Zusammenfassung
Unsere Überlegungen gingen bisher auf das Wesen der Burckhardtschen Geschichtschreibung. Sie waren daher vorwiegend auf die formalen Eigentümlichkeiten seiner Geschichtsauffassung gerichtet. Dabei konnten wir uns nur in den wenigsten Fällen auf zusammenhängende Ausführungen Burckhardts selbst stützen, wir mußten zur Hauptsache unsere Ergebnisse aus seiner praktischen Geschichtschreibung heraus-analysieren. Wenn wir uns jetzt seinen philosophischen Überzeugungen über das Wesen der Geschichte, also seiner „materialen Geschichtsphilosophie“ zuwenden, so sind wir dabei in einer besseren Lage, denn die Weltgeschichtlichen Betrachtungen enthalten in theoretischer Reflexion Burckhardts Ansicht von den allgemeinen Ursachen und Faktoren der geschichtlichen Entwicklung. Philosophisch sind seine Ansichten erstens, weil sie weit über das hinausgehen, was die Geschichtschreibung selbst zu leisten hat, und zweitens, weil ihr Verfahren ein philosophisches ist und kein historisches. Geschichtschreibung ist individualisierende Darstellung des geschichtlichen Lebens, die Geschichtsphilosophie ist systematische, begrifflich unterordnende Betrachtung des Ganzen der historischen Entwicklungl, und das ist auch das.Verfahren der Weltgeschichtlichen Betrachtungen. Darüber hinaus wissen wir, daß jeder Historiker eine Art Geschichtsphilosophie besitzt. Sie ist entscheidend dafür, was er für historisch wesentlich hält und was nicht. Sie ist eine Voraussetzung, die die Auswahl und die Gestaltung seines Materials bestimmt, obwohl der Historiker sich dieser Tatsache meist nicht bewußt ist. Für Burckhardt konnten wir diese Voraussetzungen schon zum Teil klären; im folgenden werden wir dieser weltanschaulichen Bedingtheit unsere ausschließliche Aufmerksamkeit widmen.
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Literatur
H. Rickert: „Geschichtsphilosophie“. In „Die Philosophie im Beginn des 20. Jahrhunderts”. 1907. S. 388.
Neumann: „J. B., Deutschland und die Schweiz“. S. 11.
Vgl. zum Folgenden: Ch. Andler: „Nietzsche, sa Vie et sa Pensée“. 1920. Bd. 1. S. 265ff.
Vgl. zum Folgenden: E. Dürr: „Freiheit und Macht bei Jakob Burckhardt“. 1918.
Vgl. zumFolgenden: Joel. S. 117ff. Neumann: „Jakob Burckhardt“. S. 18ff. 98 Gr. K. I. S. 295.
An Geymüller. 44 E. Fueter: a. a. “ Über Schlosser
Burckhardt“. 5.37. 47 W. B. S. 104. 49 An Preen. S. 1 52 W. B. S. 266.
Neumann: „J. B., Deutschland und die Schweiz“. S. 36
Welt als Wille und Vorstellung. II. S. 682f.
Vgl. Neumann: „Jacob Burckhardt“. S. 19.
Ideen zu einem Versuch, die Grenzen der Wirksamkeit des Staates zu bestimmen“. Akademie-Ausgabe, Bd. 1. 1903. S. 129.
Vgl. zum Folgenden R. Haym: „Wilh. v. Humboldt“. 1856. S. 46ff.
F. Meinecke: „Weltbürgertum und Nationalstaat“. 1908. S. 37f.
Vgl. E. Brandenburg: „Die Reichsgründung“. 1916. I. S. 126.
Vgl. Neumann: „Jakob Burckhardt“. S. 15ff.
S. 71–72. Daß er mit dem politischen Konservatismus, dem er sich zwar sonst verbunden fühlte, nicht zu identifizieren ist, beweist ein Ausspruch an Preen S. 131–32.
E. Rothacker: „Savigny, Grimm, Ranke“. Hist. Zeitschr. 1923. Bd. 128. S. 440–41.
Vgl. die Übereinstimmung mit Lamprecht: „Was ist Kulturgeschichte?“ S. 99.
Lamprecht: „Moderne Geschichtswissenschaft“. S. 94, 95.
Der Ausdruck Kulturkreis ist häufiger bei Burckhardt, jedoch in dem Sinne von räumlichem Umfang, Territorium einer Kultur (Beispiel W. B. S. 181).
W. B. S. 194, vgl. zum folgenden Ch. Andler: a. a. O. S. 326ff.
Vgl. hierzu Ch. Andler: a. a. O. S. 331 ff. Burckhardt wandte den Begriff der Renaissance zunächst nur auf die italienische Renaissance des 15. u. 16. Jahrh. an. Daneben braucht er den Begriff in einem weiteren Sinne für das in Frage stehende Phänomen.
Ranke: „Über die Epochen der neueren Geschichte“. 1906. S. 18.
Über Ranke: W. Freytag: a. a. O. S. 143f.
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Winners, R. (1929). Das Geschichtliche Geschehen. In: Weltanschauung und Geschichtsauffassung Jakob Burckhardts. Beiträge zur Kulturgeschichte des Mittelalters und der Renaissance. Vieweg+Teubner Verlag, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-15756-4_4
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DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-663-15756-4_4
Publisher Name: Vieweg+Teubner Verlag, Wiesbaden
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