Zusammenfassung
Es wird gezeigt, daß ein gewisses „Kriterium der physikalischen Realität“, das in einem unter dem obigen Titel kürzlich erschienenen Artikel von A. Einstein, B. Podolsky und N. Rosen formuliert wurde, eine wesentliche Mehrdeutigkeit aufweist, wenn man es auf Quantenphänomene anwendet. In diesem Zusammenhang wird ein mit „Komplementarität“ bezeichneter Gesichtspunkt erklärt, unter dem die quantenmechanische Beschreibung physikalischer Systeme innerhalb ihres Geltungsbereiches allen rationalen Erfordernissen der Vollständigkeit genügt.
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Anmerkungen
Die in dem zitierten Artikel enthaltenen Herleitungen können in diesem Zusammenhang als eine unmittelbare Folge des Transformationstheorems der Quantenmechanik betrachtet werden, das vielleicht mehr als irgendein anderes Charakteristikum des Formalismus dazu beiträgt, seine mathematische Vollständigkeit und seine vernünftige Korrespondenz mit der klassischen Mechanik zu sichern. In der Tat ist es bei der Beschreibung eines mechanischen Systems, das aus zwei Teilsystemen (1) und (2) besteht, mögen sie nun Wechselwirken oder nicht, immer möglich, beliebige zwei den Systemen (1) und (2) zugehörige Paare kononischer Variabler (q 1, p 1), (q 2 p 2), die den üblichen Vertauschungsregeln genügen, durch zwei Paare neuer kanonischer Variabler (Q 1,P 1), (Q 2 p 2) zu ersetzen, welche aus den ersteren Variablen durch eine einfache orthogonale Transformation hervorgehen, die einer Drehung um den Winkel θ in den Ebenen (q 1, q 2), (p 1, P 2) entspricht Daraus, daß diese Variablen analogen Vertauschungsregeln genügen, insbesondere folgt, daß man bei der Beschreibung des Zustands des kombinierten Systems Q 1 und P 1 nicht zugleich bestimmte numerische Werte zuordnen kann, sondern daß wir solche Werte klar nur Q 1 und P 2 zuordnen können. In diesem Fall ergibt sich ferner, wenn man diese Variablen durch (q 1 p 1) und (q 2, p 2) ausdrückt, nämlich daß eine nachfolgende Messung von entweder q 2 oder p 2 uns gestatten würde, die Werte von q 1 bzw. p 1 vorherzusagen.
Die offensichtliche Unmöglichkeit, mit der zu unserer Verfügung stehenden experimentellen Technik solche Meßverfahren, wie sie hier und im folgenden diskutiert werden, wirklich durchzuführen, beeinflußt selbstverständlich nicht die theoretische Argumentation, da die fraglichen Vorgänge wesentlich äquivalent sind zu atomaren Prozessen wie etwa dem Compton-Effekt, wobei eine entsprechende Anwendung des Impulserhaltungstheorems gesichert ist.
Wie gezeigt wird, entspricht diese Beschreibung bis auf einen trivialen Normierungsfaktor genau der in der vorangegangenen Fußnote beschriebenen Transformation von Variablen, wenn (q 1, p 1), (q 2, p 2) die Ortskoordinaten und Impulskomponenten der beiden Teilchen darstellen, und wenn θ = − π/4. Es sei auch bemerkt, daß die durch Formel (9) des zitierten Artikels gegebene Wellenfunktion der speziellen Wahl von P 2 = 0 und dem Grenzfall zweier infinitesmal enger Schlitze entspricht.
Gerade dieser Umstand im Verein mit der relativistischen Invarianz der Unschärferelation der Quantenmechanik stellt die Vereinbarkeit von der im vorliegenden Artikel skizzierten Argumentation und allen Erfordernissen der Relativitätstheorie sicher. Diese Frage wird eingehender in einer zur Veröffentlichung vorbereiteten Abhandlung behandelt werden, in der der Verfasser insbesondere ein sehr interessantes, von Einstein aufgeworfenes Paradoxon diskutieren wird, das die Anwendung der Gravitationstheorie auf Energiemessungen betrifft und dessen Lösung eine besonders lehrreiche Illustration der Allgemeingültigkeit des Komplentaritätsarguments bietet. Bei derselben Gelegenheit wird eine gründlichere Erörterung der Raum-Zeit-Messungen in der Quantentheorie mit allen nötigen mathematischen Entwicklungen und Diagrammen experimenteller Anordnung gegeben, die in diesem Artikel, in dem das Hauptgewicht auf den dialektischen Aspekt der Titelfrage gelegt wurde, ausgelassen werden mußten.
Literaturangaben
A. Einstein, B. Podolsky and N. Rosen, Phys. Rev. 47, 777 (1935).
Cf. N. Bohr, Atomic Theory and Description of Nature (Cambridge, 1934).
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Bohr, N. (1984). Kann man die quantenmechanische Beschreibung der physikalischen Wirklichkeit als vollständig betrachten? (1935). In: Die Deutungen der Quantentheorie. Facetten der Physik. Vieweg+Teubner Verlag, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-14179-2_8
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DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-663-14179-2_8
Publisher Name: Vieweg+Teubner Verlag, Wiesbaden
Print ISBN: 978-3-528-08540-7
Online ISBN: 978-3-663-14179-2
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