Zusammenfassung
Geniale Eingebungen haben zweifellos viele Menschen. Sie entpuppen sich aber noch nicht als Genies, weil ihnen die Möglichkeit oder gar die Energie fehlt, den genialen Gedanken in die Praxis umzusetzen. Will man geniale Gedanken fassen, so muß man einigermaßen unbelastet an die Sache herangehen. Schopenhauer hat den merkwürdigen Satz geprägt: „Wirklich ist jedes Kind gewissermaßen ein Genie und ein Genie gewissermaßen ein Kind.“ Er wollte damit ausdrücken, daß Spiel und Unbewachtsein bei einem Genie, zum Beispiel bei einem Erfinder, nahe beieinander liegen. Er unterscheidet allerdings scharf zwischen dem erfinderischen und schöpferischen Genie und dem nur begabten Talent; er spricht ausführlich von dem seelischen Über-schwang und Überschuß, von der Exzentrizität des schöpferischen Menschen und von dem Intellekt, „der des Wollens ledig über den Objekten schwebt und, ohne vom Willen angetrieben zu sein, dennoch energisch tätig ist“. Fest steht, daß solche wirklich genial beschwingten Naturen, die man als Erfindergenies bezeichnen kann, unter den Menschen selten sind. Das begabte Talent trifft man schon eher an. Erfinder ist man, oder man ist es nicht. Das Talent kann dagegen gepflegt und zur Entwicklung gebracht werden. Ein gut entwickeltes und gepflegtes Talent kann durchaus zum Genie werden. Talente müssen aber bescheiden und fleißig wirken. Letzten Endes finden sie doch die notwendige Anerkennung. Der talentvolle Menschkann einen Stoff derart gestalten, daß die Mitmenschen später zu der Überzeugung kommen, daß er „genial“ gewesen sei. „Talent ist Form, Genie Stoff“, sagt Karl Gutzkow über Goethe.
Gott gibt uns die Seele; aber das Genie müssen wir durch die Erziehung bekommen. Lessing
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© 1955 Springer Fachmedien Wiesbaden
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Sellien, R. (1955). Genialität. In: Kaufmanns-Brevier. Gabler Verlag, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-14766-4_48
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Publisher Name: Gabler Verlag, Wiesbaden
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