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Psychologische Lerntheorien und ihre (begrenzte) Bedeutung für das berufliche Lernen

  • Chapter
Von der Arbeitserfahrung zum Arbeitsprozeßwissen
  • 195 Accesses

Zusammenfassung

Bislang war von beruflichem Lernen im Kontext rechnergestützter Facharbeit die Rede. Es gilt nun zu klären, was dieses Lernen ist und sein soll. Dabei soll an dieser Stelle keine ausufernde Diskussion des.Berufsbegriffs27 geführt werden. Es reicht hin, zu sagen,28 daß berufliches Lernen sowohl angeleitetes Lernen in den Institutionen der beruflichen Bildung als auch implizites, arbeitsimmanentes Lernen umfaßt. Es geht also um ein Lernen für die Zwecke beruflicher Arbeit, aber da berufliche Arbeit für das lernende Subjekt selbst wiederum anderen Zwecken unterliegt — zunächst dem der persönlichen Reproduktion, des weiteren dem der persönlichen Neigungen und Interessen -, ist der Aspekt der Persönlichkeitsentwicklung und die Sphäre der Reproduktion aus dem beruflichen Lernen keineswegs ausgegrenzt.29

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Literatur

  1. Daran haben sich schon viele versucht (siehe Luers 1988), und es wäre eine eigene Arbeit, die vorhandenen Versuche zu würdigen. Vgl. insbesondere die Begriffsbestimmungen von Heinrich Abel (1963, S. 171 ff.); Fritz Molle (1968, S. 152 f.); Karlwilhelm Stratmann (1976, S. 31); Ulrich Beck und Michael Brater (1978); Jochen Kade (1982, S. 447); Gunther Kutscha (1982, S. 205 f.); Rolf Arnold und Antonius Lipsmeier (1995, S. 19 f.); Ingrid Lisop und Richard Huisinga (1982, S. 416 f.; 1996, S. 621–636). Die letztgenannten konstatieren im Rahmen neuerer Überlegungen (1996, S. 626 ff.), daß das gesellschaftliche Konstrukt des Berufs für Bildung gar nicht mehr, für Qualifizierung nur noch partiell tragfähig sei. Zugestanden sei hier, daß der Beruf ein in sich widersprüchliches gesellschaftliches Konstrukt ist (vgl. dazu Rauner 1996b) — aber immerhin ein geltendes: unter seiner Ägide findet Arbeit und Ausbildung in Deutschland nach wie vor statt. Und wenn man auch nicht behauptet, daß mit dem Konstrukt des Berufs für den Berufsinhaber bestimmte (Bildungs-, Arbeits-, Einkommens) Garantien verbunden sind, so gibt es doch kaum einen anderen Terminus als den des „berufliches Lernens“, der das hier Gemeinte besser umreißt: Lernen, von der beruflichen Erstausbildung über berufliche Fort-und Weiterbildung und das private Selbststudium bis zum Lernen im Prozeß der (qualifizierten) Arbeit.

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  2. Ähnlich, wie Wolfgang Lempert den Terminus „berufliches Lernen“ definiert (vgl. Lem-pert 1995, S. 343).

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  3. So benutzt auch Jochen Kade (1983) den Terminus „berufliches Lernen“ als einen Begriff, der weder den Aspekt der Bildung noch den der Qualifizierung ausschließt.

