Zusammenfassung
Die Auswahl des politischen Personals ist in der Bundesrepublik faktisch ein Monopol der Parteien. Bevor bei der Bundestagswahl der erste Stimmzettel in die Urne geworfen wird, stehen 60–70% der Bundestagsabgeordneten bereits fest: Wer in einem sicheren Wahlkreis oder im sicheren Teil einer Landesliste kandidiert, kann nur durch einen Erdrutsch daran gehindert werden, in den Bundestag einzuziehen (1).
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Anmerkungen
Nimmt man als groben Indikator für „sichere“ Wahlkreise einen Zweitstimmen-abstand zwischen den beiden stärksten Parteien von mindestens 10% bei der vorhergegangenen Bundestagswahl, so waren vor der Bundestagswahl 1969 160 von 248 Wahlreisen sicher (CDU/CSU 113, SPD 47). Etwa ebenso viele Landeslistenplätze lassen sich vorher als sicher ausmachen. Hier ist die Berechnung schwieriger, weil der Umfang des erfolgreichen Listenteils von der Zahl der gewonnenen Wahlkreise im Bundesland abhängt.
Mitgliederzahlen der im Bundestag vertretenen Parteien (Stand Anfang 1969): SPD 731 000 CDU 285 000 CSU 110 000 FDP 80 000 zus. 1 206 000 (nach Angaben der Parteien) Wahlberechtigte zur Bundestagswahl 1969: 38,5 Millionen
Vgl. Ulrich Lohmar, Innerparteiliche Demokratie, Stuttgart 1963, S. 40 f.; Renate Mayntz, Parteigruppen in der Großstadt, Untersuchungen in einem Berliner Kreisverband der CDU, Köln und Opladen 1959; K. Kaufmann, H. Kohl, P. Molt, Die Auswahl der Bundestagskandidaten 1957 in zwei Bundesländern, Köln 1961, S. 97.
Vgl. H. Peters, „Zur Kandidatenaufstellung für freie demokratische Wahlen“ in: Vom Bonner Grundgesetz zur gesamtdeutschen Verfassung, Festschrift für Nawiasky, München 1956, S. 354.
Z. B. G. Diirig, Th. Ellwein und E. K. Scheuch in einer besonderen Stellungnahme in: Zur Neugestaltung des Bundestagswahlrechts, Bericht des vom Bundesminister des Innern eingesetzten Beirats für Fragen der Wahlrechtsreform, Bonn 1968, S. 63 ff.
Ebenda, S. 65
In v. d. Heydte—Sacherl, Soziologie der deutschen Parteien, S. 44.
E. J. Jung, Die Herrschaft der Minderwertigen, 2. Aufl. Berlin 1930.
Z.B. in Wirtschaft und Gesellschaft (Studienausgabe, hrsg. v. J. Winckelmann, 2. Halbbd., Köln—Berlin 1964), S. 1084 ff.
Vgl. die bei J. H. Knoll, Führungsauslese in Liberalismus und Demokratie, Stuttgart 1957, S. 225 ff. angeführten Stellungnahmen von E. Gerstenmeier, G. Schröder, A. Hundhammer, E. Lemmer, H. J. Schoeps und F. Sieburg; vgl. auch M. Freund, Das Eliteproblem in der modernen Politik, München 1954.
Knoll (Anm. 10), S. 162 ff.
Ebenda, S. 28.
Am extremsten bei H. Schelsky, Der Mensch in der wissenschaftlichen Zivilisation, Köln und Opladen 1961; neuere Kritik an diesem Ansatz aufnehmend auch bei Schelskys Schüler U. Lohmar, Wissenschaftsförderung und Politik-Beratung — Kooperationsfelder von Politik und Wissenschaft in der BRD, Gütersloh 1967.
Vgl. Lohmar (Anm. 13).
Zur Neugestaltung… (Anm. 5), S. 48.
Vgl. zu diesen Begriffen und zur Möglichkeit, systemtheoretische Modelle mit demokratischen Zielfunktionen zu verbinden F. Naschold, Organisation und Demokratie, Stuttgart 1969, S. 53 ff.
Lohmar (Anm. 3), S. 9 f.
So z. B. Abendroth, Innerparteiliche und innerverbandliche Demokratie als Voraussetzung der politischen Demokratie, in PVS, V (1964), 307 ff.; zur Bundestagswahl 1969 H. Bilstein, Kandidatenaufstellung oder Wie demokratisch sind unsere Parteien? in: Gegenwartskunde, Jg. 18 (1969), 3–16
’Mit dem gesamten Komplex der Erweiterung des Kreises der Nominierenden beschäftigte sich ausführlich die erste vom Bundesinnenminister eingesetzte Wahlrechtskommission, vgl. Grundlagen eines deutschen Wahlrechts, Bonn 1955.
Vgl. S. 2
Bilstein (Anm. 18), S. 15.
Vgl. Abendroth (Anm. 18), S. 332.
Vgl. die Erörterung solcher das Repräsentativprinzip sprengenden Modelle bei Naschold (Anm. 16), S. 62 ff.
