Zusammenfassung
Die zu Beginn der siebziger Jahre prognostizierten Verschärfungen in den klassenpolitischen Auseinandersetzungen sind nicht eingetreten. Weder läßt sich die aus der Übernahme politischer Verantwortung für Vollbeschäftigung im Zuge des Stabilitätsgesetzes und keynesianischer Globalsteuerung erwartete staatliche Legitimationskrise konstatieren noch sind verschärfte Auseinandersetzungen auf betrieblichen und gewerkschaftlichen Konfliktebenen festzustellen. Im Gegenteil: Was sich bei stagnierender Produktion und steigender Arbeitslosigkeit bisher abzeichnet, ist eine Anpassung von Gewerkschaftsorganisationen und ihrer Mitglieder an die veränderten wirtschaftlichen Bedingungen. Auf der tarifpolitischen Ebene drückt sich dies seit 1975 in einer einkommenspolitischen Umverteilung zugunsten der Unternehmer aus und seit 1980 in sinkenden Reallöhnen: bei den einzelnen Beschäftigten in Form einer zusätzlichen Anspruchsreduzierung ihrer Reproduktionsinteressen im Betrieb und Sozialbereich. Auch die in großer Zahl stattfindende Arbeitsplatzvernichtung, die die Lebensinteressen der lohnabhängigen Bevölkerung unmittelbar tangiert, läßt eher Angst, Unsicherheit und Resignation aufkommen, als daß sie unmittelbare Konflikte zur Folge hätte. Wurde früher die langanhaltende Prosperität als Determinante des Arbeiterverhaltens angesehen, so scheint nun die Krise dieses Verhalten zu bestimmen, ohne daß sich freilich der erhoffte Wandel in den Auseinandersetzungen zwischen Kapital und Arbeit einstellt.
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Literatur
Jürgen Hoffmann, Einheitsgewerkschaft oder „korporatistische Blockbildung“?, in: Prokla, 43, 11. Jg., 1981, S. 6.
Rainer Dombois, Stammarbeiter und Krisenbetroffenheit, in: Prokla, 36, 9. Jg., 1979, S. 162.
Vgl. z. B. Rainer Dombois, Massenentlassungen bei VW: Individualisierung der Krise, in: Leviathan, 4. Jg., 1976, H. 4, S. 432–464; Heinze et al., Sind die Gewerkschaften für ‚alle ‘da? (Anm. 2), S. 63; Hoffmann, Einheitsgewerkschaft (Anm. 1), S. 14.
Vgl. Eckart Hildebrandt, Feuern ohne zu Heuern. Betriebs-und Personalpolitik in der Krise. Am Beispiel der Automobilindustrie, in: Prokla, 26, 6. Jg., 1976, S. 151–191; Hans Gerhard Mendius/Rainer Schultz-Wild, Personalabbau und Interessenvertretung durch den Betriebsrat, in: Leviathan, 4. Jg., 1976, H. 4, S. 465-484.
Als Handlungsansatz wird dieses Gruppenverhalten in der Soziologie als Konzept der „sozialen Schließung“, das auf Max Weber zurückgeht, diskutiert. Vgl. hierzu Rolf G. Heinze et al., Armut und Arbeitsmarkt: Zum Zusammenhang von Klassenlagen und Verarmungsrisiken im Sozialstaat, in: Zeitschrift für Soziologie, 10. Jg., 1981, H. 3, S. 219–243.
Vgl. Jürgen Hoffmann, „Das Ende der Fahnenstange“ — Sozialdemokratie und keynesianischer Klassenkompromiß in der Bundesrepublik, in: Prokla, 49, 12. Jg., 1982, S. 9–30.
Vgl. ebd., S. 24; Michael Schumann, Entwicklungen des Arbeiterbewußtseins, in: Gewerkschaftliche Monatshefte, Nr. 3, 1979, S. 159; Esser, Gewerkschaften in der Krise (Anm. 21), S. 216.
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Reister, H. (1984). Fragmentierung der Arbeiterklasse: Krisenbewältigungsstrategien und betriebliche/gewerkschaftliche Interessenpolitik. In: Ebbighausen, R., Tiemann, F. (eds) Das Ende der Arbeiterbewegung in Deutschland?. Schriften des Zentralinstituts für sozialwissenschaftliche Forschung der Freien Universität Berlin. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-14481-6_19
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