Zusammenfassung
Welche Strategien verfolgen Tageszeitungen im „World Wide Web“? In der Literatur finden sich mehrere Versuche, Angebotskonzepte für Netzauftritte von Zeitungen zu typologisieren: Daniel Brössler unterschied 1995 in seinem Buch „Zeitung und Multimedia“, der ersten wichtigen deutschsprachigen Publikation über das Thema, am Beispiel amerikanischer Webangebote den kompletten Dienst mit breitem Angebot, den zielgruppen-orientierten Dienst und den „Special Interest“-Dienst auf.1 Katja Riefler nannte 1996 drei Konzepte: den reinen Marketingauftritt ohne redaktionelle Inhalte, das Zugänglichmachen eines Teils der gedruckten Ausgabe und das regionale Informations- und Kommunikationszentrum, mit dem der angestammte Leser- und Anzeigenmarkt abgesichert werden soll.2 Sascha Klettke u.a. erweiterten schließlich diese Typologie auf fünf Konzepte: die „Zeitung pur“, den Typ „Special interest“, das lokale Informationszentrum, die „Spielwiese“ und en Netzauftritt als „Marketing-Instrument“.3 Diese Unterscheidungen sind phänomenologisch gewonnen, ihnen mangelt es noch an empirischer Erhärtung.4 Auch die hinter den Konzepten stehenden Strategien der Verlage und ihre Akzeptanz bei den Nutzern sind kaum erhellt.
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Literatur
Vgl. Brössler, Daniel: Zeitung und Multimedia. Was Leser und Journalisten erwartet — Visionen aus Amerika. München 1995, S. 50–55.
Vgl. Riefler, Katja: Zeitungen online — Chancen oder Risiko? Onlineaktivitäten der Zeitungsverleger. In: Media Perspektiven. 1996, H. 10, S. 537–549, hier S. 539. Vgl. auch Riefler, Katja: Zeitungen Online. Neue Wege zu Lesern und Anzeigenkunden. Bonn 1995, S. 90–95.
Vgl. Klettke, Sascha/Link, Philip/Remberg, Stefanie/Wöbking, Mathias: Der digitale Zeitungskiosk. Eine Typologisierung von Online-Tageszeitungen. In: Neverla, Irene (Hg.): Das Netz-Medium. Kommunikationswissenschaftliche Aspekte eines Mediums in Entwicklung. Opladen/Wiesbaden 1998, S. 263–298, hier S. 267–275.
So erwies sich die Unterscheidung von Klettke u.a. als so wenig trennscharf, daß befragte Redakteure zu zwei Dritteln meinten, drei und mehr Typen träfen für ihr Angebot zu. Vgl. ebd., S. 275.
Die Stichprobe der Nutzerumf rage kam durch Selbstselektion zustande, ist also nicht repräsentativ für die Gesamtleserschaft eines Online-Titels, dürfte aber Tendenzen erkennen lassen. Über einen Link auf der Homepage hatten die Nutzer acht Wochen lang Zugang zu einem auf dem Universitäts-Server abgelegten Fragebogen, der dem jeweiligen Zeitungstitel angepaßt war (Juni bis August 1997 ). Die Intensivinterviews führte Matthias Mehlen mit folgenden Gesprächspartnern: Angelika Jung-Hüttl, Redakteurin von „SZonNet“, Gerhard Andreas Schreiber, Leiter der Abteilung Multimedia des Süddeutschen Verlags und operativer Leiter von „SZonNet” (29. Juli 1997); Karin Bernhard, Projektleiterin von „Express online“, Edgar Franzmann, Redaktionsleiter von „Express online” (31. Juli 1997); Heinz Joachim Hauck, Projekt-und Redaktionsleiter des „Nordbayern Infonet“ und der angeschlossenen Zeitungen, darunter „Nürnberger Nachrichten” und »Nürnberger Zeitung“ (5. August 1997); Dieter Kienitz, Projektleiter und verantwortlicher Redakteur für „Nordsee-Küste” (23. Juli 1997). Zu weiteren methodischen Einzelheiten vgl. Duck, André: Männlich, gebildet, jung, liest. Eine Online-Befragung der Nutzer von Webangeboten deutscher Tageszeitungen; Neuberger, Christoph: Nachrichten-Recycling oder Online-Journalismus? Print-und Onlineversion von Tageszeitungen im Vergleich (in diesem Band).
Zahl der antwortenden Nutzer in der Online-Befragung und Erhebungszeitraum: „SZonNet“: 638, 11.6.-6.8.1997; „Express online”: 208, 16.6.-10.8.1997; „Nordbayern Infonet“: 142, 22.6.17.8.1997; „Nürnberger Nachrichten”: 248, 22.6.-17.8.1997; „Nürnberger Zeitung“: 28, 22.6.17.8.1997; „Nordsee-Küste” („Dithmarscher Landeszeitung“): 13, 5.6.-30.7.1997. Wegen der geringen Zahl der Antworten werden die Ergebnisse für das Angebot „Nordsee-Küste” zwar in den Tabellen ausgewiesen, aber im Text nicht weiter berücksichtigt.
