Zusammenfassung
Die Beschäftigung mit Otto Jahn reicht in die Anfänge meiner Bonner Studienzeit zurück. Sein Porträt in Wolfgang Schmids Direktorenzimmer und gelegentliche Bücherfunde in der Seminarbibliothek mit dem Jahnschen Exlibris von Ludwig Richter erschienen dem Studenten als Spuren der Geschichtsträchtigkeit des gewählten Studienortes. Der philologische Lehrbetrieb — traditionsbewußt und gediegen — bot wenig Anlaß zu Enthusiasmus; um so bereitwilliger erwärmte man sich bei dem Gedanken, daß hier einst Nietzsche und Wilamowitz studiert hatten. Den großen Streit aus nichtigem Anlaß zwischen Jahn und Ritschl, den die Professoren noch immer als Makel der Seminargeschichte zu betrachten schienen (man sprach lieber von Usener und Bücheler), las ich in der Darstellung von Otto Ribbecks Ritschl-Biographie. Was Wunder, daß ich ein Ritschlianer war. Sich mit Nietzsche im gleichen Lager zu wähnen war nicht unangenehm. Schmid äußerte beiläufig seine Sympathie für das Paradoxon, daß der Genialische nicht dem άνήρ μονσιóς, sondern dem Meister der philologisch-kritischen Methode gefolgt war. Nachdenklichkeit stellte sich erst Jahre später ein, als ich beim Lesen von Nietzsches Briefen entdeckte, daß er in Bonn durchaus ein Anhänger Jahns gewesen und seine Übersiedlung nach Leipzig, wo Ritschl ihn als Bonner Getreuen begrüßte, aus ganz äußerlichen Gründen erfolgt war. Aber den eigentlichen Anstoß, Jahn Gerechtigkeit widerfahren zu lassen, gab die Lektüre seines Briefwechsels mit Mommsen während eines Aufenthalts im Deutschen Archäologischen Institut in Rom (Herbst 1985). William M. Calders Aufforderung, für seine geplante biographische Enzyklopädie den Artikel Otto Jahn zu übernehmen, bot die Gelegenheit einer erneuten Beschäftigung mit Jahn.
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Müller, C.W. (1991). Vorbemerkung. In: Otto Jahn. Vieweg+Teubner Verlag, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-12279-1_1
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DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-663-12279-1_1
Publisher Name: Vieweg+Teubner Verlag, Wiesbaden
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