Zusammenfassung
Döblin betrachtet in seiner Dissertation1 das Gedächtnis — in Übereinstimmung mit den psychologischen Forschungen seiner Zeit2 — als “die allgemeinste Form aller geistigen Tätigkeit”. 3 Die Gedächtnisleistung schien die Eigengesetzlichkeit psychischer Vorgänge beweisen zu können.
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Literatur
A. D.: Gedächtnisstörungen bei der Korsakoffschen Psychose. A. a. O.
Auf der Rückseite eines Manuskriptblattes der “Gespräche” finden sich Literaturangaben zu Döblins medizinischen Arbeiten. U. a. erwähnt wird Ewald Hering: Über das Gedächtnis als eine allgemeine Funktion der organisierten Materie. Abhandlung der Wiener Akademie. Leipzig, 1870; Hering: “Man hat das volle Recht, den Begriff des Gedächtnisses auf alle nicht gewollten Reproduktionen von Empfindungen, Vorstellungen, Gefühlen und Strebungen auszudehnen und sobald dies geschieht, erweitert sich das Gedächtnis zu einem Urvermögen, welches Quell und zugleich das einende Band unseres ganzen bewußten Lebens ist.” A. a. O., S. 7
Alfred Döblin: Gedächtnisstörungen bei der Korsakoffschen Psychose. A. a. O., S. 5
A. a. O., S. 10
Ebd. Den gleichen Gedanken formuliert Bergson in ’matière et mémoire’ folgendermaßen: “... puisque la perception pure nous donne le tout ou au moins l’essentiel de la matière, puisque le reste vient de la mémoire et se surajoute à la matière, il faut que la mémoire soit, en principe, une puissance absolument indépendente de la matière.” Henri Bergson: Oevres. Hg. v. A. Robinet. Paris, 1970; S. 220
S. o. das Kap.: ’Genie und Wahnsinn’
Alfred Döblin: Gedächtnisstörungen bei der Korsakoffschen Psychose. A. a. O., S. 16
Ganz ähnlich erklärt Freud die psychischen Prinzipien ’Aufmerksamkeit’ und ’Gedächtnis’: “Diese Tätigkeit (die “Aufmerksamkeit”, J. B.) geht den Sinneseindrücken entgegen, anstatt ihr Auftreten abzuwarten. Wahrscheinlich wurde gleichzeitig damit ein System von Merken eingesetzt, welches die Ergebnisse dieser periodischen Bewußtseinstätigkeit zu deponieren hatte, ein Teil von dem, was wir Gedächtnis heißen.” Sigmund Freud: Formulierung über die zwei Prinzipien des psychischen Geschehns (1911). Gesammelte Werke. Hg. v. A. Freud; Bd. 8; London, 1943; S. 230–238
A. D.: Gedächtnisstörungen, a. a. O., S. 19.
A. a. O., S. 19; hierauf weist auch Bergson ausdrücklich hin. S. Henri Bergson: ’matière et mémoire’. Oevres, a. a. O., S. 211f.
Bergson: “... nulle part, dans le système nerveux, il n’y a de centres conscients (...).” A. a. O., S. 212. Die assoziative Gedächtnistätigkeit ist demnach vorbewußt. Die Phänomene des Gedächtnisses entstehen nach Bergson “au point de contact entre la conscience et la matière (...).” A. a. O, S. 220
A. D.: Gedächtnisstörungen, a. a. O., S. 19f., Maurice Merleau-Ponty, Bergsons Nachfolger am Collège de France in Paris (ab 1952), untersuchte diese Vorgänge wahrnehmungspsychologisch. S. Maurice Merleau-Ponty: Phänomenologie der Wahrnehmung. Berlin, 1966.
A. D.: Die drei Sprünge des Wang-lun. A. a. O., S. 126
S. a. d. Szenenbeschreibung auf S. 21f.
Bergson: “le cerveau serait un instrument d’action, et non de représentation.” Matière et mémoire. Oevres, a. a. O., S. 221
S. hierzu Gutschicks Ausführungen. R. G.: Realität und Dynamik, a. a. O., S. 29ff..
Ein Beispiel für die phantastische Überformung wirklichkeitsnaher Beschreibungen ist der Roman ’Wadzeks Kampf mit der Dampfturbine’ (Olten/ Freiburg i.B., 1982). S. hierzu Ribbats Untersuchung des surrealistischen Stils in diesem Roman. Ernst Ribbat: Die Wahrheit des Lebens im frühen Werk Alfred Döblins (Diss.). Münster, 1970; S. 190ff.
A. D.: Gedächtnisstörungen. A. a. O., S. 21
A. a. O., S. 23. Damit in Übereinstimmung stellt Döblin bei der Beeinträchtigung der Merkfähigkeit eine weitaus geringere Normabweichung als bei der Störung der Auffassung fest. Er führt ’Merkstörungen’ nicht auf ’Haftstörungen’ zurück. A. a. O., S. 25. Auch nach Bergson erklären nicht Wahrnehmungsspuren, sondern die Fähigkeiten der Aktualisierung von Gedächtnisinhalten den Erinnerungsvorgang. Hypothetisch ist jeder Moment der Vergangenheit verfügbar, wie die Erinnerungen Sterbender bestätigen. Nicht das physikalische Haften von Eindrücken, sondern die Aufmerksamkeit mithin die Intensität der psychischen Energie garantiert die Erinnerung. Deren Schwächung ist für die Störung der Aufmerksamkeit in gleicher Weise verantwortlich wie für die Störung der Erinnerung. Die Folge einer Schwächung oder falschen Verteilung der psychischen Energie bezeichnet Döblin als ’Depersonalisation’; s. A. D.: Gedächtnisstörungen, a. a. O., S. 25
Platon: Menon. Sämtliche Werke. Bd. 2, a. a. O., S. 26f.; 85, c.
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Balve, J. (1990). Wahrnehmung und Gedächtnis. In: Ästhetik und Anthropologie bei Alfred Döblin. DUV Sprachwissenschaft. Deutscher Universitätsverlag, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-14668-1_7
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