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  4. Dies hat Klaus Beck (1984, S. 257) im Rahmen einer kritischen Diskussion des Lernortbegriffs gezeigt. Er hat dafür plädiert, diesen Begriff aus der berufspädagogischen’Ierminologie zu streichen, da Lernen immer durch die lernende Person konstituiert werde, gleichgültig, an welchem Ort sic sich befinde. Dieser Kritik kann hier durchaus zugestimmt werden. Nähme man den Begriff Lernort im wortwörtlichen Sinn und untersuchte die Orte, an denen tatsächlich gelernt wird, käme womöglich heraus, daß im Bus oder im Bett, in der Straßenbahn, im Lug oder am privaten Schreibtisch intensiver gelernt wird als an denjenigen Orten, die im allgemeinen als Lernorte identifiziert werden. Zum einen hat also heim Lernortbegriff der „Lehr-Lern-Kurzschluß“ (Holzkamp 1993) Pate gestanden: Die Lehr-Orte — dort, wo Lernen angeleitet wird — werden als Lernorte bezeichnet. Zum andern ist die Sache aber noch etwas komplizierter: Nicht nur die Orte angeleiteten Lernens werden dem Lernortbegriff subsumiert, sondern auch solche Orte, an denen Lernen erwartet wird und beinflußbar ist — z. B. der Lernort „Arbeitsplatz”. Andere Lernorte — der Schreibtisch zuhause, das öffentliche Verkehrsmittel — werden dagegen in der Lernort-Diskussion in der Regel nicht aufgegriffen. Mithin zeigt sich, daß der Lernort-Begriff nicht trennscharf ist: Er unterstellt Aussagen über den Ort des Lernens, aber er zeigt nicht, wo Lernen wirklich stattfindet. Andererseits hat sich dieser Begriff in der berufspädagogischen Diskussion durchgesetzt, wie auch Peter Dehnbostel (1996, S. 14 ff.) zu Recht konstatiert. Im folgenden wird daher der Begriff „Lernort“ als zusammenfassende Bezeichnung für diejenigen Orte gebraucht, an denen Lernprozesse intentional durch andere als die lernende Person selbst beeinflußt werden (durch didaktisches Handeln, durch Lernmedien oder durch die Schaffung lernförderlicher Arbeitsbedingungen). Es soll jedoch nicht so getan werden, als ob eine Beeinflussung des Lernens wie von selbst fruchtet. Lernen kann allein die lernende Person, und wo es auf die Differenz zwischen Lehiprozeß und Lernprozeß ankommt, wird der Lernortbegriff nicht verwendet.

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  5. KI-Forschung, auch Al (Artificial Intelligence): Forschung zur Erschaffung künstlicher Intelligenz.

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  6. Um kein Mißverständnis aufkommen zu lassen, sei hinzugefügt, daß Strittmatteri Dinter zwar eine Orientierung der Lehr-Lern-Forschung an der Kognitionspsychologie fordern, das Computermodell des Lernens hierbei jedoch für fragwürdig halten.

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  7. Nicht nur bezogen auf technische Bildung, sondern im Hinblick auf das Lernen überhaupt ist eine umfassende Kritik psychologischer Theoriebildung von Holzkamp (1993) geleistet worden. Wenn auch im einzelnen Kritik an den Ausführungen Holzkamps geäußert wurde (z. B. von Volpert (1994, S. 140 ff.) wegen dessen Angriffen auf die Handlungsregulationstheorie (allerdings mit etwas veralteter Munition, wie Volpert nachweist), so ist Holzkamps Buch dennoch für eine vertiefende Auseinandersetzung mit den hier vorgebrachten Thesen gut geeignet.

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  8. Man denke etwa an den Erfolg des Büchleins „Denken und Lernen“ von Skinner und Corell (1971), in dem Ergebnisse behavioristischer Lernforschung für pädagogisches Handeln ìm Unterricht fruchtbar gemacht wurden.

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  9. In den USA nimmt der Behaviorismus laut Rolf Dubs (1995, S. 173) im Rahmen berufsbildender Ansätze (immer noch) eine dominante Stellung ein. Für die bundesdeutsche Berufsbildung weist Gottfried Adolph (1997a, S. 126 ff) nach, wie dominant der Behaviorismus auf die Diskussion von Lernzielen gewirkt hat und noch wirkt.

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  10. Die amerikanische Originalausgabe erschien unter dem Titel „Plans and the structure of behavior“ 1960 bei Holt, Rinehart and Winston, Inc.

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  11. Selbstverständlich hätten die tätigkeitstheoretisch orientierten Autoren niemals geleugnet, daß Lernen ein gesellschaftlicher Akt sei und es um das Begreifen gesellschaftlicher Sachverhalte gehe. Viel folgte daraus allerdings nicht. Ist der gesellschaftliche Charakter des Lernens erst einmal aus der anthropologischen Entwicklung begründet, wird er wie ein Naturgesetz behandelt.

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  12. Vgl. dazu Wolfgang Bachl (1986), der sich noch als einer der wenigen zu einigen Annahmen in Galperins Konzept kritisch geäußert hat.