Den Vorrang der Verantwortung vor dem Wähler im Vergleich zu der vor den Parteimitgliedern betont besonders R. T. MacKenzie, British Political Parties, 2. Aufl. London 1963; im Anschluß an MacKenzie für Deutschland Dieter Hilger: „Die demokratischen Parteien und die Parteidemokratie“ in: Hamburger Jahrbuch für Wirtschafts-und Gesellschaftspolitik, 1. Jahr, Tübingen 1956, S. 176 ff.
Vgl. z. B. Lohmar (Anm. 3); Mayntz (Anm. 3); vgL auch R. Mayntz, „Lokale Parteigruppen in der kleinen Gemeinde“ in ZfP, II (1955), S. 59 ff.
Diese Hypothese ist für die Bundesrepublik noch nicht empirisch bestätigt worden. Sie erscheint dem Verf. aus seiner eigenen Kenntnis innerparteilicher Vorgänge heraus plausibel.
Die Einzelheiten der innerparteilichen Oligarchisierung können hier nicht dargestellt werden. Vgl. dazu R. Michels, Zur Soziologie des Parteiwesens in der modernen Demokratie, 2. Aufl. Stuttgart 1925; die in Anm. 3 angegebene Literatur sowie B. Zeuner, Innerparteiliche Demokratie, Berlin 1969.
Die im folgende erwähnten Untersuchungsergebnisse beruhen, soweit nichts anderes angemerkt ist, auf einer Studie des Verf. Vgl. B. Zeuner, Die Aufstellung der Kandidaten zur Bundestagswahl 1965, Den Haag 1970.
Ein geringfügiges Übergewicht der Wahlkreisabgeordneten kann nur durch die selten auftretenden Überhangmandate entstehen. 1965 und 1969 gab es keine Überhangmandate.
Das Bundeswahlgesetz erlaubt auch eine Nominierung durch Mitgliederversammlungen der Parteien. Dies kommt faktisch bei den großen Parteien nur sehr selten und nur dann vor, wenn der Kandidat schon vorher feststeht und ihm besonders wirkungsvoll akklamiert werden soll.
U. W. Kitzinger, German Electoral Politics, Oxford 1960, S. 75.
Das Bundeswahlgesetz läßt auch eine „nach der Satzung allgemein für bevorstehende Wahlen… bestellte Versammlung“ als Wahlkreisdelegiertenversammlung zu. (§ 22, Abs. 2).
wurde nur in einem Falle, und zwar vom Landesvorstand Hannover der CDU, vom Einspruchsrecht Gebrauch gemacht — ohne Erfolg.
Unter „Funktionären“ wird hier wie überall in diesem Aufsatz die Gruppe der in eine Funktion gewählten ehrenamtlichen Mitarbeiter, nicht die hauptamtliche Parteibürokratie, verstanden.
Vereinigungen der CDU sind gem. Statut vom 7. 11. 1968: Junge Union, Frauenvereinigung, Sozialausschüsse, Kommunalpolitische Vereinigung, Mittelstands-Vereinigung, Wirtschaftsvereinigung, Union der Vertriebenen und Flüchtlinge.
Darunter die Abgeordneten Rehs, Renger und Lohmar. Die beiden letztgenannten erhielten später Plätze im Listenkontingent des Bezirks Ostwestfalen-Lippe.
Dies gilt nicht für die Stadtstaaten und das Saarland, wo die meisten Parteien Listen und Wahlkreise in einem einheitlichen Prozeß besetzen.
Lohmar (Anm. 3), S. 92 ff.
Ebenda, S. 95.
Dies galt 1965 insbesondere für die CDU des Rheinlandes, vgL auch E. Ritterbach, Die Aufstellung der Landesliste der CDU in Nordrhein-Westfalen zur Bundestagswahl 1965, soziologische Diplomarbeit an der Universität Köln, 1966/7, unveröffentlichtes Manuskript, S. 45 ff.
Dies galt z. B. 1969 bei der CDU Rheinland für die Sozialausschußvertreter Budde und Exner; es gilt sehr häufig für Vertreter der Jungen Union, die das Höchstalter dieser Vereinigung, 40 Jahre, überschritten haben.
So kandidieren bei der SPD häufig Gewerkschafter in überwiegend ländlichen Wahlkreisen.
Systematische Untersuchungen über die Wahlkreistätigkeit der Bundestagsabgeordneten fehlen bisher. Die hier vorgetragenen Ergebnisse entstanden als Nebenprodukte der Untersuchung des Verf. zur Kandidatenaufstellung.
Als Ausnahme kann allenfalls die Nicht-Wiederaufstellung Max Brauers bei der SPD im Wahlkreis 15 gelten, doch spielte hier das hohe Alter Brauers eine ebenso wichtige Rolle wie sein von der Parteilinie abweichendes politisches Verhalten.
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Zeuner, B. (1971). Wahlen ohne Auswahl — Die Kandidatenaufstellung zum Bundestag. In: Steffani, W. (eds) Parlamentarismus ohne Transparenz. Kritik, vol 3. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-14350-5_8
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