Zusammenfassung
Wer den Himmel ein wenig zu beobachten gewohnt ist, dem prägen sich gewisse Richtungen ein, die durch die reguläre Anordnung des Planetensystems bedingt sind, — der richtet den Blick hinauf zum Himmelspol, welcher die Erdachse andeutet, beobachtet die Gestirne auf ihrem ständigen Gange von Ost nach West und sieht, wie sich Sonne, Mond und Planeten stets in der Nähe des Himmelsäquators in der Ost-Westebene bewegen. Durch diesen Reigen der Planeten hindurch zieht sich der leuchtende Kranz der Milchstraße. Als ob man Licht und Schatten auf den Blättern des Kranzes wechseln sähe, so sind helleuchtende Flecken und dunkle Stellen nebeneinander gestreut. Die schönsten Sterne des Himmels besetzen diesen Kranz oder hängen wie schimmernde Beeren an hervorragenden Zweigen. Aber was den nicht nur ästhetisch, sondern auch geometrisch empfindenden Beobachter nicht weniger in Erstaunen setzt als die Existenz und seltsame Konstitution dieses den Himmel umschließenden Bandes leuchtender Wolken, das ist die merkwürdige, aller sonstigen Regel widersprechende Orientierung des ganzen Milchstraßenrings. Die Milchstraße kümmert sich nicht um die allgemeine Ost-Westbewegung im Planetensystem, sie steigt steil auf gegen den Äquator, streift im W der Kassiopeia den Nordpol und senkt sich dicht zum Südpol hinab. Schon diese eigentümliche Lage der Milchstraße deutet an, daß wir es hier mit etwas im höchsten Sinne Überirdischem, über die Grenzen unseres in der Ost-Westrichtung orientierten Planetensystems Hinausgehendem zu tun haben. Wer für Richtungen sensibel ist, dem kann es sein, wie wenn hier ein verzaubertes Pendel, statt zur Vertikalen zurückzukehren. in schrägem Ausschlag stehen bliebe. Wie ein Geisterfinger ragt das Phänomen der Milchstraße in unseren engeren Vorstellungskreis hinein und weist wiederum hinaus auf eine höhere Ordnung, die im Fixsternsystem walten muß.
Aus „Himmel und Erde“ Bd. XXI. Nach einem Vortrag im „Wissenschaftlichen Verein“ zu Berlin vom 16. Dez. 1908.
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Schwarzschild, K. (1916). Über das System der Fixsterne. In: Über das System der Fixsterne. Vieweg+Teubner Verlag, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-15790-8_3
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