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Identifikation

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Zusammenfassung

In Kapitel 2 haben wir dargelegt, daß Identifikation ein Element der Rezeption literarischer Texte ist, daß es sich dabei im Falle der Rezeption trivialer Erzählungen und im Falle der Rezeption innovativer Texte jedoch keineswegs um denselben Prozeß handelt. In diesem Kapitel werden wir der Frage nachgehen, welche Rolle Identifikation in der Rezeption der beiden genannten Textsorten spielt. Identifikation ist jedoch ein problematischer Begriff. Über seinen Inhalt und seine Beziehung zu anderen Begriffen besteht in der Literaturwissenschaft und der Psychologie keine Übereinstimmung. Wir werden deshalb zuerst auf die Frage der Begriffsbestimmung von Identifikation in der Psychologie und der Literaturwissenschaft eingehen (Abschnitt 5.2.1). In Abschnitt 5.2.2 erörtern wir einige Aspekte, die in der theoretischen Diskussion genannt werden und die in unserer Untersuchung eine Rolle spielen. Über diese Untersuchung wird in Abschnitt 5.3 berichtet.

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Anmerkungen zu Kapitel 5

  1. Obwohl der Identifikationsprozeß in der Entwicklung von Freuds Denken eine immer wichtigere Rolle spielte, kann von einer erschöpfenden und systematischen Behandlung nicht die Rede sein. Freud selbst ist sich dessen übrigens durchaus bewußt. Siehe für eine detaillierte Darstellung des Identifikationsprozesses bei Freud etwa Güttner (1968), Meissner (1970) oder Florence (1978).

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  2. Freud erörterte diese Form von Identifikation zuerst im Zusammenhang mit der Melancholie (Depression), bei der ein wirklicher oder nicht wirklicher Verlust eines geliebten Objekts eine — nicht — strukturelle — Veränderung des Ich durch Introjektion des Geliebten herbeiführt (Freud 1973/1917).

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  3. Diese Form von Identifikation läßt sich kaum von der Symptombildung bei der hysterischen Identifikation unterscheiden.

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  4. Wir haben uns auf die ’positive’ Variante des Ödipus — Komplexes beschränkt. Über das Pendant zu diesem Komplex bei Mädchen ist Freud weniger deutlich; seine anfängliche Idee, daß der Prozeß dem beim Knaben entgegengesetzt sei, gab er auf (Freud 1972/1923, 1924, 1925). Laplanche & Pontalis (1973, S. 62) umschreiben Kathexis wie folgt: “Economic concept: the fact that a certain amount of psychical energy is attached to an idea or to a group of ideas, to a part of the body, to an object, etc.”

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  5. Über die primäre Identifikation besteht keine Eindeutigkeit; wenn Freud den Ausdruck selbst verwendet, spricht er vom Knaben in Beziehung zum Vater (oder zu den Eltern). Aber das intime Band, in dem Identifikation und Objektkathexis untrennbar sind, wird vor allem mit der Mutterbindung in Zusammenhang gebracht. Laplanche & Pontalis geben folgende Umschreibung: “Primitive mode of the constitution of the subject on the model of the other person — a mode not dependent upon any prior establishment of a relationship in which the object can at first lay claim to an autonomous existence. Primary identification is closely bound up with the relation known as oral incorporation.” (1973, S. 336)

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  6. Im Gegensatz zu dieser sozialisierenden Identifikation gibt es bei der hysterischen Identifikation nur eine partielle Nachahmung, ohne daß irgendeine Objektbindung besteht. Eine Person unterdrückt einen bestimmten Wunsch, was sich in einem hysterischen Verhalten äußert; eine andere Person hegt denselben Wunsch, kann sich aufgrund dieser Überenstimmung mit dem andern identifizieren, sich in den andern versetzen, und zeigt dasselbe hysterische Verhalten. Ein Sympathiegefühl geht aus dieser Situation hervor (Freud 1972/1921). Jauß (1977b, S. 224f.) bringt diese Identifikationsform mit dem primären Niveau der lyrischen Identifikation in Zusammenhang, Freud (1972/1921) dagegen mit dem Entstehen sozialer Beziehungen.