Die Klassifikation der „Süddeutschen Zeitung” als überregionale Abonnementzeitung ist umstritten. Walter J. Schütz rechnet sie nicht dazu, weil sie nicht „mehr als die Hälfte ihrer Auflage ohne Bindung an ein lokales oder regionales Verbreitungsgebiet“ absetzt. Vgl. Schütz, Walter J.: Deutsche Tagespresse 1997. Ergebnisse der vierten gesamtdeutschen Zeitungsstatistik. In: Media Perspektiven. 1997, H. 12, S. 663–684, hier S. 683. Vgl. auch Uenk, Renate/Laarmann, Susanne: Medium Zeitung. Vergleichende Darstellung und Analyse von Werbeträgern. Frankfurt a.M. 1992, S. 25–27. Die SZ besitzt aber die anderen dafür geforderten Merkmale: eine schwerpunktmäßig nationale und internationale Berichterstattung, ein breites redaktionelles Angebot, besonders zu den Themen Politik, Wirtschaft und Kultur, sowie eine schichtmäßig relativ hoch angesiedelte Leserschaft.
Auflagedaten nach: IVW-Auflagenliste II. Quartal/1997. Für NN und NZ wird die Auflage nur gemeinsam ausgewiesen.
Vgl. Bassow, Kerstin/Schmidt-Fischbach, Patricia: Erstes Lizenzblatt: Die „Süddeutsche Zeitung“. In: Wagner, Hans/Koch, Ursula E./Schmidt-Fischbach, Patricia (Hg.): Enzyklopädie der bayerischen Tagespresse. München 1990, S. 87–105.
Dies scheint typisch für überregionale Abonnementzeitungen zu sein: In einer Befragung von 4.189 „Welt online“-Lesern im Februar/März 1996 nannten als Herkunftsland nur 65% Deutschland, dagegen 19% die USA, 9% ein Land im übnrigen Europa und 7% ein sonstiges Land. Vgl. Welt online: Die Ergebnisse der Leserumfrage. Ohne Datum. „http://www.welc.de/extra/umfrage/welcome.html” 24. 03. 1998
In Deutschland nutzten dagegen die Printversion nur 11% „nie“, dafür 19% „täglich” und 20% „mehrmals wöchentlich“. Ahnlich das Resultat einer Online-Nutzerbefragung bei „SZonNet” mit 1.048 ausgefüllten Fragebögen (21.12.1996–3.3.1997). Vgl. Spott, Markus/Rieß, Martin/Zeh, Reimar: Nutzung von Online-Zeitungen. Betrachtungen am Fallbeispiel SZonNet. In: Hagen, Lutz M. (Hg.): Online-Medien als Quellen politischer Information. Empirische Untersuchungen zur Nutzung von Internet und Online-Diensten. Opladen/Wiesbaden 1997, S. 130167, hier S. 153.
Vgl. Haller, Michael: „Ich halte nichts vom Ambiente-Journalismus“ (Interview mit dem Chefredakteur der»Süddeutschen Zeitung”, Hans Werner Kilz). In: sage and schreibe. 1997, H. 9, S. 22–24, hier S. 23.
Eine Varianzanalyse ergab, daß „SZonNet“-Nutzer, die nach aktueller Information suchten, das Angebot besser bewerteten als jene, die recherchieren wollten oder Service nachfragten. Vgl. Spott u.a., 1997, a.a.O., S. 159.
Bei einer Auswertung der Logfiles von „SZonNet“ (April 1996-Februar 1997) ergab sich jedoch, daß in der Nutzungshäufigkeit (nach „Page views”) der Sport hinter der Politik, aber noch vor der Wirtschaft lag. In einer Abonnentenbefragung des Süddeutschen Verlags im Januar 1996 für die Printversion lagen hingegen „Bundespolitik“, „Außenpolitik” und „Wirtschaft“ an der Spitze des Themeninteresses, „Sport” schnitt sehr viel schlechter ab. Vgl. ebd., S. 150–152.
Mast, Claudia/Popp, Manuela/Theilmann, Rüdiger: Journalisten auf der Datenautobahn. Qualifikationsprofile im Multimedia-Zeitalter. Konstanz 1997, S. 66.
In der W3B-Befragung vom Oktober/November 1997 gaben unter 16.403 befragten deutschsprachigen Webnutzern 1,8% an, „fast täglich“ das Angebot von „SZonNet” aufzusuchen, 3,0% kamen „ungefähr 2–3 mal pro Woche“ und 4,8% „ungefähr einmal pro Woche”. Faßt man diese Kategorien zusammen, so lag „SZonNet“ (9,5%) noch vor der „Welt” (8,1%) und der „Frankfurter Rundschau“ (5,3%) sowie gleichauf mit „Bild” (9,5%). Es verwundert allerdings, daß selbst die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ hier einen Wert von 8,1% erzielte, obwohl sie keinerlei aktuelle Informationen kostenlos im „World Wide Web” anbietet. Vgl. Fittkau and Maaß: WWW-Benutzer-Analyse. Erhebung Oktober/November 1997. Hamburg 1997, S. 45 f. Im Juli 1998 erreichte „SZonNet“ 660.024 „Visits” und 2.316.624 „Page impressions“. Nach „Visits” lag sie damit in der Untergruppe „Zeitungsangebote“ auf Rang fünf. Vgl. Informationsgemeinschaft zur Feststellung der Verbreitung von Werbeträgern e.V. (IVW): Online-Nutzungsdaten. „http://www.ivw.de/” 21.09.1998
Garcia, Mario R.: Redesigning Print for the Web. Successful strategies and professional techniques for re-thinking information design. Indianapolis, Indiana 1997, S. 116.