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  13. In diese Richtung ging wohl die Auseinandersetzung zwischen Klaus Holzkamp (1993, S. 164 ff.) und Walter Volpert (1994, S. 140 ff.). So wünschenswert (weil klärend) es ist, wenn in der wissenchaftlichen Diskussion (wieder mehr) Kontroversen ausgetragen werden, so nutzlos sind die tatsächlich ausgetragenen Kontroversen dann, wenn sie sich um den Nachweis bemühen, daß der eine 1984 mit dem Lesen aufgehört hat und die von ihm angeführten Beispiele geklaut sind, während die emanzipatorischen Absichten des anderen notwendigerweise durch dessen Theorie sabotiert werden.

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  14. Volpert (1992, S. 20) sieht dies partiell anders, wenn er behauptet, das Modell beschreibe gelingendes Handeln; er beansprucht, daß es sowohl deskriptiv (also etwas Tatsächliches beschreibend) als auch normativ (ein Ideal setzend) sei.

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  15. Volpert (1994, S. 141) weist zu Recht gegenüber der Holzkampschen Kritik darauf hin, daß er immer wieder gegen eine Partialisierung von Arbeitshandlungen Stellung bezogen hat.

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  16. Weitere Forschungsanstrengungen in dieser Richtung lassen sich im „mental model“-Ansatz (Norman 1983) erkennen. Untersucht wird, wie Versuchspersonen Vorstellungen (in der Sprache der kognitiven Psychologie: mentale oder konzeptuelle Modelle) über die Funktionsweise eines Gegenstands oder Prozesses erwerben und diese Modelle bei der Problemlösung einsetzen. Stephan Dutke (1994, S. 54–60) sieht keinen prinzipiellen Gegensatz zwischen dem „mental model”-Ansatz und den operativen Abbildsystemen bei Hacker. Richtig daran ist, daß der Hackersche Ansatz eine bestimmte Funktion mentaler Modelle betont — nämlich die der Handlungssteuerung im Unterschied zum Prozeß des Wissenserwerbs. Meines Erachtens ist jedoch mindestens fraglich, wie die Zuordnung von OAS zu bestimmten Regulationsebenen zu der in der „mental model“-Forschung vertretenen Behauptung der Inhaltsgebundenheit mentaler Modelle (ebd., S. 28 ff.) steht.

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  17. Zumal Walter Volpert für seine 1994 erschienene Aufsatzsammlung den prononcierten Titel gewählt hat: „Wider die Maschinenmodelle des Handelns“ (Volpert 1994).

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  18. Das französische Wort für Intelligenz, auf das Piaget seine Forschungsergebnisse bezieht, umfaßt mehr noch als das entsprechende deutsche Wort den Prozeß des Verstehens und Erkennens: nicht nur Intelligenz-Haben ist gemeint, sondern Intelligent-Werden, und dabei sind praktische Handlungen mit eingeschlossen (vgl. Aebli 1972, S. IX).

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  19. Bei aller Polemik gegen die radikal instrumentalistische Auffassung des Denkens bei den Konstruktivisten soll keineswegs negiert sein, daß in der empirischen Erforschung dessen, wie das Subjekt sein Erfahren und Begreifen der Welt konstruiert, einer der Forschungsschwerpunkte liegt und damit potentiell eine der Stärken der Konstruktivisten. Der konstruktivistische Ansatz findet zunehmend in der berufsbezogenen Lehr-Leim-Forschung Verbreitung (vgl. Reetz 1996), und es wird die Frage sein, inwiefern diese Forschung in ihren Ergebnissen von den kritisierten Positionen des erkenntnistheoretischen Konstruktivismus beeinflußt sein wird. Offenbar tendieren, wie auch Gerhard Minnameier (1997, S. 15 f.) feststellt, explizite Anhänger aus dem berufspädagogischen Lager eher zu einem „moderaten Konstruktivismus“, deren Gemeinsamkeit und Differenz zu der skizzierten radikal-konstruktivistischen Position allerdings vage bleibt. Eine weitere Stärke innerhalb der konstruktivistischen Forschung ist der interdisziplinäre Diskurs, der hier ausdrücklich hervorgehoben werden soll. schiedlicher physikalischer Reize gewahrt bleibt. Mit der Feststellung, daß hier keine einfache Korrespondenz vorliegt, wenden sie sich zu Recht gegen eine psychologische Abbildtheorie im Sinne rein physiologischer Rezeption. Im Laufe des Zitats wird jedoch nach und nach aus dem Fehlen einer einfachen Korrespondenz das Fehlen jeglicher Korrespondenz:… ist allein durch die individuelle Struktur jeder Person und nicht durch die Eigenschaft des Objekts bestimmt. Dieses „Nicht — sondern”, diese Dichotomie zwischen „objektiver“ Erkenntnis und „subjektiver” Verarbeitung ist unnötig und widersinnig. Kaum erklärbar ist dann, daß für die meisten Menschen die Farbe der Apfelsine gleich bleibt, wenn diese aus dem Haus getragen wird, die Farbe sich aber verändert hat, wenn die Apfelsine verschimmelt ist.

