Zusammenfassung
Im Ausdifferenzierungsprozeß moderner politischer Systeme stellt die Entwicklung bürokratischer Organisationsformen eine entscheidende Stufe der Rationalisierung politischen Handelns dar. Bürokratisierung, d. h. die Standardisierung von Entscheidungsabläufen und deren spezialisierte und routinemäßige Durchführung ermöglicht die Aufstellung von Konditionalprogrammen und damit — wenn systemweit entwickelt — eine Steigerung zumindest der formalen Rationalität des politischen Systems (1). Diese Form der Leistungssteigerung politischer Systeme verhilft zur Bewältigung zahlreicher Engpässe im Entscheidungsprozeß, gleichzeitig wirft sie jedoch ebenso zahlreiche wie gewichtige Folgeprobleme auf: Bürokratisierung ist nur für ganz bestimmte Entscheidungsbereiche eine adäquate Rationalisierungsstrategie, sie führt selbst in dafür geeigneten Handlungsbereichen zu dysfunktionalen Nebenfolgen, sie wirft verstärkt das zentrale Problem des Verhältnisses von Demokratie und Effektivität in komplexen Gesellschaften auf.
Manuskript abgeschlossen April 1969
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Anmerkungen
Vgl. zu diesem Problemkreis u. a. M. Weber, Wirtschaft und Gesellschaft, Tübingen 1922; T. Parsons, Societies: Evolutionary and comparative perspectives, Englewood Cliffs 1966;N. Luhmann, Zweckbegriff und Systemrationalität, Tübingen 1968; H. Marcuse, Industrialisierung und Kapitalismus im Werk Max Webers, in: Kultur und Gesellschaft II, Frankfurt 1965.
Siehe u. a. K. Lenk, Aspekte der gegenwärtigen Planungsdiskussion in der Bundesrepublik, in: PVS 1966; K. Schiller, Sozialismus und Wettbewerb, Hamburg 1955.
Einen guten Überblick über Teile der Diskussion bietet V. Ronge,Die neuere Diskussion über Planung im Regierungssystem der Bundesrepublik Deutschland. Dipl. Arbeit, Berlin 1969.
Siehe R. Dahrendorf,Markt und Plan, Tübingen 1961; ders., Gesellschaft und Demokratie in Deutschland, München 1965, S. 68 f.; und in weiterentwickelter Form: Ph. Herder-Dorneich,Der Markt und seine Alternativen in der freien Gesellschaft, Wien/Freiburg 1968.
Vgl. u. a. W. Abendroth, Alternativen der Planung, in: Jungk/Mundt, Der Griff nach der Zukunft, Planen und Freiheit, München 1964; Leibfried Quilisch, Planung im Sozialstaat, in: Atomzeitalter 1967.
Siehe K. Kästner,Gesamtwirtschaftliche Planung in einer gemischten Wirtschaftsordnung, Göttingen 1966, S. 7 ff.; H. H. Hartwich,Konturen einer neuen ökonomischen Politik, in: ZfP 1967.
Damit wird nicht die Plausibilität der Konvergenztheorie unterstellt, deren Hypothesen in der Tat zu schwach fundiert sind. Vgl. die Beiträge von K. C. Thalheim und J. Tinbergen, in: E. Boettcher, Wirtschaftsplanung im Ostblock — Beginn einer Liberalisierung? Stuttgart 1966; E. Bregel, Marxismus und Konvergenztheorie, in: Marxismus in unserer Zeit, Sonderheft 1968.
Vgl. u. a. H. Tenbruck, Zu einer Theorie der Planung, in: Wissenschaft und Praxis, Köln 1967;H. Schelsky, Planung der Zukunft, in: Soziale Welt 1966.
Siehe J. Kölble,Pläne im Bundesmaßstab oder auf bundesrechtlicher Grundlage, in: J. Kaiser,Planung I, Baden-Baden 1965.
Thomas Ellwein, Politik und Planung, Stuttgart 1968.
Siehe dazu N. Luhmann,Status quo als Argument, in: H. Baier (Hg.), Studenten in Opposition, Gütersloh 1968, S. 74 ff.
Vgl. als ein Beispiel für diese Tendenz O. Helmer: Social technology, New York 1966, S. 3 ff., 32 ff.