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  7. Wohl hiermit im Zusammenhang steht die Identifikation als Teil der Traumarbeit, die Regeln, nach denen der unbewußte Traumgedanke in den manifesten Inhalt umgesetzt wird. Die Traumarbeit steht im Dienst der Traumentstellung, welche die Zensur fordert. Identifikation ist ein Betandteil von Verdichtung. Übereinstimmungsrelationen im latenten Trauminhalt werden im manifesten Traum mittels Identifikation wiedergegeben; von Personen (und Lokalitäten), die etwas Gemeinsames haben, wird nur eine in den Traum aufgenommen, während sich die andere(n) dahinter versteckt (verstecken). Mittels Identifikation ist das Ich des Träumers im Traum anwesend. Das Gemeinsame wird meistens nicht genannt, weil es sich dabei oft um einen empfindlichen Punkt handelt. Es kann auch durch einen anderen gemeinsamen Punkt ersetzt werden (Verschiebung). Mittels Kombination wird ein neues gemeinsames Merkmal gebildet. Die Prozesse können ineinander übergehen.

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  8. Siehe weiter etwa Bally (1972) und auch Bandura (1971). Freud verwendet den Ausdruck Identifikation in der Bedeutung von ’sich in jemanden andern versetzen und tun wie er’ manchmal auch an anderer Stelle. Darüber gibt es dann keine weiteren theoretischen Erörterungen (z.B. Freud 1972/1921). Übrigens begegnet der Ausdruck Identifikation öfters im Werke Freuds in Bedeutungen, die mehr oder weniger mit der genannten übereinstimmen.

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  9. Introjektion und Identifikation werden aus einer dynamischen, ökonomischen, strukturellen, genetischen, adaptiven und klinischen Perspektive voneinander unterschieden. Es würde zu weit führen, näher darauf einzugehen. Im allgemeinen ist der Identifikationsprozeß von den instinktiven Kräften, die mit dem Es und dem Über-ich verbunden sind, relativ unabhängig.

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  10. Weiter behandelt er die Beziehung zu Internalisation/Projektion. Auch Miller et al. (1968, S. 245) nennen Kriterien, mit denen verwandte Begriffe voneinander unterschieden werden können. Einen besonderen Platz nimmt der von M. Klein geprägte Begriff der ’projektiven Identifikation’ ein, der von Laplanche & Pontalis (1973, S. 356) wie folgt definiert wird: “A mechanism revealed in phantasies in which the subject inserts his self — in whole or in part — into the object in order to harm, possess or control it.”

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  11. Duijker, Dudink & Vroon (1981) geben eine Umschreibung von Konditionierung (Kap. 4).

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  12. Eine ausführlichere Dokumentation bietet u.a. Güttner (1968) für die Entwicklungen bis ca. 1967. Andere Veröffentlichungen werden z.B. in Goslin (1971) genannt. Für Identifikation und Lerntheorie sind neben Kagan auch Kapitel 21 (’Identification: A link between learning theory and psychotherapy’) in Mowrer (1950) und die aus fünf Aufsätzen bestehende Reihe in Journal of Genetic Psychology 84 (1954) von Bedeutung.

