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Part of the book series: DUV Sozialwissenschaft ((DUVSW))

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Zusammenfassung

Gegenstand dieses Kapitels ist ein Interview mit dem zum Zeitpunkt der Aufnahme 19jährigen Şemi. Die Aufnahme fand im Juni 1984 nachmittags in meiner Wohnung einen Tag vor der Rückkehr des Jugendlichen und seiner Familie in die Türkei statt. Ich hatte Şemi in der Stadt zusammen mit anderen getroffen und während des “Zeit totschlagens” auf einer der großen Einkaufsstraßen erzählte mir der Jugendliche, daß er am nächsten Tag mit seiner Familie in die Türkei zurückkehren werde. Ich fragte ihn daraufhin, ob er Zeit hätte und bereit wäre, mit mir nach Hause zu kommen und mir auf Tonband etwas darüber zu erzählen, was er in der Zeit “in Deutschland” gemacht und erlebt habe. Er war dazu bereit und so fuhren wir zu mir nach Hause, kauften auf dem Weg dahin einige Stücke Kuchen und kochten einen Tee bei mir, so daß das aufgenommene Gespräch bei Verzehr von Tee und Kuchen stattfand.

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Literatur

  1. In der Zweitspracherwerbsforschung sind Präpositionalkonstruktionen als zentraler Bereich bestimmt worden, mit dem Lerner Schwierigkeiten haben (vgl.Keim 1984, Rückert 1985 sowie Kap. 1.2). Die spezifische Präpositionalform, die Şemi hier und an anderen Stellen wählt, und die Probleme, die dabei auftauchen, lassen sich z.T. bei einem Vergleich mit dem Türkischen weiter aufklären. Im Türkischen stehen häufig einfache Kasus, wo im Deutschen Präpositional-konstruktionen erforderlich sind, im übrigen finden sich dort statt Präpositionen Postpositionen, (dazu Meyer-Ingwersen, Neumann, Kummer 1981, S.177ff.)

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  2. Andere Autoren wie Rückert 1985 u. Meyer-Ingwersen, Neumann, Kummer 1981 weisen darauf hin, daß Schwierigkeiten mit subordinierenden Konjunktionen durch die häufige Produktion von koordinierenden Konjunktionen wie “und”, “und dann” und “aber” umgangen werden.

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  3. Schulische Mißerfolge haben in der Türkei nach meiner Erfahrung bei weitem nicht die Bedeutung für die soziale Stellung einer Familie, wie sie dies in der BRD haben. Aber auch hier ist davor zu warnen, diese Haltung zum Lernen der Kinder (und zum Lernen insgesamt) als bloßen kulturellen Reflex zu betrachten. Es handelt sich auch um eine Möglichkeit, Mißerfolgserfahrungen für die Beteiligten erträglich zu verarbeiten, was auf der anderen Seite nicht ausschließt, ernsthafte Angebote der schulischen Förderung der Kinder sehr bereitwillig aufzugreifen, wie Erfahrungen mit entsprechenden Angeboten zeigen. Dies verweist darauf, daß solche Reaktionsformen auch einen Schutz vor dem häufigen Vorwurf der Inkompetenz der Eltern (und Kinder) von Seiten der Lehrer und Pädagogen darstellen, die mittels ethnisierender Diskriminierung eigene Mißerfolge weiterreichen, aber auch alltägliche Organisationsprobleme lösen (dazu Radt-ke u.a.1992). Zu überlegen wäre, inwieweit ein solcher Hintergrund es den Migranten ermöglicht hat, die pädagogische Selbstentlastung gegenüber den Eltern und Kindern, die als Hauptproblem ihre kulturelle Ausstattung faßt, relativ gleichmütig hinzunehmen. Darauf ist hier aber nicht weiter einzugehen.

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  4. Diese Abfindungssummen stellten im Jahre 1984 zusammen mit den sog. Rückkehrförderungsgeldern Verschwindeprämien dar, mit denen man “das Ausländerproblem” zu lösen trachtete. “Das Ausländerproblem” aber war in der Regierungserklärung von Bundeskanzler Kohl als “Türkenproblem” identifiziert worden. Entscheidungen von türkischen Migranten zur Rückkehr sind damals verstärkt unter dem regierungsoffiziell gebilligten Druck auf die Migranten, endlich zu gehen, zustande gekommen.

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  5. Der Tante im Deutschen entsprechen im Türkischen drei Ausdrücke: hala → Schwester des Vaters; teyze → Schwester der Mutter; Yenge → Frau des Bruders des Vaters oder der Mutter. Vergl. zu der Art und Weise, wie in dieser differenzierten Verwandtschaftsterminologie traditionell soziale Verpflichtungen gebunden sind, Schiffauer 1987.

