Zusammenfassung
Die historische Rekonstruktion des Hilfe-Typus zeigt, daß es mit der Regulierung und Behebung von Not und Mangel um die Universalisierung einer individuell geltenden Reziprozitätspflicht in Form des äquivalenten Warentausches geht. Es ist diese doppelte Zielsetzung, die die Unmittelbarkeit des naturwüchsigen (und notwendig zufälligen) Almosenspendens überwindet, um sie anderen, nicht vom Armen her bestimmten Verpflichtungen zu unterwerfen: “der Herrschaft des sozialen Gesichtspunktes über das Almosen” (Simmel) oder konkreter: den Erfordernissen des kapitalistischen Verwertungsprozesses und seinem Interesse an der Aufrechterhaltung des Wertgesetzes. Das begründet die Notwendigkeit einer obrigkeitlich-staatlichen Vermittlung des Typus und die mit dieser Form gesetzten strukturellen Restriktionen. Einige wenige Argumentationsschritte müssen hier genügen, um die Verbindung zwischen Hilfe-Typus und makrosozialen Determinanten herzu-stellen.1
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Literatur
Ich verweise auf die bekannte materialistische Staatstheorie-und Sozialstaatsdiskussion, die hier nicht so umfassend rezipiert werden kann, wie es notwendig wäre.
vgl. z.B. Bernhard Blanke, Ulrich Jürgens, Hans Kastendiek, Zur neueren Marxistischen Diskussion über die Analyse von Form und Funktion des bürgerlichen Staats, in: Prokla, IV. Jg. 1974, Nr. 3, S. 51–1o2.
A. Sohn-Rethel, a.a.O., S. 74.
vgl. z.B. zur Infrastrukturdiskussion, Dieter Läpple, Staat und allgemeine Produktionsbedingungen, Berlin 1973.
Rolf Richard Grauhan, Rudolf Hickel, Krise des Steuerstaats?, in: dies., Krise des Steuerstaats?, Leviathan, SH 1, 1978, S. 14.
vgl. ebenda, S. 11.
vgl. auch O. Bujard, U. Lange, a.a.O., S. 186.
vgl. N. Luhmann, Lob der Routine, in: Verwaltungsarchiv, 55. Bd. 1964, H. 1, S. 8 f.
Ich verwende hier den trennschärfer zwischen Verberuflichung/Expertisierung und Professionalisierung unterscheidenden Professionalisierungsbegriff; vgl. den Exkurs: Professionalisiertes Handeln.
Jürgen Habermas, Erkenntnis und Interesse, Frankfurt 1968, S. 3o5 f.
vgl. auch G. Bergfleth, Theorie der Verschwendung, a.a.O., S. 339 f.
Timm Kunstreich spricht von “intendierter Symmetrie”; in: Der institutionalisierte Konflikt, Offenbach 1977, 2. Aufl., S. 121 ff.; und nur auf der Ebene der Absichten und mentalen Repräsentanz des Helfens findet sich der Begriff der Reziprozität; er ist aber in keinem Fall eine zentrale Kategorie der Sozialarbeiter-Klient-Beziehung, wie Knieschewski meint; Elmar Knieschewski, Sozialarbeiter und Klient, Weinheim, Basel 1978.
Mit dieser auf Handlungsstrukturen rekurrierenden Perspektive folge ich teilweise der These U. Oevermanns, der das Strukturproblem der Sozialarbeit als eines sich wechselseitig ausschließender Logiken therapeutischen und juristischen Handelns behauptet. Trotz dieses weiterführenden Ansatzes bleiben aber eine Reihe von Fragen offen und Probleme ungeklärt, die hier nicht behandelt werden können; vgl. auch den Exkurs: Professionalisiertes Handeln.
vgl. zu dieser Problematik auch U. Oevermann, Professionalisierung der Pädagogik - Professionalisierbarkeit pädagogischen Handelns, Vortragsmitschrift, Sommersemester 1981, FU Berlin, S. 24 f.
vgl. Stephan Leibfried, Vorwort zu: Frances F. Piven, Richard A. Cloward, Regulierung der Armut, Frankfurt 1977, bes. S. 5o-64.