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  13. Das Maß an Identifikation ist von der Stärke des Motivs und der Qualität und Frequenz der Bekräftigung abhängig. Daraus schließt Kagan, daß Identifikation in höherem Alter weniger stark sein wird, weil dann die Wunscherfüllung nicht primär von einem ’vicarious mechanism’ abhängig ist, und daß ein unmittelbarer Kontakt mit dem Vorbild von größerem Einfluß ist als einer, der lediglich durch die Erzählung über ein Vorbild zustandekommt. Übereinstimmung des Verhaltens als Index von Identifikation ist weniger geeignet, weil ihr verschiedene Prozesse zugrundeliegen können. Eine adäquatere Operationalisierung schließt an die in der Definition genannte Implikation, den ’vicarious involvement’, an. Kagan und Philips (1964) weisen mit Hilfe dieser Operationalisierung Identifikation von Kindern mit Eltern desselben Geschlechts nach. Die Auffassung von Identifikation, die hier erkennbar ist, wird deutlich formuliert in der Umschreibung von Mussen, Conger & Kagan (1979): “The concept of identification, derived from psychoanalytic theory and introduced by Freud, refers to the process that leads the child to believe that he or she is similar to another person (a model) — that is, that the child shares some of the model’s attributes — and to act as though he or she were the model and processing the model’s thoughts, feelings, and characteristics.” (S. 330)

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  14. Bandura gibt Freuds Auffassung wie folgt wieder: “Anaclitic identification is believed to occur during the first few years of life when a nurturant adult, usually the mother, to whom the child has developed a nonsexual attachment, withdraws affectional gratifications. The resulting threat of loss of love then motivates the child to ’introject’ the parent’s behavior and attributes.” (S. 225) Die lerntheoretische Umformulierung durch Mowrer (1950) lautet: “[...] when a parent mediates the child’s primary gratifications her behavior gradually takes on secondary reward value as a function of repeated contiguous association with rewarding experiences. On the basis of stimulus generalization, responses that resemble those of the parent generate positively reinforcing effects in proportion to their similarity when performed by the child. Consequently, the child can produce self — rewarding experiences when the parent is absent or withdraws her attentions simply by reproducing as closely as possible the parent’s positively valenced behavior.” (S. 225f.) In der Tat geht aus empirischer Forschung hervor, daß ’nurturance’ zu Identifikation führt, aber die Erklärung ist eine andere: die Interaktion zwischen liebevollen Eltern und ihren Kindern ist frequenter und ausführlicher; die Kinder haben dadurch mehr Gelegenheit zum Beobachten von Verhalten, und für Kinder, die sich mit ihren Eltern identifizieren, ist die Aussicht auf Zuneigung wieder besser.

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  15. Die soziale Lerntheorie ist eigentlich keine echte Entwicklungspsychologie, weil dabei nicht nach alterspezifischen, sondern nach relativ altersunabhängigen Regeln beim Erlernen von Verhalten gesucht wird. Dieser Umstand ermöglcht es, der sozialen Dimension deutlich Gestalt zu geben und Identifikation als ein Problem der sozialen Rollentheorie umzuformulieren. Eine neuere Rollentheorie ist etwa die von Biddle (1979). Die Rollentheorie hat der innovativen Funktion von Literatur (cf. später die ironische Identifikation bei Jauß) Aufmerksamkeit gewidmet. Ihr zufolge bietet Literatur die Möglichkeit zur Rollendistanz dadurch, daß der Mensch an mehreren Wirklichkeiten teilhaben kann, die einander gegenüber eine relativierende Wirkung ausüben (Luckmann 1979, S. 311f.).

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  16. Güttner (1968, S. 24) nennt zu diesem Thema auch sehr frühe Literatur; weitere Hinweise gibt es bei Buie (1981, S. 290f.).

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  17. Die Operationalisierung von Empathie richtet sich meistens auf die Identifizierung eines stabilen Persönlichkeitsmerkmals (Hornblow 1980). Das empathische Vermögen ist zweifellos wichtig, auch für die Rezeption von Literatur, aber es spielt in unserer Untersuchung keine Rolle. Die Existenz eines E-Faktors, eines allgemein empathischen Vermögens, wird von manchen Forschern bezweifelt. Nach Hornblow bezieht sich der Ausdruck Empathie mehr auf ein Cluster von Persönlichkeitsmerkmalen, die in einer bestimmten Situation auf eine bestimmte Weise wirksam sind, und die zur Zeit am besten als “those skills by which one person apprehends the state of mind of another” definiert werden.