Vgl. ebd., S. 101.
Die Benutzerführung war hier nicht klar genug, Erläuterungen zum Aufbau wurden nur recht versteckt unter „Hilfe“ und „Inhalt/Index” gegeben.
Express online“ erreichte gemeinsam mit dem „Columbus City Guide”, dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ und der „Kölner Rundschau Online” im Juli 1998 717.047 „Visits“ und 2.354.497 „Page impressions”. Vgl. IVW, a.a.O.
Die Käufer der angeschlossenen Zeitungen haben — was es in Deutschland nur in zwei Fällen gibt — die freie Mantelwahl: Seit 1971 wird im gesamten NN-Verbreitungsgebiet auch der NZ-Mantel unter dem Titel „Nordbayerische Zeitung“ angeboten. Zu diesem Verlagsmodell vgl. Moosmüller, Anette/Schaffer, Anabel: Geschwisterliebe oder Rivalität unter einer Verlagsdecke? Zum Konkurrenz-und Komplementärverhältnis von Nürnberger Nachrichten und Nürnberger Zeitung. Unveröffentlichte Diplomarbeit Journalistik, Eichstätt 1996.
Sie hatten nur in der linken Navigationsleiste als obersten Link „Nordbayern Infonet — zur Titelseite“. Die NZ gab am Ende des Mainframes außerdem den Hinweis: „Noch mehr aktuelle Meldungen, Tips, Sport, Kino-News und noch viel mehr…” und unkte von dort zum NI.
Gelegentlich wurde auch beim selben Thema vom NI sowohl auf einen NN- als auch auf einen NZ-Artikel gelinkt, was den Reiz besaß, daß man beide Perspektiven einander gegenüberstellen konnte. Im NI wurden außerdem Kritiken zum selben Film aus NN und NZ nebeneinander angeboten. Überdies waren jeweils 11 Artikel aus den Druckausgaben von NN und NZ nur im NI enthalten. Darüber hinaus verwies das NI im Mainframe auf 15 Artikel, die im Druck weder in NN noch in NZ erschienen sind. Auch unter „Sport-News“ und „NetNews” waren viele Artikel nicht in einer Druckausgabe enthalten.
Reise“ (NN/NZ); »Service” (NZ) und „Ratgeber“ (NN); „Pop-News” (NZ) und „Musik“ (NN); „Nürnberg” und „Region“ in der NZ mit älteren Artikeln, dagegen führten „Nürnberg” und „Die Region“ im NI zu externen Links.
Vgl. Höflich, Joachim R.: http://www.zeitung.de. Perspektiven der Online-Aktivitäten lokaler Tageszeitungen— oder das Wagnis Internet und der Verlust des Lokalen? In: Publizistik. 43 (1998), H. 2, S. 111–129; Cornelissen, Jan: Tageszeitungen online. Ziele, Strategien und Erfahrungen von Web-Zeitungen. Eine E-mail-Befragung unter Online-Redaktionen. Unveröffentlichte Magisterarbeit, München 1997, S. 39 f.
Auf diese Ergänzungsfunktion des Webangebots wird zum Beispiel ausdrücklich am Ende von Artikeln in der Wochenzeitung „Die Zeit“ hingewiesen.
Zum Ratgeberjournalismus vgl. Neuberger, Christoph: Journalismus als Problembearbeitung. Objektivität und Relevanz in der öffentlichen Kommunikation. Konstanz 1996, S. 308–315.
Vgl. Bartel, Ralph: Fernsehnachrichten im Wettbewerb. Die Strategien der öffentlich-rechtlichen und privaten Anbieter. Köln/Weimar/Wien 1997, S. 67–69.
Für die Anlage einer solchen Studie bieten die Untersuchungen von Elisabeth Noelle-Neumann und Klaus Schönbach über die Erfolgsbedingungen der gedruckten Zeitung Orientierung. Vgl. Noelle-Neumann, Elisabeth: Die Antwort der Zeitung auf das Fernsehen. Geschichte einer Herausforderung. Konstanz 1986; Schönbach, Klaus (Hg.): Zeitungen in den Neunzigern: Faktoren ihres Erfolgs. 350 Tageszeitungen auf dem Prüfstand. Bonn 1997. Vgl. dazu Neuberger, Christoph: Vom Papier auf den Bildschirm. Die Zeitung in der Metamorphose (in diesem Band).
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Neuberger, C. (1999). Regionale Plattform oder Schaufenster zur Welt?. In: Neuberger, C., Tonnemacher, J. (eds) Online — Die Zukunft der Zeitung?. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-12271-5_6
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