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Theorie der Interpretation

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Part of the book series: Konzeption Empirische Literaturwissenschaft ((KEL,volume 27))

Zusammenfassung

Der Begriff der Interpretation hat, ähnlich wie auch sein griechischer Verwandter “Hermeneutik”, von jeher ein doppeltes Gesicht. Einmal enthält er den Aspekt des Vermitteins, des Überbringens einer Botschaft, und vertritt also den Verbindungsakt in einem Kommunikationsprozeß. Andererseits gilt dabei die Voraussetzung, daß das, was vermittelt werden soll, nicht direkt zugänglich, sondern in einer gewissen Weise verschlüsselt oder zumindest in Zeichen kodiert ist, was einen Akt des Entschlüsseins und Verstehens erfordert. Insofern trägt der Begriff der Interpretation den Aspekt der Bedeutungs-Ermittlung. So unterscheidet Schleiermacher am Anfang seiner “Hermeneutik” die Kunst des Verstehens von der Kunst der Darlegung des Verständnisses (1977, 75). Die beiden Aspekte sind nicht immer gleich stark vertreten. Wenn man sich für sich selber um ein besseres Verstehen bemüht, interpretiert man für sich selbst, und dann handelt es sich in erster Instanz um die Ermittlung von Bedeutungen. Zwar ist der Aspekt der Vermittlung inhärent, indem man aktiv die Brüche im spontanen Verstehen zu überbrücken und also gleichsam zwischen sich selbst und dem, was im Text fremd ist, zu vermitteln versucht. Aber erst, wenn es darum geht, anderen einen Text näher zu bringen oder andere von der eigenen Bedeutungsermittlung zu überzeugen, tritt der Aspekt der Vermittlung nach außen und wird Vermittlung als Scharnier in einem weiteren Kommunikationsakt sichtbar.

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Referenzen

  1. Siehe für eine Erörterung des Kriteriums der Relevanz für andere Barnes (1988).

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  2. Für die Interpretationstheorie sei hier zum Beispiel auf Pfister (1980) verwiesen.

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  3. Einen Überblick über Textverarbeitungsmodelle und Forschungsergebnisse bieten zum Beispiel Van Dijk & Kintsch (1983), Groeben (1983) und Grzesik (1990).

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  4. In neueren Theorien zur Bestimmung des Ästhetischen bzw. des Literarischen hat man vor allem auf Effekte wie Verfremdung, Deautomatisierung und Anregung zu neuen Sichtweisen hingewiesen, und zwar im Zusammenhang mit Verfahren, die Konventionen im Sprachgebrauch sprengen und dadurch den sprachlichen und textuellen Erwartungen zuwiderlaufen. Durch die “Abweichung” von der “Norm” werden Leser beim Verstehen angehalten und gleichsam gezwungen nach neuen “Lösungen” zu suchen. Man denke zum Beispiel an die Theorien Šklovskys, Mukařovskýs und Brechts.

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  5. Als kohärent bezeichne ich eine Deutung, die Einheitlichkeit in der Fragestellung, in den Lösungsverfahren und im Resultat aufweist. Es handelt sich hier vor allem um den Zusammenhang der ausgeführten Prozeduren und um die Strukturierung der Argumentation; das hat also nichts mit Vereinheitlichung der Textbedeutung zu tun.

