Expertiseforschung pp 191-212 | Cite as
Entwicklung von Expertise: Erste Domänenerfahrungen von Novizen am Beispiel des Erwerbs kompetitiver Spielexpertise im Schach
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Zusammenfassung
Zur Erklärung menschlicher Erkenntnisleistungen trug in den letzten zwei Jahrzehnten Expertiseforschung bei. Sie beschäftigt sich besonders mit Personen, die auf ihrem Spezialgebiet hochentwickeltes Wissen und Können produzieren. Studien am Schachmodell erwiesen sich dabei als aussagekräftiges Instrumentarium. In der Komplexität, Variabilität, kombinatorischen Unbestimmtheit (Kauke, 1992) und gefragten Intentionalität wechselseitig voneinander abhängiger Entscheider ähnelt dieses Spiel mit einer mehr als 2 500 Jahre alten Entstehungsgeschichte vielen Alltagsanforderungen. Zugleich ist es reduziert auf einen einfachen Satz von Regeln und eine überschaubare Zahl von Operationen. Diese Beschaffenheit begründet seinen Nutzwert als Modell, an dem sich grundlegende kognitionspsychologische Fragen vereinfacht stellen und quasi-experimentell beantworten lassen. Mittels seiner häufig zitierten Untersuchung an Schachmeistern inspirierte De Groot (1965) die Perzeptionstheorie von Chase und Simon (1973). Sie basiert auf dem Chunkbegriff von Miller (1956). Danach können gleichzeitig nur etwa 7±2 Einheiten im Kurzzeitgedächtnis bewahrt werden; insofern ist die Informationsverarbeitungskapazität von Menschen begrenzt. Folglich müßte sich die Art der Wissensrepräsentation, d. h. die abrufbereite Integration der Gedächtnisbestände, erfahrener Spieler von minder erfahrenen Entscheidern unterscheiden. Der Zusammenhang von Wissensrepräsentation und Wissensnutzung ist jedoch noch nicht hinreichend aufgehellt.
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