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  18. Erfahrungen wie ’sich in den andern einleben’, ’vicarious experience’ u. dgl., die in der Literaturwissenschaft meistens Identifikation genannt werden, werden in der Psychologie, vor allem in therapeutischer Literatur, als Empathie bezeichnet. Zum Überfluß sei noch bemerkt, daß die Bedeutung von Empathie als einer auf subjektiver Erfahrung und Gefühl beruhenden wissenschaftlichen Interpretation keine Rolle spielt (siehe für eine kurze Umschreibung dieser Interpretationsauffassung Von Wilpert 1969, S. 197).

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  19. In bezug auf den theoretischen Hintergrund bemerkt Hornblow (1980): “Following Freud (1921) most psychoanalytic writers have linked empathy with processes of identification and also adaptive regression [...] Fordham (1972), from a Jungian perspective, considered that the analyst’s capacity to empathize is based on his effective knowledge of the archetypical experience in the patient’s material. A recent conceptualization of empathy from a client — centered viewpoint (Wexler 1974) retained the traditional Rogerian emphasis on accurate understanding, but reformulated this in terms of an information processing model. From a social psychological perspective Hogan (1969, 1973, 1975) defined empathy in terms of role — taking ability and associated it with maturity of moral judgment.” (S. 20) Genannte Literatur (außer Freud): D.A. Wexler, ’A Cognitive Theory of Experiencing, Self-Actualization, and Therapeutic Process.’ In: D.A. Wexler & L.N. Rice (eds.), Innovations in Client — Centred Therapy. New York: Wiley, 1974, S. 49–116; M. Fordham, ’The Interrelation between Patient and Therapist.’ Journal of Analytical Psychology 17 (1972), S. 179–183; R. Hogan, ’Development of an Empathy Scale.’ Journal of Consulting and Clinical Psychology 33 (1969), S. 307–316; id., ’Moral Conduct and Moral Character: A Psychological Perspective.’ Psychological Bulletin 79 (1973), S. 217–232; id., ’Empathy: A Conceptual and Psychometric Analysis.’ Counseling Psychologist 5 (1975), S. 14–18. Terminologische Verwirrung zeigt sich bei Laughlin (1979), der vielerlei Formen des Identifikationsprozesses unterscheidet.

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  20. Andere theoretische Bezugsrahmen für diese Form von Empathie sind die ’social perception’ — oder ’person perception’ — Theorie (Hornblow 1980; cf. die Definition von Massarik & Wechsler (1971, S. 189) von Empathie: “Social perception is the means by which people form impressions of and, hopefully, understand one another. Empathy, or social sensitivity, is the extent to which they succeed in developing accurate impressions, or actual understanding of others.”) und die Attributionstheorie (Galper 1976, gibt eine Operationelle Definition von Empathie, wobei es darum geht, ob Verhalten Ursachen, die in der Situation und der Umgebung oder solchen, die in der Persönlichkeit liegen, zuzuschreiben ist: “Empathy may be inferred from the attribution, by an observer, of environmental or situational causes for the behavior of an actor.” (S. 334)) Die Unterschiede zwischen den theoretischen Rahmen sind übrigens nicht besonders groß. Man (z.B. Stotland 1969) spricht auch wohl von prädiktiver Empathie, weil es ebenfalls darum geht, aufgrund des richtigen Einfühlens das Verhalten anderer vorauszusagen; Vorwegnahme des Verhaltens anderer ist mit bestimmend für das eigene Verhalten.

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  21. Dies hängt mit dem prädiktiven Wert zusammen, den Stimuh aufgrund von Erfahrung bekommen können: “In the social learning analysis, so-called conditioned reactions are considered to be largely self-activated on the basis of learned expectations rather than evoked automatically. The critical factor, therefore, is not that events occur together in time, but that people learn to foresee them from predictive stimuli and to summon up appropriate anticipatory reactions.” (S. 68–69) Dadurch, daß affektive Raktionen kognitiv stimuliert werden können, ist es zu erklären, daß Menschen in einen emotionellen Zustand geraten, indem sie sich bestimmte Vorstellungen machen.

