienfels, R. (1923). Unbewusstes und Pathologisches im Kunstschaffen. In: Psychologie der Kunst. Vieweg+Teubner Verlag, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-15839-4_7
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