Zusammenfassung
„Haben sich (die osteuropäischen Länder) für Wahlsysteme entschieden, die in ihrem Falle fragwürdig sind oder verhängnisvoll werden können?“ Diese Frage stellte sich Stefanie Babst (1992:71) und kam implizit für die von ihr untersuchten Länder zu einem negativen Urteil86, wobei sie freilich im Resumée alle Fälle gedankenlos mit reiner Verhältniswahl identifiziert und nicht unproblematisch für „Handlungsfähigkeit und Autorität“ der politischen Führung auch in Gesellschaften mit ethnischer Konfliktladung plädiert (ebda.: 83). Arend Lijphart gelangt da aufgrund seiner normativen Nähe zur Verhältniswahl und konkordanzdemokratischen Politikmustern in den drei Fällen zu ganz anderen Bewertungen, zumal er die Unterschiede zwischen den Wahlsystemen wahrnimmt, die er auf dem Kontinuum der Wahlsysteme zwischen den extremen Polen weit gestreut piaziert: Polen und Tschechoslowakei im Feld der Verhältniswahlsysteme, Ungarn im Feld der Mehrheitswahlsysteme87. Lijphart sicht nur geringen Reformbedarf: in Polen in Richtung einer moderaten Verhältniswahl (diese Reform fand inzwischen statt) und in Ungarn in Richtung auf eine Vereinfachung des Wahlsystems, da er davon ausgeht. daß der maioritäre Charakter des Systems Bestand haben dürfte (ebda.:220). Wolfgang Merkel (1996a: 105) verteilt Lob und Tadel ungleich.
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Für Babst stellt sich das ungarische Wahlsystem „in der Realität als problematisch“ heraus. Im Falle der Tschechoslowakei demonstrieren ihr zufolge die Wahlergebnisse von 1990, „daß sich die 5-Prozent-Klausel des Verhältniswahlsystems nur als schwacher Sperrmechanismus für den Einzug von Parteien ins Parlament erwiesen hat“, und für Polen „hat sich das neue Wahlgesetz (von 1991) nicht als ein adäquates Instrument erwiesen, um die befürchtete Zersplitterung des polnischen Parlaments zu verhindern“ (ebda.:72, 77, 81).
Allerdings ist sich Lijphart (1992:210f.) in der hohen Einschätzung der Wahlsysteme so sicher nicht: Einerseits stuft er Polen als „extreme PR“ ein, andererseits findet er die Wahlkreisgröße (Mittelwert von 10,6 Mandaten pro Wahlkreis) „not unusually high“ und erkennt an, daß „15 percent of the seats were set aside as bonuses for the larger parties (those receiving more than 5 percent of the total vote)“.
Vgl. Taagepera/Shugart (1989:226): „Our systematic qualitative study has made us see disadvantages in all electoral systems“.
Für Rüb (1994a: 127) ist das polnische Wahlsystem „ein fast reines Verhältniswahlrecht und hat eine extreme Parteienzersplitterung im Sejm und im Senat (sic!) zur Folge“.
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Nohlen, D., Kasapovic, M. (1996). Zur Evaluierung der Wahlsysteme. In: Wahlsysteme und Systemwechsel in Osteuropa. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-11804-6_8
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DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-663-11804-6_8
Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden
Print ISBN: 978-3-8100-1586-0
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