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  6. Vagheit bei biographischen Datenangaben sind mir bei einer Reihe v.a. älterer türkischer Migranten immer wieder aufgefallen. Dies betrifft z.B. Altersangaben für sich, für ihre Kinder oder Frauen, biographische Zeiträume in der Türkei oder in der BRD und hat sicherlich auch damit zu tun, daß die Lebensverhältnisse in der Türkei insbsondere auf dem Land staatlich häufig nicht so weit durchdrungen sind (waren), daß der einzelne seinen Lebenslauf, sofern er als solcher und als “ganzer” überhaupt Thema wird, selbstverständlich entlang bürokratisch relevanter Daten spinnt. Die Biographisierung des Lebenslaufs (Kohli 1986) ist also nicht durchgesetzt.

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  7. Wie auch schon zuvor setze ich hier und im weiteren die passenden Präpositionen ein und verweise dazu auf die Anmerkungen, die ich zu Anfang der Analyse hinsichtlich der Probleme Şemis mit Präpositionen und den entsprechenden Konstruktionen gemacht habe.

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  8. Wer dick ist, gilt in den Augen vieler Türken und türkischen Migranten, soweit ich dies erfahren habe, als gesund. Wenn man für Kinder und Jugendliche zu sorgen hat, dann ist Zeichen der verant-wortungsbewußten Übernahme dieser Versorgungsaufgabe, daß sie gut zu essen haben. In diesem Sinne bedeutet “Ich kann hier gut essen” auch “Ich werde gut versorgt”. Dicke Kinder gelten als gesund. Gesunde Kinder sehen aus “bir ay parcasi gibi”, also wie ein Stück Mond (vgl. Mihciyazgan 1986). Bei einer zwischenzeitlichen, langwierigen Erkrnakung wurde ich in der Türkei und hier mehrfach darauf hingewiesen, daß ich früher “viel dicker” gewesen sei.

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  9. Vgl. dazu auch das Gruppeninterview.

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  10. Die entsprechende Formulierung im Türkischen würde lauten “Tü-kürdügümü yalamam” bzw. “Türkürdügümü yalayamarn.”

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  11. Das gilt m.E. bis heute, auch wenn die Türken in der Türkei um die Probleme ihrer Landsleute wissen. Auch der Druck, unter den die Almancilar in der Türkei häufig geraten, widerspricht dem nicht, sondern hat oft genug genau zum Anlaß, daß diese nicht geschafft haben, was die in der Türkei Lebenden von ihnen erwarten.

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  12. Allerdings habe ich auch oft genug mitbekommen, daß die Erzählungen der Migranten das, was die Form ihrer Präsenz in Relation zu den materiellen Möglichkeiten der Nachbarn, Verwandten und Bekannten nahelegt, gar nicht zu destruieren vermögen.

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  13. In der in den letzten Jahren wachsenden Aufmerksamkeit für das Schicksal der Rückkehrer scheint mir diese Frage wenig Beachtung zu finden, ob nämlich eine Reihe von Rückkehrern dieses Material der Kritik der Verhältnisse aufgrund gemachter Erfahrungen nicht mehr teilen können und was dies für ihr Verhältnis zu denen bedeutet, die sich dieses Materials wiederkehrend bedienen.

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  14. Daß Spaß immer nur Spaß im Zusammenhang einer bestimmten sozialen Praxis ist, wird sehr schön in Sacks 1978 gezeigt.

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  15. Im Vorgriff sei darauf verwiesen, daß sich eine ähnliche Konstruktion später im Interview noch einmal findet: “Und wenn ich nicht arbeite, da bin ich — jetzt — Soldat gehen ne, und darum die verlängern nicht.” (Interview mit Şemi S.14) Wenn Şemi nicht arbeitet, dann “ist” er “Soldat gehen”.

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  16. Ich habe später bei verschiedenen Jugendlichen miterleben können, wie sie genau mit solchem Erwartungsdruck konfrontiert wurden. Eine Weile nach ihrer Rückkehr wurden sie von vielen Seiten immer wieder gefragt, was sie mit ihrer Zeit in Deutschland gemacht hätten. Das Blendende mitgebrachter Konsumartikel erwies sich als sehr schnell vergänglich, “Sachen” aber, d.h. solche Dinge, auf die es für das tägliche Leben ankommt, hatten sie nicht vorzuweisen. Den Jugendlichen nützten Erklärungen ihrer Situation in Deutschland kaum etwas, Arbeitslosigkeit wurde nicht als wirkliches Problem anerkannt und man sagte über sie häufig, daß sie in Deutschland zu viel und zu lange “spazierengegangen” seien.

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  17. Vgl. dazu auch Lütten 1979 u. Weber 1983

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  18. vgl. auch das Gruppeninterview, Transkript S.60ff.

