Zusammenfassung
Die Veranstalter des Mediensymposiums stellen u.a. die Frage, ob die Allgegenwärtigkeit der elektronischen Medien inzwischen so weit fortgeschritten ist, dass diese die politischen Parteien nicht erst bei der Vermittlung, sondern bereits im Stadium der Formulierung ihrer Zielsetzungen und Herstellung von Entscheidungen auf die Berücksichtigung publizistischer Kriterien verpflichten. Hat der politische Wettbewerb um Stimmenanteile ein Stadium erreicht, in dem die Orientierung an den Aufmerksamkeitsregeln der Massenmedien auch das Taktieren der Akteure auf den politischen Hinterbühnen erfasst, so dass ein Verschwinden jeglicher publizitätsfreier Räume zu erwarten ist? Um auf diese Frage eine Antwort zu-finden, werden im folgenden drei Argumentationsschritte unternommen. Begonnen wird mit der Skizzierung einiger Gründe für die Abschwächung der Bindungen zwischen Parteien und Wählern. Im Mittelpunkt steht dabei das „Ende der großen Ideologien“ und der hiermit einhergehende Verlust eindeutiger Bezugskollektive für politische Repräsentationsangebote. Diese Entwicklung wird aus Sicht der Parteien als eine generelle Verunsicherung in der programmatischen Ausrichtung und eine Verschärfung des Wettbewerbs um die Gunst der Wähler erfahren (Abschnitt 1). Als Konsequenz dieser Entwicklung zeichnet sich immer deutlicher ab, dass Parteien im Kampf um Aufmerksamkeitsanteile der Bevölkerung auf die Unterstützung der Massenmedien angewiesen sind mit der oft beklagten Folge einer „Telegenisierung“ ihrer Politikvermittlung (Abschnitt 2). Massenmedien dienen jedoch nicht nur einer möglichst öffentlichkeitswirksamen Inszenierung der Parteien, sondern auch einer Einschätzung der Erfolgsaussichten politischer Angebote. Sie bilden vor allem für die mit Fragen der Öffentlichkeitsarbeit und Repräsentation betrauten Akteure an den Grenzlinien der Parteien wichtige Instrumente der Informations- und Wissensbeschaffung. Deren Ergebnisse gewinnen nun infolge einer Kontingentsetzung programmatischer Richtlinien auch für die internen Kursbestimmungen der Parteien eine immer größere Bedeutung, so dass in dem Maße, wie die Grenzstellen sich durch die Monitoring-Leistungen der Massenmedien beeindrucken lassen, rückwirkend auch hinsichtlich der programmbezogenen Entscheidungen in den öffentlichkeitsfernen Kernzonen der Parteien mit Medieneffekten zu rechnen ist (Abschnitt 3).
„Der Politiker ist kein Showmaster“ (Franz Josef Strauss vor Fernsehjournalisten)
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Wehner, J. (1999). “Boundary Activity” — Zum Verhältnis von politischen Parteien und elektronischen Medien. In: Imhof, K., Jarren, O., Blum, R. (eds) Steuerungs- und Regelungsprobleme in der Informationsgesellschaft. Mediensymposium Luzern, vol 5. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-12385-9_8
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