Zusammenfassung
Mit der oben zitierten Überschrift eines 1981 erschienenen Essays von S. M. Lipset (Untertitel: „A historic mission unfulfilled“) — eine Variation des Buchtitels von A. Gorz, „Abschied vom Proletariat“ (1980) — wird das Thema einer ganzen Flut von Analysen der Enttäuschung oder Genugtuung, von Pamphleten und Polemiken seit Mitte der siebziger Jahre aufgegriffen1. Es war und ist in solchen Beiträgen über die Situation des Marxismus und der Arbeiterbewegung vom Versagen der Theorie und/oder der Praxis die Rede. Der Topos vom „Ende der Arbeiterbewegung“, in dieser oder ähnlicher Formulierung in der Geschichte der Arbeiterbewegung immer wieder auftauchender Kampfbegriff der verschiedenen Fraktionen und Parteien, meint dabei heute deutlicher als früher das endgültige „Aus“ einer langen Entwicklung sozialistischer Theorie und Praxis. Infragegestellt werden nicht mehr nur Praxis und Theorie der jeweils gegnerischen parteipolitischen bzw. fraktionellen Linie, insbesondere zwischen den großen Polen Sozialdemokratie und Leninismus, also die praktische Relevanz und die gesellschaftsgeschichtliche Richtigkeit marxistischer Krisen- und Revolutionstheorien oder umgekehrt die „revisionistische“ Praxis des sich früh abzeichnenden Reformismus und Etatismus der Arbeiterbewegung, ihrer Parlamentarisierung und Konstitutionalisierung — diese Infragestellung von beiden Seiten her hat die Geschichte der Arbeiterbewegung in der Tat früh und ausdauernd, zumeist über die Köpfe der Arbeiter hinweg, begleitet — vom Revisionismus-Streit bis hin zu den jüngsten Debatten über die „Krise des Marxismus“.
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Literatur
Seymour M. Lipset, Whatever Happened to the Proletariat? A Historic Mission Unfulfilled, in: Encounter, 56 (Juni 1981), S. 18 ff.; André Gorz, Abschied vom Proletariat, Frankfurt a. M. 1980.
Von Bedeutung für die Entfachung der Diskussion waren dabei insbes. die Beiträge von Louis Althusser, die auch die von „Il Manifesto“ organisierte Debatte zur Krise des Marxismus bestimmt haben. Vgl. dazu u. a. Louis Althusser, De Endlich befreit sich etwas Lebendiges aus und in der Krise des Marxismus, in: alternative, 119 (1978), S. 66 ff.
ders., Der Marxismus als endliche Theorie, in: Elmar Altvater/Otto Kaischeuer (Hrsg.), Den Staat diskutieren, Berlin 1979, S. 42 ff. Zur kritischen bzw. selbstkritischen Einschätzung dieser jüngeren Debatte insgesamt und ihres Ertrages vgl. Bernhard Blanke, Die Marxsche Kritik und die „Krise des Marxismus“, in: Leviathan, Jg. 11, 2/1983, S. 233 ff.
Einen Überblick über die Korporatismus-Debatte in der Bundesrepublik und ihre Einbettung in die internationale Diskussion geben die Aufsätze von Ulrich v. Alemann/ Rolf G. Heinze, Neo-Korporatismus. Zur neuen Diskussion eines alten Begriffs, in: Zeitschrift für Parlamentsfragen, Jg. 10 (1979), S. 469 ff., sowie — deutlicher kritisch angelegt und ausführlicher noch in der Darstellung der außerdeutschen Diskussionsentwicklung und ihrer wichtigen Positionen (insbesondere in England) — von Hans Kastendiek, Neokorporativismus? Thesen und Analyse-Konzepte in der westdeutschen Diskussion und in der internationalen „corporatism“-Debatte, in: Probleme des Klassenkampfs, H. 38, 10. Jg. (1980), S. 81 ff. Es hat eine Reihe von internationalen Konferenzen zu dieser Thematik stattgefunden, und es sind einige Sammelpublikationen erschienen, so der Band von U. von Alemann/R. G. Heinze (Hrsg.), Verbände und Staat. Vom Pluralismus zum Korporatismus, Opladen 1979, von Philippe C. Schmitter/Gerhard Lehmbruch (Hrsg.), Trends Toward Corporatist Intermediation, Beverly Hills/London 1979, sowie von U. von Alemann (Hrsg.), Neokorporatismus, Frankfurt a. M./New York 1981. Vgl. dazu auch die Ausführungen in: Rolf Ebbighausen, Politische Soziologie. Zur Geschichte und Ortsbestimmung, Opladen 1981, S. 199 ff., an die im folgenden angeknüpft wird.
Zum Konzept dieser ökonomischen Modernisierungs-und Strukturpolitik unter dem Einfluß sich verstärkender Krisenerscheinungen in der ersten Hälfte der siebziger Jahre vgl. u. a. Volker Hauff/Fritz W. Scharpf, Modernisierung der Volkswirtschaft. Technologiepolitik als Strukturpolitik, Frankfurt a. M./Köln 1975. Zur Kritik daran: Wolf-Dieter Narr/ Claus Offe, Was heißt hier Strukturpolitik? Neokorporativismus als Rettung aus der Krise, in: Technologie und Politik, 6, Dez. 1976, S. 5 ff.
Vgl. Josef Esser et al., Krisenregulierung — Mechanismen und Voraussetzungen, am Fall der saarländischen Stahlkrise, in: Leviathan, 7. Jg. (1979), S. 79 ff. Siehe außerdem: ders./Wolfgang Fach, Internationale Konkurrenz und selektiver Korporatismus, Beitrag für die 10. Tagung des Arbeitskreises Parteien/Parlamente/Wahlen der DVPW, Neuss, Febr. 1979.
Vgl. dazu u. a. die Beiträge von Wolfgang Streeck, „Gewerkschaftsorganisation und industrielle Beziehungen. Einige Stabilitätsbedingungen industriegewerkschaftlicher Interessenvertretung und ihre Lösung im westdeutschen System der industriellen Beziehungen“, und von Walther Müller-Jentsch, „Neue Konfliktpotentiale und institutionelle Stabilität“, sowie die Replik von W. Streeck Auf den Beitrag von Müller-Jentsch in: Politische Vierteljahresschrift, 20. Jg. (1979), S. 241 ff., 268 ff. u. 280 ff.
Vgl. dazu J. Habermas, Einleitung zu: ders. (Hrsg.), Stichworte zur‚Geistigen Situation der Zeit‘, Frankfurt a. M. 1979, 1. Bd., S. 7 ff, Zitat S. 25.
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Ebbighausen, R., Tiemann, F. (1984). Das Ende der Arbeiterbewegung in Deutschland? Lange Debatten und ein neuer Diskussionsband zum sechzigsten Geburtstag von Theo Pirker. In: Ebbighausen, R., Tiemann, F. (eds) Das Ende der Arbeiterbewegung in Deutschland?. Schriften des Zentralinstituts für sozialwissenschaftliche Forschung der Freien Universität Berlin. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-14481-6_1
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