Zusammenfassung
Die vorliegende Arbeit unternimmt den Versuch, anhand biographisch-narrativer Interviews mit Jugendlichen gescheiterte Bildungsverläufe und Prozesse der Marginalisierung zu rekonstruieren.2 Marginalisierung als zu rekonstruierender biographischer Prozeß soll dabei unter Berücksichtigung seiner fallspezifischen Komplexität so erfaßt werden, daß das Wechselspiel und Ineinandergreifen von milieuspezifischen Strukturen, familialen Sozialisationsprozessen, Bildungs- sowie öffentlichen Erziehungsmaßnahmen prozessual in den Blick gerät. Ein solch umfassender und detaillierter Rückgriff auf Biographien erfolgt nicht voraussetzungslos, sondern steht im Zusammenhang mit der These, daß die umfassenden gesellschaflichen Rationalisierungs- und Individualisierungsprozesse ein individuelles und institutionelles Konflikt- und Widerspruchspotential hervorbringen, das den sinnstiftenden Bezug auf tradierte Muster der Lebensführung erschwert und den einzelnen ein hohes Maß an selbst zu verantwortender biographischer Planung auferlegt. Die Notwendigkeit, in selbstreflexiver Vergegenwärtigung die biographischen Entwürfe ins Verhältnis zu den institutionellen Möglichkeiten zu setzen, stellt eine zentrale Aufgabe jugendlichen Aufwachsens und ein verändertes Anforderungsprofil für Eltern und Erziehende dar. Inwieweit die Freisetzung aus tradierten Bezugssystemen, die abnehmende Orientierungsverbindlichkeit und wachsende Bedeutung biographischer Orientierungsleistungen bei einem gleichermaßen sich ausdifferenzierenden Angebot an institutionellen Hilfeangeboten eine Erweiterung der Autonomiepotentiale oder ein Potential für steigende Anfälligkeit und Überforderung darstellt, kann nicht ohne Bezugnahme auf die in den unterschiedlichen sozialen Milieus, Familien, Bildungs-und Erziehungseinrichtungen bestehenden typischen Strukturen, Zwänge und Handlungsressourcen entschieden werden.
Wer den Lauf der menschlichen Dinge kennt, und weiß, wie dasjenige oft im Fortgange des Lebens sehr wichtig werden kann, was anfänglich klein und unbedeutend schien, der wird sich an die anscheinende Geringfügigkeit mancher Umstände, die hier erzählt werden, nicht stoßen.
Karl Philipp Moritz, 17851
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© 1994 Springer Fachmedien Wiesbaden
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Nölke, E. (1994). Einleitung. In: Lebensgeschichte und Marginalisierung. DUV: Psychologie. Deutscher Universitätsverlag, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-14595-0_1
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