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  22. Obwohl Kreitler & Kreitler, auch wenn es sich um Projektion und Identifikation handelt, von empathischer Erfahrung reden, reservieren sie den Empathiebegriff doch lieber für den Bedeutungsaspekt des Phänomens Empathie, in dem die — insbesondere in Erzählfiguren — wahrgenommene Emotion eine ähnliche Emotion im Rezipienten hervorruft (affektive Empathie).

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  23. Die zitierte Stelle ist ursprünglich kursiv gedruckt. Nachteile der Repräsentationstheorie sind: 1. es können keine Emotionen, die nicht eher empfunden worden sind, hervorgerufen werden; 2. eine fortwährende Beteiligung ist nicht möglich, weil nur Teile des Kunstwerks mit Erfahrungen des Rezipienten zusammenhängen; 3. das Assoziieren kostet Zeit und Aufmerksamkeit und lenkt vom Erleben des Kunstwerks ab; 4. Empathie ist unabhängig von Verständnis und Vorstellung und kann also ’falsch’ sein; 5. Emotionen sind nicht unmittelbar, sondern in abgeleiteter Form anwesend. Als ein Vorteil wird die kognitive Orientierung angesehen. Änderungsvorschläge für die drei Annahmen von Lipps beziehen sich auf folgende Punkte: 1. zwar wird der Imitationsdrang gefestigt, aber nicht dessen automatisches Auftreten; 2. Bewegung drückt zwar Emotionen aus, aber die Art der Emotion in Beziehung zur Bewegung muß interpretiert werden; 3. die Evokation von Emotion durch Bewegung ist ein lästiges Problem, weil ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen einem physiologischen Muster und einer Emotion nicht zureichend nachgewiesen worden ist; auch hier ist eine Interpretation erforderlich. Ein Vorteil dieser Theorie ist der Nachdruck auf der unmittelbaren Erfahrung von Emotionen.

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  24. Bína umschreibt, anschließend an das funktionalistische Paradigma in der Soziologie, Identifikation als ein Vorwegnehmen einer erreichbaren sozialen Rolle. Weil die Interaktion zwischen Lesern und Helden oder Heldinnen der Konsumtionsliteratur sich durch Unbekanntheit der Leser mit den Rollen, dem Milieu und den Problemen der Rollenträger, mit denen sie sich identifizieren, kennzeichnet, nennt Bina die Interaktion parasozial.

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  25. Adler warnt vor einer Reduktion des Rezeptionsprozesses auf ästhetisches Genießen, Erlebnis und Katharsis, wobei andere — gesellschaftliche, literarhistorische — Faktoren zu sehr außer Betracht bleiben.

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  26. Schulte-Sasse (1982) kritisiert und korrigiert gerade in Hinsicht auf die Identifikation die Auffassung Adornos.

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  27. Wir übernehmen die Terminologie von Jauß unverändert, weil er sich offenbar dafür im Anschluß an die poetologische Tradition entschieden hat.

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  28. Jauß beschränkt sich auf die Identifikation mit dem Helden, aber Identifikation mit anderen Erzählfiguren oder mit paradigmatischen Situationen (Lyrik) ist auch möglich. Das Material, auf das Jauß sich stützt, ist verschiedenen Ursprungs: literarische Werke, poetologische Äußerungen und Rezeptionsdokumente. Die Beziehung zwischen Identifikationsmodi und dem komischen Helden (bzw. den Reaktionen auf ihn) bleibt hier außer Betracht. Jauß faßt (Jauß 1977b) seine Ausführungen in folgendem Schema zusammen. [Abdruck des Schemas am Ende der Anmerkungen dieses Kapitels]

