Zusammenfassung
In den vorhergehenden Kapiteln ist versucht worden, nachzuweisen, daß sowohl in wissenschaftsgeschichtlichen, -philosophischen und -soziologischen Dimensionen eine Auffassung vorhanden ist, die strikt zwischen Entstehungs- und Begründungszusammenhang wissenschaftlicher Theorien trennt. Wenn diese Auffassung, die eine der Grundannahmen der positivistischen Wissenschaftstheorie ausmacht, stimmt, dann müßte es relativ einfach sein, die nukleare Kontroverse — sofern sie sich in wissenschaftlichen Dimensionen abspielt — rein forschungslogisch oder auch rein an historisch-sozialen Entstehungsbedingungen zu untersuchen. Aber es ist im Verlauf der Arbeit wiederholt darauf hingewiesen worden, daß eine solche Trennung einem umfassenden Verständnis des Wissenschaftsfortschritts im Wege steht. Unsere These ist, daß der Begründungszusammenhang, die Bewertung konkurrierender Problemlösungsvorschläge, nicht abgetrennt von dem Entstehungszusammenhang, der Frage nach Auswahl und Konstituierung wissenschaftlicher Probleme betrachtet werden kann. Dies gilt ganz allgemein, im Besonderen aber für die Analyse der in der Kernenergiediskussion vorhandenen Thesen. In den folgenden Ausführungen wird am Beispiel Flecks Auffassung zum Wissenschaftsfortschritt eine Position sichtbar, die diese Auffassung stützt.
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Literatur
Fleck, L., Entstehung und Entwicklung einer wissenschaftlichen Tatsache, Frankfurt 1980, dazu bes. S. 65 ff
Kuhn selbst spricht im Vorwort zu seiner Arbeit “Die Struktur wissenschaftlicher Revolutionen” davon, daß Flecks Untersuchung viele seiner Gedanken vorwegnimmt, a.a.O., S. 9
Der umfangreichen Literatur wäre hier nichts Neues hinzuzufügen.
Hier sei nur exemplarisch erwähnt, die dem positivistischen Sensualismus verpflichtete Arbeit von Geiger, T., Ideologie und Wahrheit, Stuttgart/Wien 1953 und Marica, G.E., Emile Durkheim, Soziologie und Soziologismus, Jena 1932
Vgl. S. 13 f dieser Arbeit
Siehe dazu die entsprechenden Kapitel von Greif, Gesellschaftsform und Erkenntnisform, a.a.O.
Gumplowicz, L., Grundriss der Soziologie 1905, S. 269, hier zit. nach Fleck, a.a.O., S. 63 f
Mannheim, K., Ideologie und Utopie, Frankfurt 1952, S. 242
So Kurucz, J., Falsches Bewußtsein und geronnener Geist, Köln 1970, S. 10
Vgl. dazu neben entsprechenden Stellen in Mannheim, Ideologie und Utopie, a.a.O. auch dens., Die Bedeutung der Konkurrenz im Gebiete des Geistigen, in: Verhandlungen des Sechsten Deutschen Soziologentages, Tübingen 1929, S. 41 f und dens., Das Problem einer Soziologie des Wissens, in: Wissenssoziologie, Auswahl aus dem Werk, eingeleitet und herausgegeben von K.H. Wolff, Berlin/Neuwied 1964, S. 309 f.
Nietzsche, F., Jenseits von Gut und Böse, Stuttgart 1953, S. 17 f
Durkheim, E., Les Formes élémentaires de la vie religieuse, ich habe mit der englischen Ausgabe gearbeitet: The Elementary Forms of the Religious Life, London 19717. Besonders das Einleitungs- und Schlußkapitel sind in diesem Zusammenhang wichtig.
Schäfer, L./Schnelle, T., Ludwig Flecks Begründung der soziologischen Betrachtungsweise in der Wissenschaftstheorie, in: Fleck, a.a.O., S. XVII
So z.B. ebd. auf S. 59. Die Formulierung taucht an mehreren Stellen immer wieder auf; siehe auch S. 53
Jerusalem, W., Die soziologische Bedingtheit des Denkens und der Denkformen, in: Scheler, M., Versuche, a.a.O., S. 182–207 (Hrsg.), Versuche zu einer Soziologie des Wissens, München und Leibzig 1924, im folg. zit. als: Scheler, Versuche
Vgl. Durkheim, E., Formes élémentaires, a.a.O.; Regeln der soziologischen Methode, Neuwied und Berlin 19703.
Fleck, a.a.O., S. 65 ff. Dies ist übrigens auch ein Hinweis darauf, daß Wissens- und Wissenschaftssoziologie in gewisser Weise weitgehend getrennte Fachgebiete darstellen, worauf im Zusammenhang mit Mer-tons Wissenschaftssoziologie bereits hingewiesen wurde. Andererseits waren durchaus immer schon Bereiche von Wissenschaft und Forschung auch Gegenstand wissenssoziologischer Betrachtungen; vgl. dazu z.B. entsprechende Aufsätze von Honigsheim (S. 256 ff; S. 263 ff), Hashagen (S. 233 ff), Pleßner (S. 407 ff), alle in: Scheler, Versuche, a.a.O.
ausführlicher darüber: Kon, I.S., Der Positivismus in der Soziologie, Berlin 1973, hier bes. S. 210 ff
Voller Beispiele dafür ist insbesondere das vierte Kapitel von Fleck, a.a.O., S. 109 ff.
siehe S. 24 f dieser Arbeit
Spengler, O., Der Untergang des Abendlandes, München 1923, S. 473
siehe dazu insbes. Habermas, J., Wahrheitstheorien, in: Wirklichkeit und Reflexion (Festschrift für Walter Schulz zum 60. Geburtstag), Pfullingen 1973, bes. S. 217 ff
s. ebd., S. 52, wo Fleck ein Beispiel für diese Art von Forschung anführt.
Ebd., S. 136. Eine ganze Reihe dieser Vorstellungen Flecks finden auf einer psychologischen Ebene in den Arbeiten Jungs bestimmte Entsprechungen; siehe dazu z.B. die entsprechenden Gedanken in: Jung, C.G., Zugang zum Unbewußten, in: Jung, C.G./von Franz, M.-L./Freeman, J, Der Mensch und seine Symbole, Olten 198012, S. 20–103
Kob, J., Soziologische Theorie der Erziehung, Stuttgart 1976, S. 22 ff
Fleck, a.a.O., S. 143 f
vgl. dazu Weingart, P., Wissenschaftlicher Wandel als Institutionalisierungsstrategie, in: Weingart, P., (Hrsg.), Wissenschaftssoziologie 2, Determinanten wissenschaftlicher Entwicklung, S. 26 f; siehe auch ebd., S. 21 f, wo er auf die Identität von sozialen und kognitiven Faktoren des Wissenschaftsprozesses verweist, im folg. zit. als: Weingart, Wissenschaftssoziologie
Weingart, P., Wissensproduktion und soziale Struktur, Frankfurt 1976, S. 58 f, im folg. zit. als: Wissensproduktion
siehe zu Punkt 1.-3. Fleck, a.a.O., S. 40
siehe dazu die Einleitung zur Neuausgabe von Fleck, a.a.O.
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Riedle, K. (1984). Wissenschaftssoziologie bei Fleck. In: Wissenschaft und Kernenergie. Sozialwissenschaftliche Studien, vol 20. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-11868-8_5
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