Siehe Luhmann,a.a.O., S. 76 ff.
Diese Position beziehen neben Luhmann nachdrücklich auch Lindblom/ Braybrooke,A strategy of decision, New York 1963, sowie A. Wildavsky,The politics of the budgetary process, Boston 1964.
Luhmann, a.a.O., S. 78; ähnliche Formulierungen finden sich bei Tenbruck, a.a.O.. S. 127 ff.
Vgl. u. a. den Sammelband: Die Linke antwortet Jürgen Habermas,Frankfurt 1968; Bergmann, Brandt, Offe u. a., Herrschaft, Klassenverhältnis und Schichtung in: Spätkapitalismus oder Industriegesellschaft? Verhandlungen des 16. Deutschen Soziologentages, Stuttgart 1969, S. 67 ff. C. Offe,Politische Herrschaft und Klassenstrukturen, in: Politikwissenschaft, Hrsgb. von Gisela Kress und Dieter Senghaas,Frankfurt 1969, S. 155 ff. Die erhebliche interne Varianz einzelner Aussagenkomplexe im Rahmen dieser Metatheorie kann hier nicht weiter berücksichtigt werden.
Vgl. R. Opitz,Der große Plan der CDU: die Formierte Gesellschaft, in: Blätter für deutsche und internationale Politik 1965; O. Negt,In Erwartung der autoritären Leistungsgesellschaft, in: Schäfer/Nedelmann, De CDU-Staat, München 1967, S. 200 ff.
Siehe dazu N. Luhmann,Die Knappheit der Zeit und die Vordringlichkeit des Befristeten, in: Die Verwaltung 1968, S. 23 ff.
Vgl. dazu näher: F. Naschold,Demokratie und Komplexität, in: PVS 1968, S. 494 ff.
Zur Auseinandersetzung mit möglichen Reformstrategien siehe F. Naschold,Kassenärzte und Krankenversicherungsreform. Zur einer Theorie der Statuspolitik, Freiburg 1967, S. 265 ff.
Vgl. dazu näher, auch mit jeweiligen Einzelnachweisen F. Naschold,Demokratie und Komplexität, a.a.O., S. 506 ff.
Siehe N. Luhmann,Komplexität und Demokratie, in: PVS 1969, sowie die kurze Replik des Verfassers.
Zur Ausarbeitung dieser speziellen Fragestellung am Beispiel komplexer Organisationen vgl. F. Naschold, Organisation und Demokratie, Stuttgart 1969.
Aus der Fülle von Literatur zu diesem Problemkreis sollen im speziellen noch genannt werden die Arbeiten von K. D. Wüstneck,Der kybernetische Charakter des neuen ökonomischen Systems und die Modellstruktur der Perspektivplanung als zielstrebiger, kybernetischer Prozeß, in: Deutsche Zeitschrift für Philosophie 1965; H. Greniewski,Kybernetik und Planung, in: Wirtschaftswissenschaft 1963; H. Denzer,Kybernetische Planung und politische Ordnungsform, in: Zeitschrift für Politik 1968.
Die nachfolgende Analyse stellt zugleich einen ersten und damit vorläufigen Vorgriff auf ein längerfristig konzipiertes Forschungsvorhaben über die mehrjährige Finanzplanung in der BRD dar. Der Verfasser hat bei seinen bisherigen Vorarbeiten vor allem Frl. Hedrich vom Seminar für wissenschaftliche Politik in Tübingen für wertvolle Hilfe zu danken. Zu besonderem Dank ist er zahlreichen Beamten und Politikern verpflichtet, ohne deren bereitwillige Unterstützung in den meisten Fragen die Arbeit nicht über ihr allererstes Anfangsstadium hinausgekommen wäre.
Vgl. dazu K. W. Deutsch, The nerves of government, New York 1966, S. 96 f.
Siehe dazu F. Naschold, Systemsteuerung, Stuttgart 1969, S. 162 f.
Vgl. H. J. Arndt, West Germany-Politics of non-planning, Syracuse 1966.
Vgl. Kölble, a.a.O., mit einem breiten, wenn auch gedrängten Uberblick.
