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Theoretische und methodische Vorüberlegungen

  • Chapter
Klassen, Schichten, Mobilität

Part of the book series: Studienskripten zur Soziologie ((TEUSS,volume 46))

  • 26 Accesses

Zusammenfassung

Dieses Buch trägt einen altmodischen Titel. Was bis in die sechziger Jahre unter dem Begriff der sozialen Schichtung behandelt wurde, wird heute unter dem Begriff der Ungleichheit thematisiert. Zwar benutzten z.B. DAHRENDORF (1961) und LEPSIUS (1961) in ihren Erörterungen schon den Begriff Ungleichheit, heute ist die Popularität des Begriffs aber unverkennbar. Das Buch von BOLTE et al. (1974) hieß in früheren Auflagen “Soziale Schichtung”, heute heißt es “Soziale Ungleichheit”. Eine Erklärung über den Grund und die Relevanz der Änderung fehlt. SCHEUCH (1974), setzt sich als einziger recht polemisch mit diesem neumodischen Trend auseinander. Auch in neuen Lehrbüchern der Soziologie finden wir ihn zunehmend. Diese Veränderung wird weder in dem Ubersichtsartikel von MÜLLER und MAYER (1975) noch in dem von HÖRNING (1976) erwähnt. Was hat sich da verändert? Nur der Begriff oder auch die Wirklichkeit? Sind Klassen und Schichten heute nicht mehr relevant? Es sind verschiedene Faktoren, die den Begriffswandel verursacht haben. Nach dem Zweiten Weltkrieg und der Wiederherstellung einigermaßen normaler Lebensverhältnisse setzte ein großer Optimismus ein. Der wirtschaftliche Aufschwung, der Frieden, so meinte man, würde automatisch einen Abbau von Klassenunterschieden zur Folge haben. Typisch für diese Denkrichtung sind verschiedene Aufsätze von SCHELSKY, in denen er nachzuweisen versucht, die Nachkriegsgesellschaft bewege sich in Richtung einer nivellierten Mittelstandsgesellschaft (SCHELSKY 1979 a). Nach dieser These haben sich die Klassenunterschiede weitgehend abgebaut. Eine Klassenanalyse sei nicht mehr lohnend, eher noch eine Analyse sozialer Mobilität. Das weit verbreitete Aufstiegsstreben müsse allerdings enttäuscht werden, da “oben” nicht genügend Stellen frei wären. Die daraus entstehenden Konflikte seien für die künftige Gesellschaft typisch, nicht aber Klassenkonflikte. In den sechziger Jahren wurden solche Prognosen mit Tatsachen konfrontiert. In den Vereinigten Staaten (HARRINGTON 1962), in England (TOWNSEND 1970), in Schweden (JOHANSON 1970) “entdeckte” man die Armen. DAHRENDORF (1965) prangerte Mitte der sechziger Jahre die Ungleichheit der Bilngschancen an. Man stellte plötzlich fest, daß die optimistische Einschätzung der ausgleichenden Funktion des wirtschaftlichen Wachstums nicht korrekt gewesen war. Daraus resultierten dann politische Forderungen der verschiedensten Art. Allerdings war der Lebensstandard gestiegen, so daß faktisch — und ideologisch — der Begriff Schicht (im Englischen “Class”) oder Klasse nicht mehr legitim zu sein schien. Man konnte auch nicht wie MILLER und ROBY (1970) anführen, den Begriff Armut benutzen, weil es sich in den meisten Fällen nicht um absolute Armut (Hunger, fehlende Unterkünfte etc.), sondern um relative Benachteiligung handelte. Als politische Waffe ist dann der Begriff Chancengleichheit entstanden und von Sozialwissenschaftlern übernommen worden. Ein zweiter Gesichtspunkt ist ebenso wichtig. Der Begriff Ungleichheit umfaßt mehr als die traditionellen Schichtungsvariablen, also Eigentum, Einkommen, Status, Macht. Die Ursachen von Unterschieden zwischen Männern und Frauen, zwischen Schwarzen und Weißen etc. stehen nunmehr gleichberechtigt neben den traditionellen Fragestellungen. Die Anwendbarkeit der Begriffe Schicht oder Klasse ist in diesen Fällen nicht unmittelbar gegeben. Die Benutzung des Begriffs Ungleichheit weist also auf eine Erweiterung der Fragestellung der klassischen Schichtungsforschung hin. Drittens lag ein Grund für die Ubernahme des neuen Terminus darin, daß sowohl Schichtungs- als auch Klassenanalytiker sich mit dem Begriff,Ungleichheit identifizieren konnten. Im letzten Jahrzehnt hat sich nämlich das Interesse unter den marxistisch orientierten Soziologen für eine empirisch fundierte Klassenanalyse vergrößert (z.B. TJADEN-STEINHAUER und TJADEN 1973).

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© 1983 Springer Fachmedien Wiesbaden

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Herz, T.A. (1983). Theoretische und methodische Vorüberlegungen. In: Klassen, Schichten, Mobilität. Studienskripten zur Soziologie, vol 46. Vieweg+Teubner Verlag, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-12192-3_3

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  • Publisher Name: Vieweg+Teubner Verlag, Wiesbaden

  • Print ISBN: 978-3-519-00046-4

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