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  6. Für den Fall Kafka spielt von Anfang an die Frage eine Rolle, ob und wie weit das fiktionale Werk und die autobiographischen Schriften trennbar sind. Manche Argumente sprechen dafür, Briefe und Tagebücher einfach dem schriftstellerischen Œuvre zuzurechnen. Viele Entwürfe, Träume und Argumentationen, die in den “Egodokumenten” enthalten sind, haben oft eine starke Ähnlichkeit mit dem, was der Fiktion angehört. Was den ‘Brief an den Vater’ anbelangt, scheint man sich noch immer nicht sicher zu sein, ob er aus Formgründen eher den Erzählungen zuzurechnen sei, oder wegen des autobiographischen Gehaltes anders charakterisiert werden soll. Umgekehrt ist es auch kaum möglich, allgemeine, philosophische oder religiöse Betrachtungen aus den Schriften herauszulösen. Anz (1989) führt eine Reihe von Argumenten für die Untrennbarkeit von Autobiographischem und Nicht-Autobiographischem an. Als psychologische Motivation wird vorgebracht, das Briefeschreiben habe für Kafka dieselbe Funktion gehabt wie das Schreiben von Fiktion, nämlich das Leben — Arbeit, soziale Kontakte, Auseinandersetzung mit Lebensfragen — zugleich zu bewältigen und fernzuhalten (vgl. Deleuze & Guattari 1976 zu Kafkas Briefwechsel mit Milena). Elias Canetti (1969/1984) hat Zusammenhänge zwischen der mühseligen Relation mit Felice Bauer und der Arbeit an “Der Prozeß” ausgearbeitet. Kaum ein Interpret unterläßt denn auch bei der Interpretation eines einzelnen Werkes die Bezugnahme auf andere Schriften. Im Gegenteil, es ist durchaus üblich, aus Briefen und Tagebüchern das herauszunehmen, was in die Argumentation hineinpaßt. Sogar Interpreten, die ausgesprochen textorientiert arbeiten, verzichten darauf schließlich nicht.

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  7. Siehe für die Entwicklung des Formalismus und Strukturalismus zum Beispiel Fokkema & Ibsch (1978).

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  8. Nicht ganz klar ist, wie sich die Bewegungen des Strukturalismus und des New Criticism zueinander verhalten. Bestimmte Vertreter des Prager Kreises sind in die Vereinigten Staaten ausgewandert und haben dort weitergewirkt. Einer von ihnen war René Wellek. In Wellek & Warren (1949) finden wir die vage Andeutung, der Formalismus-Strukturalismus sei eine Wurzel des New Criticism. Weimann (1962) präsentiert diese Bewegungen aber als unabhängige Entwicklungen; er erblickt im New Criticism eine Reaktion auf die “viktorianische” Kritik. Auch wenn man die neue Arbeit von Graff (1987) heranzieht, die die Entwicklung der modernen Literaturwissenschaft und Kritik in den Vereinigten Staaten vom Institutionsbegriff her behandelt, wird keine Verbindung zum Strukturalismus hergestellt. Das stimmt mit der Tatsache überein, daß die New Critics in den vierziger Jahren bereits weit verbreitet waren, sei es denn, daß sie in der Praxis wenig Einheitlichkeit in Methode und Argumentation erkennen ließen, während die meisten Arbeiten des Strukturalismus erst in den sechziger Jahren oder noch später in Übersetzungen zugänglich wurden. Um diese Zeit sieht man gelegentlich Zeugnisse von Begegnungen und Austausch, zum Beispiel in dem immer noch anregenden Symposiumband ‘Style in Language’ (Sebeok 1960).

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  9. In diesem Zusammenhang werden immer wieder die Werke Wolfgang Kaysers und Emil Staigers genannt (siehe für eine repräsentative Sammlung von Beiträgen Enders 1967). Die germanistische Version der Autonomiebewegung widersetzte sich der historischen Sinnsuche und dem Leitgedanken der Autorintention und war stark auf den ästhetischen Erlebniswert der Werke ausgerichtet. Man bemühte sich vor allem, die harmonische Einheit einer Vielheit von sprachlichen, stilistischen und semantischen Elementen nachzuweisen.

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  10. Die Verschiebung zum Leser ist wohl nicht der einzige Impuls für die Ablösung des Autonomiegedankens. Jauß (1969) gibt zum Beispiel noch einen anderen Grund: “Diese [Erschöpfung der Autonomiebewegungen] zeichnete sich dort am frühesten ab, wo die monographische Forschung überhand nahm und die immer subtilere Deutung der immer gleichen Werke den Verdacht eines philologischen ‘L’Art pour l’Art’ unabweisbar machte.” (S. 50)

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  11. Siehe für einen Überblick über die Kritik Ibsch (1990).

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  12. Ein überzeugendes Beispiel ist die interpretative Arbeit Fetterleys (1979), in der die Autorin zeigt, welchen impliziten Ideen über Frauen die Heldinnen aus verschiedenen Werken der amerikanischen Literatur zum Opfer fallen. Die “neue” Perspektive bettet die Charaktere in einen Rahmen sozialer Voraussetzungen ein, wodurch die Handlungen in eine von der früheren Kritik übersehene Logik gestellt werden.

