Zusammenfassung
Die Frage der Reform der Wahlsysteme in den osteuropäischen Transitionsländern tangiert verschiedene Felder theoretischer Kontroversen. Dieter Nohlen (1984b) hat changes and choices in electoral systems für die westlichen Industriestaaten untersucht und betont, daß — entgegen dem Eindruck, den die in Wissenschaft und politischer Öffentlichkeit um die Alternative Mehrheitswahl oder Verhältniswahl kreisende Debatte vermittelt — in der Empirie die Wechsel zwischen den Repräsentationsprinzipien rar seien und sich die Reformen von Wahlsystemen im wesentlichen auf solche innerhalb eines Grundtyps beschränken. Arend Lijphart (1994:52) hält diese These für „one of the best-known generalizations about electoral systems“, die er in seiner umfangreichen Untersuchung von 27 Demokratien über den Zeitraum von 1945 bis 1990 bestätigt gefunden hat. Die Kritik von Giovanni Sartori (1994:28) an ihr geht insofern fehl, als diese These ja keineswegs die Bedeutung der Reformen von Wahlsystemen innerhalb der Repräsentationsprinzipien herunterspielen, sondern just die Aufmerksamkeit von Reformern und Wissenschaftlern auf den Bereich lenken will, in welchem erfahrungsgemäß Reformen möglich sind. Sartori wendet sich gegen das angebliche no-choice Argument auch mit dem Hinweis, daß die Demokratisierung in Afrika und Osteuropa ein per force choice beinhalte.
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Referenzen
Die general rule ist: „increasing proportionality will increase the number of parties and vice versa“, Lijphart (1994:82).
Da Lijphart in seiner empirisch-statistischen Studie (1994) die gesetzliche Sperrklausel und die natürliche Wahlkreishürde zu einer einzigen Variablen, nämlich der effective threshold zusammenfügt, läßt sich diese für Reformfragen wichtige Unterscheidung bei ihm gar nicht mehr treffen. Dabei erzielen beide Variablen hinsichtlich der Proportionalität unterschiedliche Effekte. Sperrklauseln gestatten eine proportional ausgewogene Bevorzugung aller Parteien, die die Sperrklausel überspringen. Wahlkreishürden bedingen Disproportionen zwischen den Parteien, die an den Mandaten beteiligt sind: Die großen Parteien werden (je nach Zuteilungsverfahren) mehr oder weniger begünstigt.
Kritisch hingegen Owen (1992:13); er hat das ungarische Wahlsystem als problematisch eingeschätzt, weil es (wie das polnische, sic!) die Fähigkeit der stärksten Partei untergrabe, eine parteilich homogene Mehrheitsregierung zustandebringen. Damit hat er sich gründlich geirrt. Auch für Babst.(1992:72) stellte sich das ungarische Wahlsystem „in der Realität als problematisch“ dar, ebenso für Rüb (1996:55f.).
Vgl. den Lerneffekt hinsichtlich der Sperrklausel in Bulgarien zwischen 1991 und 1994 (s. Kapitel 4.3).
Zu dieser Gruppe gehört auch Serbien, das die absolute Mehrheitswahl durch die Verhältniswahl in Mehrpersonenwahlkreisen in den vorzeitigen republikweiten Wahlen von 1992 ersetzte.
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Nohlen, D., Kasapovic, M. (1996). Kritik und Reform der osteuropäischen Wahlsysteme. In: Wahlsysteme und Systemwechsel in Osteuropa. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-11804-6_9
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DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-663-11804-6_9
Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden
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