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  19. Nur hinweisen will ich darauf, daß Şemi in der Türkei auf seinem Dorf alles andere als begeistert davon war, bei der Ernte oder anderen Arbeiten in der Landwirtschaft mit anzufassen. Dies kann natürlich nicht das Verständnis des Textes begründen.

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  20. Meine Frage zeigt allerdings, daß in gewisser Weise stets jemand da ist, der fragt, wann der Vater zurückkehren will. Diese Frage gehört zum alltäglichen Umgang mit Migranten und ist in die sozialwissenschaftlichen Fragekataloge der Migrationsforschung eingegangen. Ohne daß dies von mir intendiert war, verweist die Frage so auch darauf, daß v.a. türkische Migranten als Verkörperung des “Ausländerproblems”, das die bundesrepublikanische Gesellschaft hat, gegen die dauerhafte implizite Aufforderung, die auch in solchen Fragen liegt, und gegen die offene Aufforderung zurückzukehren “ganz fest nein sagen” müssen.

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  21. Nicht des reflexiven Verbs “sich schämen”, denn in Şemis Rede zuvor taucht es nicht als solches, sondern stets ohne Reflexivpronomen auf.

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  22. utanmak → sich schämen/utandirmak → beschämen

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  23. Vgl. dazu auch das Interview auf S. 38, wo ein entsprechender Männerscherz von meiner Seite ausgeht, als Şemi “viele Mädchen” für seinen reduzierten Moscheenbesuch verantwortlich macht.

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  24. Dabei hat dies manchmal einen paradoxen Effekt. In dem Maße, in dem die Eltern sich um das kümmern, was ihre Söhne machen, werden diese ohne ihr Zutun um so “schlechter”. Denn das, was die Eltern allgemein über die Praxis von Gleichaltrigengruppen von Jugendlichen wissen, wird nun zu konkretem Wissen und als konkret gewußte im Verbund mit dem, was der Anlaß für das Eindringen in die Praxis der Söhne war, wird diese Praxis moralisch schlecht. Verhält sich der Sohn zu Hause korrekt, ist dies keine Gewähr dafür, daß er dies außerhalb tut. Da die sozialen Situationen nicht die Übersichtlichkeit und Strukturiertheit besitzen, daß sie ein bestimmtes Verhalten erwartbar machen bzw. diesem Grenzen ziehen, die akzeptabel sind, ist es notwendig, darauf zu achten, daß der Sohn sich diese Grenzen selber zieht. Wird in diesem Sinne Gegenstand, was der Sohn außerhalb tut, gerät genau die Konstellation unter Druck, nach der im Zusammensein mit dem Vater bzw. den Eltern viele Dinge nicht getan werden dürfen, diese Situationen aber von denen mit den Gleichaltrigen separiert werden, wo vieles erlaubt ist als Praxis unter Gleichberechtigten. Der Sohn hat sich in gewisser Weise dauerhaft zu schämen und der Vater hält ihn für durch und durch schlecht. Die Handhabung dieses Spannungsfeldes durch Eltern und Söhne ist nicht einheitlich und widersprüchlich. Für die Analyse des Gesprächs mit Şemi hier gibt diese Überlegung insofern vielleicht etwas her, als er gemessen an anderen Jugendlichen, mit denen ich zu tun hatte, wenig Probleme für “zu Hause” produzierte. Wenn er seinen Vater zitiert “Du machst immer Mist”, dann mag dies auch mit dem Eindringen des Vaters in die Praxis seines Sohnes zusammenhängen. Diese Überlegung muß aber bezogen auf den Fall spekulativ bleiben, da ich den Vater selbst in der BRD nur einmal “in der Stadt” mitbekommen habe, als er seinen Sohn suchte. Ob sein Sohn aber für ihn wirklich “immer Mist” machte, vermag ich nicht zu sagen, da der Vater zwar von den Sorgen erzählte, die er sich wegen Şemi machte, aber seinen Sohn nicht mir gegenüber verurteilte. In der Türkei jedoch, wo sich die Situation grundlegend geändert hatte, erklärte er nur, daß er Şemi nicht nach Deutschland schicken könne, da er dort keine Arbeit habe und nicht für seinen Lebensunterhalt sorgen könne. Auf die resultierenden Gefahren für Şemi verwies er allgemein, sagte aber nicht, was ihn konkret beunruhigte.

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  25. Bezogen auf die dargelegten Felderfahrungen mit den schweigenden Söhnen im Angesicht empörter Väter ist die hier skizzierte Konstellation auch für andere Jugendliche und ihre Väter, mit denen ich zu tun hatte, gültig. Allgemeiner ist dies in Bommes 1992a ausgeführt.

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Bommes, M. (1993). Şemi. In: Migration und Sprachverhalten. DUV Sozialwissenschaft. Deutscher Universitätsverlag, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-14583-7_4

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