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  29. Jauß erwähnt die Möglichkeit, daß sich die gelungene Interaktion mit dem Helden, die Synthese des eigenen und des anderen, und die nicht gelungene, regressive, bei der nur eigene Wünsche befriedigt werden, mit der psychoanalytischen Auffassung der Ambivalenz in Zusammenhang bringen lassen: “Entsprächen die progressiven Interaktionsmuster als Form der Subjektbildung nach dem Vorbild des andern Freuds Begriff der Vateridentifizierung (’so werden und so sein wie er’), die regressiven Interaktionsmuster als Substitute einer aufgehobenen Objektwahl hingegen Freuds Begriff der Vaterobjektwahl (’das, was man haben möchte’), wobei die Ambivalenz der Identifizierung, die Ausdruck der Zärtlichkeit und zugleich Wunsch der Beseitigung sein kann, beim Verlust des freien Schwebezustands der ästhetischen Einstellung zum Vorschein käme?” (S. 224) U.E. faßt Jauß hier Ambivalenz zu Unrecht als Objektwahl und Identifikation statt einer Mischung von anaklitischer und aggressiver Identifikation auf.

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  30. Später revidiert Jauß diese Meinung.

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  31. Kennedy macht keinen Unterschied zwischen der erzählenden und der fokalisierenden Instanz.

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  32. Bandura erklärt dies wie folgt: Stimuli bekommen prädiktiven Wert und beeinflussen dadurch das Verhalten: “Humans do not simply respond to stimuli; they interpret them. Stimuli influence the likehood of particular behaviors through their predictive function, not because they are automatically linked to responses by occuring together.” (Bandura 1977, S. 59) Das Verhalten des Vorbilds bekommt prädiktiven Wert, wenn es sich um ein Vorbild handelt, das für seine Taten belohnt wird. Deshalb erhöhen Status, Kompetenz, Macht und andere Eigenschaften des Vorbilds die Wahrscheinlichkeit, daß das Verhalten eines Vorbilds mit diesen Eigenschaften imitiert wird (ibid., S. 87–90). Der Status des Vorbilds darf nicht zu sehr von dem des Beobachters abweichen (Bandura 1971, S. 242).

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  33. Im allgemeinen gilt auch in bezug auf Empathie, daß stärkere Übereinstimmung (Geschlecht, Hautfarbe und, bei Erwachsenen, Persönlichkeitsmerkmale) mehr empathische Reaktionen auslöst (Hoffman 1977). Feshbac & Roe (1958) zeigen, daß Empathie in starkem Maße durch Übereinstimmung des Geschlechts bedingt wird im Falle der Rezeption einfacher, eine Diavorstellung begleitender Erzählungen.

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  34. Die Zahl der Studien ist übrigens gering; neben Barret & Barrett (1966) werden genannt: D.A. Stout, The Responses of College Freshmen to Characters in Four Short Stories. Univeröff. Diss. Univ. of California at Berkeley, 1964, und W. Loban, ’A Study of Social Sensitivity (Sympathy) among Adolescents’. Journal of Educational Psychology 44 (1953), S. 102–112.

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  35. Wenn Moffet (1975) auf einige Bereiche der sozialen Psychologie, die für die Rezeption von Kunstwerken von Bedeutung sind, hinweist, bemerkt sie auch, daß eine positive Bewertung vor allem auf dem Wiedererkennen von Übereinstimmungen beruhen wird. Auch Andringa (1984) geht von der Annahme aus, daß sich die soziale Vergleichstheorie auf die Rezeption von Literatur anwenden läßt (cf. die Erörterung in Kap. 2, Abschn. 2.1.4.). Der in Hinsicht auf die theoretische Diskussion über den Identifikationsbegriff interessante Aufsatz Andringas wurde veröffentlicht, als unsere Untersuchung bereits abgeschlossen war. Identifikation wird aufgefaßt als ein Ergebnis und eine Konsequenz eines Vergleichsprozesses. Der Mensch vergleicht sich selbst mit anderen — auf mehreren Vorstellungsebenen und bewußt oder unbewußt. Er erkennt sich in anderen wieder (Übereinstimmung) und er kann sich auf die Erfahrung des Unbekannten, das der andere bietet, einlassen (Nicht — Übereinstimmung). Der Prozeß besteht aus zwei Phasen. In der kognitiven Phase werden die Vorstellungen, die der Rezipient vom Text und von sich selbst hat, aufeinander bezogen; darauf fühlt sich der Rezipient emotional und geistig bei der fiktiven Handlung beteiligt. Andringa führt auf eine Anzahl Behauptungen über Wünsche und Erwartungen in bezug auf das Lesen eine Faktoranalyse durch. Einige Faktoren kann sie mit ihren theoretischen Annahmen in Zusammenhang bringen (z.B. kognitive Identifikation als Wiedererkennen, Beteiligung auf der Ebene des realen Selbst und des idealen anderen). Die Ergebnisse von Wijma (1981) lassen sich nicht gut beurteilen.

