Zusammenfassung
Die Residenzstadt Dresden erlebte im 19. Jahrhundert die Industrielle Revolution. Es entstanden ein neues sozialökonomisches System, neue politische Strukturen, neue Bauaufgaben. Die wirtschaftliche Betätigung, die Bevölkerung und das Bauaufkommen wuchsen um ein Vielfaches. In diesem Buch soll die Architektur der Stadt zwischen 1800 und 1900 untersucht werden. Doch nur allzu bekannt ist, daß die Stadt dieses Zeitabschnitts nicht mehr existiert. Nicht, weil sie überformt worden wäre, sondern weil weite Flächen der Stadt am 13./14. Februar 1945 zerstört worden sind. Es wird daher der Versuch unternommen, durch die gedankliche Rekapitulation des Gebauten einen Aufschluß darüber zu gewinnen, welche Idealbilder Bauherren und Architekten bewegt hatten. Bilden doch Bauten Weltsichten ab, wie sie, um diese hervorzubringen, errichtet wurden. Bauwerke deuten eine Welt, über sie erschließt sich das Denken ihrer Erbauer. Es ist problematisch, mit der Untersuchung einer subjektiv vollzogenen Auswahl einzelner Bauwerke, deren Daten zufällig überliefert worden oder die ebenso zufällig nicht zerstört worden sind, die architektonische Eigenart einer großen Stadt nachvollziehen zu wollen. Es ist zu hoffen, daß sich aus der Beschreibung des Einzelnen das Bild eines Ganzen zusammenfügt. Als Ganzes ist die tendenzielle bauliche Entwicklung der Stadt des 19. Jahrhunderts in ihrer Eigenart zu verstehen, die zu beschreiben versucht wird. Die Beschränkung der Untersuchung auf die Spanne eines Jahrhunderts ist weder zwingend noch willkürlich. Sie bietet sich jedoch an, denn das 19. Jahrhundert wurde trotz Heiliger Allianz ein neues Jahrhundert, das bürgerliche. In diesem Jahrhundert entstand eine Architektur eigener Prägung. Für sie wurde das Entstehen einer Vielzahl neuer Bauaufgaben, die quantitative Steigerung des Gebauten, die Trennung des Ingenieurbaus von der Kunstgattung Architektur und die Verwendung historisierender Stilzitate kennzeichnend. Letzteres kann als Charakteristikum für die Architektur dieses Jahrhunderts betrachtet werden. Die Untersuchung setzt ein, als diese Gestaltungsweise zur dominierenden wurde und endet, als sich die Einsicht verbreitete, daß eine Stilverbrämung in der Architektur entbehrlich sei, da die Gesellschaft des Rückbezuges und der Rückversicherung bei der Historie nicht mehr bedürfe. Die Zäsur, die durch diese Erkenntnis markiert wurde, kann unterschiedlich gezogen werden, entweder mit dem Aufkommen des Jugendstils oder mit der Neuen Sachlichkeit. Für Dresden ist die Jahrhundertwende als Zeitschnitt gewählt worden, weil sich um 1900 ein sehr deutlicher Sinneswandel im Umgang mit dem historischen Formzitat bemerken läßt.
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Helas, V. (1985). Einleitung. In: Architektur in Dresden 1800 – 1900. Vieweg+Teubner Verlag, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-14236-2_1
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DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-663-14236-2_1
Publisher Name: Vieweg+Teubner Verlag, Wiesbaden
Print ISBN: 978-3-528-08696-1
Online ISBN: 978-3-663-14236-2
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