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  20. „Wahrheit in einem absoluten Sinne gedacht, [ist, M. F.] menschenunmöglich“ (Rusch 1986, S. 51, zitiert nach Groeben 1995, S. 151).

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  21. Die heutzutage so eigentlich kaum noch verbreitete und daher mehr oder weniger fiktive Gegenposition gegenüber der konstruktivistischen Argumentation markiert ein völlig naiver Realismus (weshalb Nüse u. a. (1991, S. 266 ff.) dem Radikalen Konstruktivismus Schwarzweißdenken vorwerfen). Die Konstruktivisten stellen sich zunächst auf den Standpunkt des naiven Realismus, wonach Wahrnehmung so etwas wie Fotografie der Wirklichkeit sei; registrieren, daß dem nicht so ist; folgern, daß die Wahrnehmung daher beschränkt sei; schließen, daß deshalb objektive Urteile über eine wahrgenommene Sache unmöglich sind. Dabei wird die Möglichkeit außer acht gelassen, ob und wie gerade in einer nicht von äußerlichen Reizen abhängigen Wahrnehmung die Voraussetzung für begreifendes Erkennen liegt.

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  22. Die Beweisführung zu dieser Behauptung ist übrigens schon von Hegel in dessen Kritik der Kantischen Philosophie geleistet worden: „Betrachten wir z. B. ein Stück Zucker; dieses ist hart, weiß, süß usw. Wir sagen nun, alle diese Eigenschatten sind in einem Gegenstand vereinigt, und diese Einheit ist nicht in der Empfindung. Ebenso verhält es sich, wenn wir zwei Begebenheiten als im Verhältnis von Ursache und Wirkung zueinander stehend betrachten; was hier wahrgenommen wird, das sind die vereinzelten beiden Begebenheiten, welche in der Zeit nacheinander folgen. Daß aber die eine die Ursache und die andere die Wirkung ist (der Kausalnexus zwischen beiden), dies wird nicht wahrgenommen, sondern ist bloß für unser Denken vorhanden. Ob nun schon die Kategorien (wie Der spezifische Inhalt des Denkens ist dem Radikalen Konstruktivismus z. B. Einheit, Ursache und Wirkung usw.) dem Denken als solchen zukommen, so folgt daraus doch keineswegs, daß dieselben deshalb bloß ein Unsriges (bloß subjektiv konstruiert im Sinne des Konstruktivismus, M. F.) und nicht auch Bestimmungen der Gegenstände selbst wären. Dies soll nun aber nach Kants Auffassung der Fall sein, und seine Philosophie ist subjektiver Idealismus, insofern Ich (das erkennende Subjekt) sowohl die Form als auch den Stoff des Erkennens liefere (…).“ (Hegel 1970, Bd. 8, Zusatz Ill zu § 42, S. 119). Hegel hat auch dargelegt, daß die Kritik des Kantschen Idealismus, wonach das Subjekt die Welt (gedanklich) konstruiert, nicht in der Behauptung liegen könne, daß die Welt aber wirklich sei, sondern im wahren Inhalt des Denkens: „Man kann etwa zunächst meinen, es werde den Gegenständen dadurch, daß ihre Einheit in das Subjekt verlegt wird, die Realität entzogen. Bloß dadurch indes, daß ihnen das Sein zukäme, gewönnen weder die Gegenstände noch wir etwas. Es kommt auf den Inhalt an, darauf, ob dieser ein wahrer ist. Damit, daß die Dinge bloß sind,ist diesen noch nicht geholfen. Ober das Seiende kommt die Zeit und wird dasselbe demnächst auch nicht seiend. (…) Auf jenen Unterschied von Subjektivität und Objektivität kommt also überhaupt nichts an, sondern der Inhalt ist es, worauf es ankommt, und dieser ist ebensowohl subjektiv als auch objektiv.” (ebenda)

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  23. Im folgenden meist abgekürzt als,KI`.

