Zusammenfassung
Leibniz ist der universalste Geist, den die neueren Völker bis auf Goethe hin hervorgebracht haben. Wenn es die höchste Leistung der Philosophie ist, die Kultur eines Zeitalters zum Bewußtsein ihrer selbst und zu systematischer Klarheit zu erheben und so die Macht dieser Kultur zu steigern, so hat das seit Platon und Aristoteles kein anderer Kopf so umfassend und so schöpferisch vollbracht als dieser deutsche Philosoph. Die großen Mächte, die in der Kultur des ausgehenden 17. Jahrhunderts nebeneinander bestanden, der griechische Idealismus von Platon und Aristoteles, das gereinigte protestantische Christentum und die neue auf das Naturerkennen gegründete Wissenschaft der Zeit, verständigten sich in diesem alles mitfühlenden und verstehenden Geiste. Es schien, als habe ihn die Natur zu diesem titanischen Werk ausdrücklich ausgerüstet. Er las alles, aber nicht wie ein Polyhistor, sondern Lernen und Schaffen waren bei ihm immer eins. „Es klingt seltsam,“ sagt er einmal, „ich billige das meiste, was ich lese.“ Er gab sich der Wahrheit in jeder Schrift und in jeder Tatsache des Lebens hin — bis zur Schwäche. Er umfaßte alle Wissenschaften und bildete sie in der Richtung fort, in der ihre Zukunft lag. Neben Newton selbständig in der Erfindung der Differentialrechnung, einer der Vornehmsten unter den Begründern der Einsicht in die Erhaltung der Energie, der erste, der in dem Spiel der Vorstellungen unterhalb der Region unserer bewußten Operationen das Prinzip der psychologischen Erklärung erkannte, ein Pfadfinder auch als Geschichts- und Sprachforscher: so lebte er in einem Zusammenhang aller wissenschaftlichen Erkenntnisse, der in der neueren Zeit ohnegleichen ist.
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Dieses Kapitel ist Teil des Digitalisierungsprojekts Springer Book Archives mit Publikationen, die seit den Anfängen des Verlags von 1842 erschienen sind. Der Verlag stellt mit diesem Archiv Quellen für die historische wie auch die disziplingeschichtliche Forschung zur Verfügung, die jeweils im historischen Kontext betrachtet werden müssen. Dieses Kapitel ist aus einem Buch, das in der Zeit vor 1945 erschienen ist und wird daher in seiner zeittypischen politisch-ideologischen Ausrichtung vom Verlag nicht beworben.
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Dilthey, W. (1927). Leibniz und die Gründung der Berliner Akademie. In: Studien zur Geschichte des Deutschen Geistes. Vieweg+Teubner Verlag, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-15805-9_2
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DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-663-15805-9_2
Publisher Name: Vieweg+Teubner Verlag, Wiesbaden
Print ISBN: 978-3-663-15241-5
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