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  36. ’Literarische’ und ’triviale’ Texte gehören beide zur Literatur, wie sie in der Theorie Schmidts definiert wird. Das Begriffspaar wird hier jedoch in der in der Literaturwissenschaft gängigen Bedeutung von ’mehr bzw. weniger Distanz zwischen Text und Leser’ verwendet.

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  37. Einer Gruppe von 21 Schülern wurden Erzählungen von M. Minco, G. Krol und aus ’Mein Geheimnis’ vorgelegt (jeweils 7 Schüler pro Erzählung). Dabei wurde folgende Frage gestellt: “Mit welcher Person in dieser Erzählung kannst Du Dich am meisten identifizieren? Überlege Dir nun gut, was diese Identifikation beinhaltet und was es für Dich bedeutet, wenn Du Dich mit dieser Person identifizierst. Bitte, erzähle darüber so ausführlich wie möglich.” Die Absicht zwar, zu untersuchen, ob die Antworten auf diese Frage neue Aspekte von Identifikation im Vergleich zu den in der theoretischen Literatur bereits diskutierten Gesichtspunkten erbringen würden. Dies war nicht der Fall.

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  38. Von physiologischen Messungen (siehe Stotland 1969; Mehrabia & Epstein 1972; Hoffmann 1977) und Verhaltensmessungen abgesehen, läßt sich nach affektiver Empathie auch ’einfach fragen’, wie es Feshbac & Roe (1968) taten. Wenn man auf ihre Forderung nach einer vollständigen emotionalen Übereinstimmung zwischen Beobachter und Vorbild verzichtet, so gewähren die Antworten auf die Frage ’Wie fühlst Du Dich?’ vielleicht einen hinreichenden Einblick in die Qualität (Maß an Intensität; Adverbien des Grades funktionieren als Indikatoren) und die Richtung (Vorhandensein bzw. Nicht — Vorhandensein emotionaler Übereinstimmung zwischen Vorbild und Beobachter) des erregten Gefühls. Trotzdem sind mit dieser Methode auch Nachteile verbunden (’social desirability’ auf der Seite der Respondenten, Komplexität der Emotionen auf der Seite des Vorbilds, insbesondere in literarischen Texten).

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  39. Außer Güttner (1968) gibt auch Bandura (1971, S. 214–219) die Diskussion wieder; siehe für die Operationalisierung von Empathie Deutsc & Maddle (1975) oder, zur Illustrierung, der etwas ältere Aufsatz von Marwell (1964).

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  40. Cf. auch Anm. 124.

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  41. Die genannten Korrelationskoeffizienten beziehen sich alle auf Pearson — Produkt — Moment — Korrelationen.

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  42. In diesem Zusammenhang sei erwähnt, daß die Beantwortung von Frage 21, der Frage nach dem Thema, in den meisten Fällen nur paraphrasierend war, so daß über die Rolle von Identifikation in bezug auf Bedeutungskonstitution wenig gesagt werden kann.

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Schram, D.H. (1991). Identifikation. In: Norm und Normbrechung. Vieweg+Teubner Verlag, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-14010-8_5

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