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  24. Gerade was die Expertensystemtechnik anbelangt, sind durchgreifende Stimmungsschwankungen in der einschlägigen Diskussion nicht zu übersehen. Folgende Anekdote drückt dies besser aus als alle Zahlen, sie sei der Anschaulichkeit halber hier eingestreut: Auf einer großen Computermesse erbringt im Jahr 1988 eine Anfrage am Informationsstand die Zahl von 52 Anbietern unter der Rubrik „Expertensystemtechnik“. 1992 ergibt dieselbe Anfrage am gleichen Ort gerade noch 5 Anbieter — begleitet von höhnischem Gelächter der Umstehenden. Worauf solch ein Stimmungsumschwung beruht — ob auf wirklich fundierten Analysen oder darauf, daß hier nur mit umgekehrten Vorzeichen dieselbe Effekthascherei betrieben wird, die vormals die Expertensystemtechnik zu einem Top-Thema der populärwissenschaftlichen Diskussion gemacht hat —, sei einmal dahingestellt. Unzweifelhaft ist jedenfalls die augenscheinliche Diskrepanz zwischen den glorifizierenden Verheißungen der KI-Forschung in den achtziger Jahren und den tatsächlich erfolgreichen Betriebseinsätzen heutzutage. Hinzu kommt, daß Beschreibungen von Expertensystem-Projekten in der Fachliteratur von zweifelhaftem Wahrheitsgehalt sind. Stellvertretend für diese Problematik seien Bachmann u. a. (1992, S. 5; vgl. auch Bonsiepen/ Coy 1989) zitiert: „Obgleich wir uns auf solche Expertensysteme konzentrierten, die bei Mertens, Borkowski und Geis (1990) sowie in anderen Fachpublikationen als,running Systems` ausgewiesen waren, stellte sich heraus, daß viele davon alles andere als in der Praxis bewährte,running systems’ waren.” Unzweifelhaft ist aber auch, daß an der Entwicklung der Expertensystemtechnik nach wie vor weitergearbeitet wird - und zwar mit erheblichen Mitteln, aber unter vorsichtigerer Gestaltung der Propaganda-Aktivitäten und einer relativ unspektakulären Einbindung (bis hin zur Verschleierung) von KI-Elementen in technische Produkte. Auch wenn sich also Expertensysteme seit einiger Zeit in der.,Abseitsfalle“ — so der plastische Titel einer neueren Untersuchung (Matsch u. a. 1993) - ver-heddert haben mögen, so ist doch - um im Bild zu bleiben — das gesamte Spiel noch keineswegs vorbei. Euphorie und Verdammung werden jedenfalls bei der Expertensystemtechnik wie bei kaum einer anderen Technik artikuliert, und beides erlebt unübersehbar Konjunkturen (Zelewski 1986, 1991; Malsch u. a. 1993: Herrmann 1993).

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  25. Zu weiteren, im Rahmen der Expertensystemtechnik verwendeten Wissensrepräsentationsformen siehe Fischer/ Jungeblut/ Römmermann (1995, S. 88 ff.).

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  26. In einer Informationsschrift der AICorp GmbH,Wissensbasierte Systeme: Übersicht für das Management’, S. 22, heißt es: „Der Entwickler, der mit einem wissensbasierten System arbeitet, beschreibt dem System das Problem in Form von Regeln. Danach entscheidet das System, nicht der Programmierer, welche Regeln in welcher Reihenfolge verarbeitet werden sollen und wie die Beziehungen zwischen den Regeln gepflegt werden. Dadurch können jederzeit neue Regeln hinzugefügt werden, ohne daß das System neu konzipiert werden muß; der Problemlösungsprozeß wird außerdem in einer sehr viel realistischeren Weise dargestellt.“

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  27. „Es ist eigentlich egal, ob intelligente Prozesse - wie es die Evolution bei uns gemacht hat - auf der feuchten neuronalen Hardware im Gehirn oder auf der trockenen Silikon-Hardware eines Rechners ablaufen.“ (Siekmann 1988, S. 21)

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  28. Lena Bonsiepen und Wolfgang Coy (1989, S. 14) weisen anläßlich einiger kühner Prognosen von Herbert Simon darauf hin, daß ein Digitalrechner weder Schachweltmeister geworden ist noch ein mathematisches Theorem gefunden oder bewiesen hat, weder Musik von ästhetischem Wert komponiert noch als Orientierung oder Gegenstand für psychologische Theoriebildung dient (vgl. Simon 1969). Die erstgenannten Entgegnungen Bonsiepens und Coys waren zu jenem Zeitpunkt zweifellos zutreffend; daß der Computer nicht für psychologische Theoriebildung beansprucht würde, muß hingegen schon länger bezweifelt werden.

