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Zusammenfassung

Der Systemwechsel in Osteuropa hat die vergleichende Wahl- und Parteienforschung vor große Herausforderungen gestellt. Sieht man von wenigen Wissenschaftlern ab, so war die regional auf den kommunistischen Herrschaftsbereich konzentrierte Sozialwissenschaft bis zum revolutionären Umbruch kaum mit der Wahl- und Parteienforschung befaßt, zumindest nicht mit den für westliche Demokratien charakteristischen Fragestellungen und Konzepten. Die international vergleichende Wahl- und Parteienforschung ließ aufgrund der grundsätzlich verschiedenen politischen Systemstrukturen die osteuropäische Region außen vor. Ein großer Teil der zu Osteuropa seither vorgelegten Literatur, die sich mit den politischen Prozessen des institution building im weitesten Sinne befaßt, kann als Versuch gelesen werden, diese Herausforderung zu meistern — bisher mit begrenztem Erfolg.

Es sei dankbar vermerkt, daß diese Studie mit Unterstützung der Alexander von Humboldt-Stiftung zustande gekommen ist. Bei ihrer Abfassung ist uns Florian Grotz außerordentlich behilflich gewesen. Auch Natasa Cirkovic hat sich um die Schrift verdient gemacht. Ihnen sei herzlich gedankt.

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Referenzen

  1. So z.B. Henrik Bischof: Das rumänische „Wahlverfahren wurde so undurchschaubar konzipiert, daß auch mit demokratischen Wahlen vertraute Westeuropäer Schwierigkeiten gehabt hätten, damit zurechtzukommen“ (1990:45), das polnische Wahlsystem von 1991 war „ein sehr kompliziertes und kaum überschaubares Proporz-Wahlsystem“ (1991a: 15; 1991b: 14), das bulgarische Grabensystem von 1990 war eine „komplizierte Wahlordnung“ (1991c:7), und das Verhältniswahlsystem von 1991 war auch „allzu kompliziert“ (11). Auch Spezialisten wie Arend Lijphart verzagen im Falle des ungarischen Wahlsystems: Es sei „far too complex to be described in detail here“ (1992:211).

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  2. So bezeichnet Henrik Bischof das ungarische Wahlrecht als „ein kombiniertes Mehrheitsund Verhältniswahlrecht“ (1990:4), den Entwurf des polnischen Wahlgesetzes vom Jahr 1991 als „ein gemischtes Verhältnis- und Mehrheitswahlrecht“ (1991a: 14), das bulgarische Wahlsystem von 1990 als „eine Mischung aus Verhältnis- und Mehrheitswahlrecht“ (1991c:7). A. Lijphart betrachtet das ungarische Wahlsystem als „mixed electoral system“, zugleich aber auch aufgrund der hohen Disproportionseffekte im Stimmen-Mandate-Verhältnis im Grunde als modifiziertes Mehrheitswahlsystem (1992:212). John Fitzmaurice hält das estnische Wahlsystem von 1992 für ein „German style mixed constituency-list system“ (1993:171). B. Banaszak konstatiert, daß das System der Feststellung der Wahlergebnisse (sie!) im polnischen Wahlsystem von 1991 „eine Mischung von Personen- und Listenwahl“ war (1992:133). Ob es Mischwahlsysteme überhaupt gibt, und wenn ja, was Mischwahlsysteme sind, ist in der Spezialliteratur sehr umstritten; dazu Kapitel 1.2.

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  3. Bereits das Verständnis der zentralen Begriffe ist uneinheitlich, und auch wird mit Begriffen hantiert, die wahlsystematisch irrig sind. Beispielsweise wird unter Mehrheitswahl im allgemeinen relative Mehrheitswahl verstanden, in Osteuropa wird aber damit primär absolute Mehrheitswahl gemeint. Mitunter wird von reiner Verhältniswahl in einigen osteuropäischen Ländern gesprochen. Tatsächlich wurde fast nirgends reine Verhältniswahl angewandt. „Strikte Verhältniswahr’ sagt nichts Genaues aus. „Relative Verhältniswahl“ gibt es gar nicht, ebenso wenig wie die „französische relative Mehrheitswahl“. Was unter „reiner Mehrheitswahl“ zu verstehen ist, ist beliebig. Nimmt man noch die analytischen Mängel und normativen Fehleinschätzungen hinzu, dann kann man durchaus das Verdikt von Sartori (1994:X) teilen: „the literature on electoral systems is often quite wrong in its causal analysis and also in its praises and blames“. In der allgemeinen Transitionsliteratur ist schätzungsweise jede zweite Aussage zu einem Wahlsystem, sei sie auch nur beschreibender Natur, mißverständlich oder fehlerhaft.