Siehe dazu A. Shonfield, Geplanter Kapitalismus, Köln/Berlin 1968, S. 284 ff.
Zur Literatur zur Finanzpolitik und Finanzplanung siehe neben Hartwich,a.a.O., vor allem H. Schlömann,Mittelfristige Finanzplanung, in: Beiträge des Deutschen Industrieinstituts 1967, Heft 8/9, sowie: Mittelfristige Finanzplanung, Beihefte der Konjunkturpolitik Heft 15, Berlin 1968; Finanzarchiv 1968, Heft 1–2; J. Hirsch,Haushaltsplanung und Haushaltskontrolle, Stuttgart 1968.
Siehe dazu Hirsch,a.a.O., S. 125 ff.; F. Schäfer,Der Deutsche Bundestag, Köln und Opladen 1967, S. 260.
Vgl. J. Hirsch, Staatsverwaltung und Spätkapitalismus, in: Blätter für deutsche und internationale Politik 1969, S. 150 ff.; E. Altvater/Ch. Neusüss, Bemerkungen zum Paper von J. Hirsch, Ms. 1968.
Siehe C. Offe,a.a.O., S. 22 ff.
Vgl. dazu V. Cangelosi/W. Dill,Organizational learning, in: Administrative Science Quaterly 1965/66.
Zur Darstellung der einzelnen Maßnahmen siehe näher Hartwich,a.a.O., S. 429 ff.
Siehe Schlömann,a.a.O., S. 20 ff., sowie Hartwich,a.a.O., S. 435 ff.
Vgl. die in Anm. (33) angegebene Literatur
Siehe Cangelosi/Dill,a.a.O.
Vgl. den guten Überblick bei P. Grottian,Ansätze für eine Planung im Bereich der Bundesregierung, Dipl.-Arbeit, Berlin 1969. Siehe dazu auch allgemein: W. Meinhold,Planifikation und Planwirtschaft, in: Zeitschrift für Politik 1966 bes. S. 151 f.
Vgl. R. Presthus,Individuum und Organisation, Frankfurt 1966, S. 171 ff.
Siehe R. Likert, New patterns of management, New York 1961, S. 100.
Siehe U. J. Heuer,Gesellschaft und Demokratie, in: Staat und Recht 1967/6. Der theoretische Nachweis für diese These wird in Abschnitt IV kurz angedeutet werden.
Die folgenden Ausführungen stellen eine äußerst geraffte Zusammenstellung der relevanten Literatur unter der spezifischen Fragestellung dar. Auf Einzelnachweise wird verzichtet, es werden jeweils nur wenige Titel aufgeführt. Zur theoretischen Explikation der den Ausführungen dieses Abschnittes zugrunde liegenden These vgl. F. Naschold,Vernachlässigte Aspekte der Regierungs-und Verwaltungsreform in der Bundesrepublik Deutschland — Überarbeiteter Vortrag vor der Projektgruppe „Regierungs-und Verwaltungsreform beim Bundesminister des Inneren“, in: Kommunikation — Zeitschrift für Planung und Organisation 1969; vgl. auch allgemein: C. W. Churchman,Challenge to reason, New York 1968, S. 65 ff.
Siehe u. a. H. Eckstein, Pressure group politics, Stanford 1960, s. 151 ff.; W. D. Narr, CDU—SPD. Programm und Praxis seit 1945, Stuttgart 1966; B. Zeuner, Innerparteiliche Demokratie, Berlin 1968; F. Naschold, Organisation und Demokratie, a.a.O.; R. Wildenmann, Partei-Identifikation in der Bundesrepublik, in: Parteiensysteme, Parteiorganisationen und die neuen politischen Bewegungen, Berlin 1968.
Vgl. u. a. D. Truman, The governmental process, New York 1962; F. Naschold, Zur Theorie der Verbände, in: Einführung in die moderne politische Theorie III; C. Offe, a.a.O.; O. Schlecht, Konzertierte Aktion als Instrument der Wirtschaftspolitik, Tübingen 1968.
Vgl. u. a. W. Euchner, Der Parlamentarismus der BRD als Gegenstand politikwissenschaftlicher Untersuchungen, in: PVS 1969, S. 388 ff. G. Loewenberg, Parliament in the German political system, New York 1967; U. Lohmar, Zielsetzung und Methodik politischer Planung, in: Die neue Gesellschaft 1967/6.
