Zusammenfassung
Weit schwieriger als der Sachstil ist der Wirkungsstil zu handhaben. Während beim Sachstil der Schreiber nur alle Überflüssigkeiten des bisherigen Kaufmannsstils wegzulassen braucht, damit die Sache selbst klar und unmißverständlich in richtiger Reihenfolge der Angaben deutlich wird, erfordert der Wirkungsstil genaueste Anpassung der Stilmittel an die Person des Lesers und die Besonderheit des Falles, damit die gewählte Ausdrucksform wirklich die Beachtung des Lesers findet. Dazu ist die Beachtung der folgenden psychologisch-stilistischen Gebote erforderlich:
-
1.
Stelle dir die Persönlichkeit des Lesers so deutlich wie möglich vor! Jede wirtschaftliche Botschaft geht an einen bestimmten Menschen von Fleisch und Blut. Selbst Massensendungen wie Werbebriefe oder ganz allgemeine Mitteilungen wie Zeitungsanzeigen oder Säulenanschläge wenden sich letzten Endes an einen einzelnen beser. Deshalb ist jede wirtschaftliche Mitteilung, die auf den Leser einwirken soll, genau auf diesen Leser abzustimmen oder, wenn das Wesen dieses Einzellesers nicht bekannt ist, wenigstens auf einen gattungsmäßigen Durchschnittsleser. Bei kaufmännischen Einzelschreiben ist es nun nicht besonders schwierig, sich ein zutreffendes Bild von der Wesensart des Briefempfängers zu machen.
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Referenzen
Nach Shaw, Business Correspondence, S. 11 (vgl. Alfred Schirmer, Bessere Briefe — Bessere Geschäfte, Stuttgart, 5. Auflage 1933, S. 145).
Wohl der erste Vorkämpfer für die richtige Anwendung des Wirkungsstiles in Deutschland war K. A. Lingner, der Begründer der Odol-Werke. In der Lebensbeschreibung „Lingner und sein Vermächtnis“ von Julius Ferdinand Wollf (Hellerau 1930, S. 35 f. heißt es über diese Tätigkeit des 1885 bei der Nähmaschinenfabrik Ton Seidel & Naumann in Dresden als „Korrespondent“ eingetretenen jungen Lingner: „Man schrieb damals noch überall jenen kaufmännischen Stil, der uns heute mit Recht so skurril vorkommt. Wir begreifen nicht, wie man mit solcher Art, Werbebriefe zu schreiben, auch nur einen Erfolg erlangen konnte. In den achtziger Jahren aber pflegte man noch das ‹geehrte Gestrige› pietätvoll. Da kam nun dieser junge Mann aus Paris und schrieb Geschäftsbriefe, deutsche und französische, ganz so, wie es Sinn und Absicht ihm eingaben, ohne Rücksicht auf die Tradition und die Stilistik des ‹Kleinen Rothschild›, Briefe, die, wenn man sie laut las, sich anhörten wie ein intimes Zwiegespräch zwischen einem Manne, der gerade das erfunden und zu verkaufen hat, was der andere, der ihm gespannt zuhört, immer zu kaufen wünscht und nirgends findet. Daran konnte nichts mehr haften von den herkömmlichen Redensarten einer von kaufmännischem Aktenstaub bepuderten langweiligen Liebenswürdigkeit. Lingner zog sich natürlich bei seinen Ausarbeitungen für Reklame und seinen Werbevorschlägen manche Kritik zu. Insbesondere einer der Prokuristen mahnte ihn immer wieder, gutmütig und freundschaftlich, schließlich sei ein Geschäftsbrief keine moderne Musik, und ein Mann, dessen Lebensberuf es sei, Nähmaschinen zu verkaufen, müßte eine ‹seriöse Geschäftssprache‹ pflegen. Lingner aber vertrat mit Eifer die Meinung, daß einer Hausfrau, die eine Nähmaschine brauche, weder fachmännische Katalogausarbeitungen, noch Zeit- und Leistungsberechnungen nützen können. Die müsse man einem Industriellen beim Einkauf einer Maschine vorführen, der Hausfrau aber müsse man überzeugend und in Kürze sagen, warum gerade die Maschine von Seidel & Naumann ihr sicher so viel Mühe abnehme und warum just diese Maschine so dauerhaft sei und so vorteilhaft im Gebrauch.“
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Schirmer, A. (1950). Die Merkmale des Wirkungsstils. In: Der Sprach- und Schriftverkehr der Wirtschaft. Fachbücher für die Wirtschaft. Gabler Verlag, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-13584-5_38
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