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  4. Vgl. Taagepera/Shugart 1989:61: „The particular system can be understood and evaluated only by comparison with other systems, bringing in empirical and theoretical considerations, especially since the practice of an existing system tells us very little about the possible performance of other, untried alternatives.“ James McGregor (1993), dem wir eine erste vergleichende Untersuchung einer größeren Zahl von Ländern verdanken, analysiert nur die Wahlsysteme der alten, aber nicht jene der neuen — abgesehen von der Slowakei und Tschechien — osteuropäischen Länder. Christian Lucky (1994) stellte für zwölf Länder nur die wahlgesetzlichen Bestimmungen zusammen. Kimmo Kuusela (1994) erfaßte in seiner vergleichenden Studie acht Länder für die Zeit 1989–91. Die wenigen vergleichend angelegten Studien beschränken sich meistens auf drei Länder (die baltischen Staaten; Polen, Tschechoslowakei, Ungarn im Vergleich).

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  5. So interpretiert Hans-Dieter Klingemann die Parteienstruktur der osteuropäischen Parlamente — d.h. die Stärke der drei „Parteifamilien“ (der sozio-kulturellen, programmatischen und reformkommunistischen Parteien) — nur auf der Grundlage ihrer Sitzanteile in den Parlamenten, ohne ihre Stimmenanteile zu erwähnen, da „diese Information für einige Länder schlicht nicht zu erhalten war“ (1994:23). Er rechtfertigt dieses Verfahren durch den „erfahrungsgemäß“ engen Zusammenhang, in welchem Sitz- und Stimmenanteile stehen. Zu berücksichtigen sind jedoch einerseits die sowohl durch Mehrheits- als auch Verhältniswahlsysteme erzeugten Disproportionseffekte im Stimmen-Mandate-Verhältnis. Die Prozentpunktdifferenzen zwischen Stimmen- und Mandatsanteilen der Parteien (und Parteiströmungen) sind gelegentlich größer als die Mandatsdifferenzen zwischen zwei Wahlen, die zur Grundlage von Trendaussagen der Parteienentwicklung gemacht wurden. Andererseits sind auch andere Tatbestände zu berücksichtigen: Z.B. beruhen die Sitzanteile der ethnischen Parteien nicht immer auf ihren Wahlergebnissen, sondern auf anderen Verfahren ihrer Beteiligung an den Parlamentsmandaten (in Rumänien, Ungarn, Kroatien u.a.).

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  6. Das gilt vor allem für die Forschungen zu osteuropäischen Parteien und Parteiensystemen, die (fast) ausschließlich auf den sozio-strukturellen Ansätzen beruhen. Die westlichen Theorien der sozio-strukturellen cleavages wurden durch die spezifisch osteuropäischen political-cleavages-Ansätze und Modelle ersetzt oder ergänzt (s. Roskin 1992; Kitschelt 1992; Klingemann 1994; Markus 1994; von Beyme 1994:286 f.; usw.). Demgegenüber ist auffällig, daß überall dort, „wo ein zersplittertes, heterogenes Parteiensystem die Mehrheitsverhältnisse im Parlament und damit die Handlungsfähigkeit einer Regierung gefährdet“, nicht nur die „immense Bedeutung“ des Wahlrechts hervorgehoben wird (Babst 1992:83), sondern dem Wahlsystem auch die Funktion der unabhängigen Variablen zugesprochen wird.

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  7. „Die allgemeinen Komparatisten, die sich bis 1989 nie für irgendetwas östlich von Checkpoint Charlie interessiert hatten, begannen, das Feld zu besetzen, nachdem die Weidegründe „Transition to democracy“ in Südeuropa und Lateinamerika abgegrast waren. Dabei wurden in einem flotten akademischen Tourismus ein paar Daten gesammelt (Parteiprogramme, Meinungsumfragen, Wahlresultate) und über die Länder hinweggerechnet. Was unerklärbar blieb, wurde dann der politischen Kultur im Umbruch zuge-schrieben, welche eher die Historiker und Area-Spezialisten erklären mußten. Die Ostexperten hatten historisches Wissen, die Generalisten und Komparatisten das methodische Knowhow. Es bedarf einiger Jahre der Normalisierung, um beides fruchtbar zusammenzubringen.“ (von Beyme 1995b: 118).

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  8. Entscheidend für die Zuordnung ist die historische Konstellation unmittelbar vor den ersten freien Wahlen, die prägend war für die Optionen der politischen Akteure in der Wahlsystemfrage. Auf die Dynamik der Prozesse, darunter auch gewandelte Wahlsystemoptionen und Wahlsystemreformen, wird in den Einzelanalysen selbst eingegangen.

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Nohlen, D., Kasapovic, M. (1996). Einführung. In: Wahlsysteme und Systemwechsel in Osteuropa. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-11804-6_1

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  • DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-663-11804-6_1

  • Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden

  • Print ISBN: 978-3-8100-1586-0

  • Online ISBN: 978-3-663-11804-6

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