Rechtssprechung Bundesverfassungsgericht: Kein Aussageverweigerungsrecht für Sozialarbeiter, in: Sozialpädagogische Korrespondenz Nr. 26, 1972, abgedr. in: Arbeitsfeldmaterialien zum Sozialbereich, Sozialarbeit zwischen Bürokratie und Klient, Offenbach 1978, S. 5o.
vgl. Talcott Parsons, Recht und soziale Kontrolle, in: KZffS, SH 11, 1967, S. 13o.
vgl. Grundbegriffe und Methoden der Sozialarbeit, hrsg. von Walter Andreas Friedländer und Hans Pfaffenberger, Neuwied, Berlin 1974, 2. Aufl., S. 19 ff. und die einschlägige Methodenliteratur.
vgl. Arbeitsgruppe 5, 333 “Soziale Fälle”, Freiburg 1976, 2. Aufl., S. 169; Funktion und Ideologie des Sozialstaates (I) - Sozialarbeit zwischen Bürokratie und Klient -, in: Sozialpädagogische Korrespondenz Nr. 7, 197o, abgedr. in: Arbeitsfeldmaterialien, a.a.O., S. 99.
o vgl. Arbeitsgruppe 5, a.a.O., S. 169.
vgl. Giselher Rüpke, Der verfassungsrechtliche Schutz der Privatheit, Baden-Baden 1976.
vgl. Eduard Parow, Die Dialektik des symbolischen Austauschs, Frankfurt 1973, S. 121 ff.
vgl. J. Matthes, Sozialarbeit als soziale Kontrolle?, a.a.O., S. 124.
Von hier aus sind Thesen, die die Sozialarbeit als “quasi willfähriges Ausführungsorgan bestimmter Machteliten” darstellen, nicht haltbar; vgl. E. Knieschewski, Sozialarbeiter und Klient, a.a.O., S. 18.
vgl. T. Parsons, Recht und soziale Kontrolle, a.a.O., S. 128 f.
Im folgenden wird der von U. Oevermann und einem Kreis von Mitarbeitern und Studenten betriebene Versuch, die klassische soziologische Professionalisierungstheorie zu reformulieren, referiert. Die Schlußfolgerungen im Hinblick auf die Bestimmung des Handlungsproblems der Sozialarbeit können jedoch nicht uneingeschränkt geteilt werden; insbesondere wäre auch zu prüfen, ob die darin enthaltene implizite Annahme, daß das soziale Kontrollhandeln der Sozialarbeit strukturell gleichzusetzen sei mit der Logik normenbestandssetzenden Rechtshandelns, zutreffend ist. Diese Vorbehalte erklären auch den neuen Status des Exkurses, der diesem Abschnitt in der überarbeiteten Fassung zugewiesen wurde. Dennoch bietet dieser Theorieversuch vor allem mit Blick auf die Logik therapeutischen Handelns eine nützliche heuristische Kontrastfolie für die Analyse sozialarbeiterischen Handelns.
vgl. Thomas Humphrey Marshall, The Recent History of Professionalism in Relation to Social Structure and Social Policy, in: ders., Class, Citizenship and Social Development, New York 1963.
vgl. T. Parsons, Recht und soziale Kontrolle, a.a.O.; ders., Struktur und Funktion der modernen Medizin, in: KZfSS, SH 3, 1968, S. lo-57; ders., Die akademischen Berufe und die Sozialstruktur, in: ders., Beiträ-ge zur soziologischen Theorie, hrsg. u. eingel. von Dietrich Rüschemeyer, Neuwied, Berlin 1964, S. 16o-179.
vgl. U. Oevermann, Professionalisierung der Pädagogik, a.a.O., S. 3.
Protokoll vom 28.11.1979 zum Seminar von U. Oevermann: Rekonstruktion sozialer Deutungsmuster anhand von Dokumenten des Alltagslebens, Frankfurt, Wintersemester 1979/8o, S. 4.
U.Oevermann, Professionalisierung der Pädagogik, a.a.O., S. 27.