Vgl. u. a. K. M. Hettlage, Probleme einer mehrjährigen Finanzplanung, in: Finanzarchiv 1968; ders., Diskussionsbeitrag, in: Beihefte der Konjunkturpolitik, a.a.O.; Schlömann, a.a.O.; sowie die beiden Kommentare zum Stabilitätsgesetz von A. Mähler, 1968, und Stern/Münch, 1967; siehe auch U. Lohmar, a.a.O.
Vgl. neben Grottian, a.a.O., Die Staatskanzlei, in: Schriftenreihe der Hochschule Speyer Bd. 34, Berlin 1967; G. Behrendt, Das Bundeskanzleramt, Frankfurt 1967.
Vgl. Schlömann, a.a.O., S. 20 ff.; Wolkersdorf, a.a.O., S. 31 ff.
Siehe zur allgemeinen Problematik vor allem R. Rose,Party government vs. administrative government, in: Parteiensystemechrw(133), S. 209 ff.
Zur Kontingenzthese vgl. bes. N. Luhmann, Komplexität und Demokratie, in: PVS 1969. Die Ausführungen in diesem Abschnitt sind auf theoretischer Ebene vor allem als Beitrag zu einer Auseinandersetzung mit dieser These gedacht.
Vgl. u. a. G. Black, The application of systems analysis to government operations, New York 1968; R. Bauer/K. Gergen, The study of policy formation, New York 1968.
Siehe dazu insbesondere B. Gross,The state of the nation: social systems accounting, in: R. Bauer,Social indicators, Cambridge 1966.
Vgl. zu diesem Problemkreis: Konjunktursteuerung und kommunale Selbstverwaltung — Spielraum und Grenzen, Deutscher Juristentag, München 1968; G. Hagemann, Beziehungen zwischen mittelfristiger Finanzplanung und Finanzverfassung im föderativen Staat unter besonderer Berücksichtigung der Verhältnisse in der BRD, in: Mittelfristige Finanzplanung, a.a.O.; H. Haller, Wandlungen in den Problemen föderativer Staatswirtschaften, in: Finanzarchiv 1968.
Siehe u. a. K. W. Deutsch,a.a.O., S. 98 ff.
Vgl. u. a. Wildaysky,a.a.O., sowie Wildaysky/Hammond,Comprehensive versus incremental budgeting in the department of agriculture, in: Administrative Science Quaterly 1965/66.
Siehe u. a. Wolkersdorf,a.a.O., S. 44;Schlömann,a.a.O., S. 18 ff.
Siehe u. a. Bachrach/Baratz,Two faces of power, in: Am. Pol. Sc. Rev. 1962; die noch unveröffentlichte Baltimore-Studie von Bachrach; Pilisuk/Hayden,Is there a military industrial complex which prevents peace? in: Journal of social issues, 1965; sowie Luhmann,in: Baier,a.a.O., S. 79 ff., Offe,a.a.O., S. 26 ff; Naschold,1967, S. 265 ff.
Vgl. u. a. K. Stern,Konjunktursteuerung und kommunale Selbstverwaltung, Spielraum und Grenzen, München 1968; Stern /Munch,a.a.O., S. 49 ff.
Zur Gesamtproblematik vgl. bes. W. Bennis, Changing organizations, New York 1966.
Vgl. F. Morstein Marx, Regierungsprogramm und Haushaltsplanung in vergleichender Sicht, in: PVS 1965, S. 458.
Siehe Schlömann,a.a.O., S. 20 f.; Wolkersdorf,a.a.O., S. 39.
Dazu siehe Luhmann,Komplexität und Demokratie, a.a.O., S. 15.
Siehe dazu die organisationstheoretischen Erörterungen bei M. Crozier,Le phénomène bureaucratique, Paris 1963, Teil III und IV.
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Naschold, F. (1971). Anpassungsplanung oder politische Gestaltungsplanung? Zur politischen Planung in der BRD am Beispiel der mehrjährigen Finanzplanung. In: Steffani, W. (eds) Parlamentarismus ohne Transparenz. Kritik, vol 3. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-14350-5_4
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