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  13. So zum Beispiel Göttner (1973).

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  14. Sowohl bei den Formalisten/Strukturalisten, als auch bei den New Critics wurde “Wissenschaftlichkeit” im Sinne von Systematik und Objektivität befürwortet. In den siebziger Jahren entstand außerdem eine kritische Bewegung, die die Interpretationspraxis einer strengen Überprüfung unterzog (siehe dazu weiter Kap. 3.2.). Dennoch ist die Frage, ob dies alles zu wesentlichen Veränderungen in den Interpretationen führte, für die eine Kritik der Unlesbarkeit durch Überwissenschaftlichkeit zuträfe. Wenn es solche überhaupt gibt, so waren sie im vorliegenden Material meines Erachtens nicht vorhanden. Auf die Frage, inwiefern die Wissenschaftlichkeitsansprüche Einflüsse ausgeübt haben, wird noch näher einzugehen sein.

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  15. Diese Auffassung wurde vor allem von Repräsentanten der textimmanenten Interpretation vertreten; siehe zum Beispiel Staiger (1951).

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  16. Mooij (1963) bespricht die damals aktuellen Positionen und zeigt manche Quellen der Verwirrung und Undeutlichkeit auf.

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  17. Später (Fricke 1986) greift Fricke die Ergebnisse noch einmal auf und überprüft er die Wirkung der Literarisierungen anhand von Beurteilungen durch Informanten.

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  18. Kritiker wie Göttner und Jacobs (1977) glauben schließlich an die Möglichkeit der Wissenschaftlichkeit im Bereich der Analyse und Interpretation. Es gibt aber auch noch andere Auseinandersetzungen mit der “Wissenschaftsfrage”. Livingston (1988) kommt nach ausführlichen, erkenntnistheoretischen Überlegungen zur Schlußfolgerung, daß die Gewinnung wissenschaftlicher Erkenntnis beim Interpretieren von Literatur fragwürdig ist, und schlägt vor, statt der Bedeutungen die kommunikativen und situativen Bedingungen, unter denen Bedeutungen zustande gebracht werden, zu erforschen. Damit gerät er in die Nähe der empirischen Literaturwissenschaft.

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  19. Siehe für die Metaphorik zum Beispiel Beiträge in Ortony (1979) (darin auch Kuhns ‘Metaphor in Science’) und Beiträge in Nash (1990a). Auf narrative Strukturen im Wissenschaftsdiskurs hat bereits Fleck (1935) hingewiesen; siehe weiter zum Beispiel Nash (1990b) and Rigney (1992).

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  20. Weder erschien die Geschichte zum ersten Mal im Jahre 1916, noch war sie von vornherein nur als Teil des Romans konzipiert, was die Satzkonstruktion, wohl versehentlich, suggeriert. Unglücklich ist auch der in Klammern gegebene Hinweis auf die Tagebuchnotiz. Dieser soll sich wohl auf die Bezeichung “Legende” beziehen, die Kafka in der betreffenden Notiz für die Geschichte benutzte, suggeriert aber, daß es sich um Information zum Erscheinungsdatum handelt. Siehe für die einschlägige Information Kap. 2.2.

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  21. Siehe für diese Tagebuchstelle Kap. 2.2.

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  22. Siehe für Gedanken zur Dynamik im literarischen System zum Beispiel die Beiträge von Vodička und Jauß in Warning (1975).

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  23. Auch die Annahme, daß Texte unveränderbar vorliegen, stimmt nicht immer. Man kann hier zum Beispiel denken an Abwandlungen von Texten in der oralen Überlieferung oder beim Abschreiben von Handschriften, aber auch an zensurierte oder gesäuberte Texte, an vom Autor hergestellte Varianten oder an Bearbeitungen für bestimmte Zwecke (Theater- oder Filmaufführungen).

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Andringa, E. (1994). Theorie der Interpretation. In: Wandel der Interpretation. Konzeption Empirische Literaturwissenschaft, vol 27. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-14262-1_3

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  • DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-663-14262-1_3

  • Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden

  • Print ISBN: 978-3-531-12593-0

  • Online ISBN: 978-3-663-14262-1

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