J. Habermas, a.a.O., S. 289.
Ebenda, S. 289.
Protokoll vom 2./3.2.198o zum Seminar: Rekonstruktionchrw(133), a.a.O., S. 4. lo mündliche Ausführung von U. Oevermann.
vgl. zum Deutungsmusteransatz, U. Oevermann, Zur Analyse der Struktur von sozialen Deutungsmustern, unveröffentlichtes Manuskript, Berlin 1973.
vgl. Lothar Hack, H.G. Brose u.a., Leistung und Herrschaft, Frankfurt 1979, S. 8 f.
vgl. U. Oevermann, Zur Analysechrw(133), a.a.O., S. 11.
entsprechend bleiben die Ausführungen dieses Abschnittes notwendig vage; hier soll nur die Richtung für weitere Untersuchungen angedeutet werden.
M. Foucault, Mikrophysik der Macht, Berlin 1976, S. 97.
vgl. H. Scherpner, a.a.O., S. 9o.
vgl. D. Peyser, a.a.O., S. 6o; allein in London soll es 1784 7o5 solcher Gesellschaften gegeben haben. Im deutschen Raum erfolgten die Gründungen vor allem im Nordwesten; vgl. ebenda, S. 6o.
“Zunächst ist diese ‘Delicatesse’, diese Sensibilität und das besonders entwickelte Gefühl für ’Peinliches’ unterscheidendes Merkmal kleiner, höfischer Kreise, dann der höfischen Gesellschaft.chrw(133) Worauf sie sich gründet, und warum die ‘Delicatesse’ gebietet, dies zu tun und jenes zu lassen, wird nicht gesagt und nicht gefragt. Was sich sehen läßt, ist einfach, daß die ‘Delicatesse’ oder anders ausgedrückt, die Peinlichkeitsschwelle vorrückt.”; N. Elias, Über den Prozeß der Zivilisation, Bd. 1, a.a.O., S. 154.
Adolph Freiherr von Knigge, Über den Umgang mit Menschen, Hannover 1788, reprographischer Nachdruck Darmstadt 1976, S. 265 f.
Ebenda, S. 166.
vgl. G. Simmel, a.a.O., S. 348; Erving Goffman, Interaktionsrituale, Frankfurt 1975, S. 35, Anm. 22.
Adolph Freiherr von wurde ein erster Jahreskurs für Frauen eingerichtet, der für die Arbeit in der Wohlfahrtspflege ausbildete. 19o5 wurde die “Christlich-Soziale.. Frauenschule” in Hannover gegründet; 19o8 die “Soziale Frauenschule” in Berlin; bis 1919 waren 26 Ausbildungsstätten entstanden; vgl. M. Nowicki, a.a.O., S. 77.
vgl. Horst Eberhard Richter, Lernziel: Verantwortung für den Nächsten, in: Die Zeit v. 14.3.198o, S. 16.
wie es noch in modernen, gegen die “kalte” berufliche Arbeit protestierende Titel durchscheint: der “engagierte Dialog” wird gefordert; das “befohlene Desinteresse” beklagt.
Nicht zufällig enden Diskussionen um Veränderungsnotwendigkeiten und -strategien und um Verzicht auf die Hilfe-Moral gewöhnlich mit dem Einwand: Es geht doch um Menschen!
Insofern irrt Peters, wenn er schreibt, daß die Berufsstruktur des Arztes oder Anwaltes die Helferrolle begründen kann; diese erbringen funktionsspezifische Problemlösungen und keine Hilfe; vgl. H. Peters, Die mißlungene Professionalisierung der Sozialarbeit, in: KZfSS, 22. Jg. 197o, H. 2, S. 35o f.
das gilt natürlich auch für subjektive Rekonstruktionen ingenieuraler Tätigkeiten oder bürokratischen Regeln folgendes Handeln.
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Sahle, R. (1987). Analysen. In: Gabe, Almosen, Hilfe. Beiträge zur sozialwissenschaftlichen Forschung, vol 88. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-14423-6_3
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Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden
Print ISBN: 978-3-531-11816-1
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