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  29. Solche Erwartungen werden mitunter auch da nahegelegt, wo es unmittelbar um die hier vorliegende Fragestellung — die Analyse facharbeiterspezifischer Kompetenzen (z. B. in der betrieblichen Instandhaltung) — geht. So betonen beispielsweise Sonntag/ Schaper (1993) sehr zu Recht die Notwendigkeit einer detaillierten psychologischen Analyse von Diagnosetätigkeiten in der Instandhaltung und behaupten im gleichen Atemzug, daß mit Hilfe eines wissensbasierten Systems „das menschliche Problemlösungsverhalten bei der Fehlerdiagnose und -korrektur im Prinzip nachgebildet werden kann“ (Sonntag/ Schaper 1993, S. 177).

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  30. Wenn man sich den Umfang der finanziellen Mittel vor Augen führt, die vornehmlich von staatlichen Einrichtungen, Banken, Versicherungen und der Großindustrie in Expertensystem-Projekte investiert wurden, uni den Anschluß an die Zukunft nicht zu verpassen, läßt sich leicht nachvollziehen, warum den KI-Forschern und Expertensystem-Entwicklern das Eingeständnis eines zumindest partiellen Mißerfolges so schwer fällt und sie auch weiterhin uneingeschränkt für den Einsatz von Expertensystemen plädieren. Die hier behauptete Problematik bei der Kennzeichnung menschlichen 58 Bei der Kritik kybernetischer Modelle der Informations-und Wissensverarbeitung lassen sich bislang noch etliche offene Fragen registrieren, die in der ausschließlichen Orientierung an den — in der Tat unbezweifelbaren — Phänomenen expertenspezifischen Problemlösens begründet liegen. Das Fehlen einer stärker begrifflich orientierten Fassung dessen, wie sich Erfahrungswissen im Kontrast zu maschinell erzeugtem „Wissen“ erklären läßt, haben auch Böhle und Rose (1990, S. 58 und S. 93 f.) moniert.

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  31. Der Sachverhalt des impliziten, nicht ohne weiteres verbalisierbaren Wissens wurde oftmals als politisches oder wissenschaftspolitisches Argument gebraucht. Michael Polanyi (1966) hat die Behauptung, eine wesentliche Facette menschlichen Wissens läge im Unaussprechlichen, als Argument gegen die Indienstnahme von wissenschaftlicher Erkenntnis durch den Stalinismus herausgestellt; Hubert und Stuart Dreyfus (1987) kritisierten mit diesem Argument die Forschung zu Künstlicher Intelligenz, wo Wissen mit Hilfe von Expertensystemen hervorgebracht werden sollte. Den genannten Autoren gebührt das Verdienst, den Sachverhalt impliziten Wissens einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht zu haben. An einer über phänomenologische Beschreibungen hinausgehenden wissenschaftlichen Erklärung war das Interesse offenbar weniger stark, zumal hier auch immer die Gefahr der Relativierung politischer Argumente lauert.

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  32. Ein gutes Beispiel für die Frage, wie Anfänger neue Fertigkeiten erlernen, stammt übrigens von Polanyi (1958), diskutiert von Miller, Galanter und Pribram (1973, S. 86): „Bringen Sie die Kurvung Ihrer Fahrradspur im Verhältnis zur Wurzel Ihres Ungleichgewichtes geteilt durch das Quadrat Ihrer Geschwindigkeit!“ wäre wohl am ehesten die eindeutig definierte, kontextfreie und präzise Regel, die man einem Anfänger mitgeben könnte, der das Fahrradfahren lernen will. Es ist kaum anzunehmen, daß mit Hilfe dieser Regel jemals jemand das Radfahren erlernt hat. Eher schon hat hierbei die Intuition geholfen, die nach Dreyfus und Dreyfus erst den Experten auszeichnen soll. Polanyi führt dieses Beispiel im übrigen an, um zu zeigen, daß das Eigentliche menschlicher Kompetenz im Unaussprechlichen läge. -- Recht hat er, was das Gleichgewicht-Halten beim Radfahren anbelangt. Aber ob solche intuitiv erfolgenden motorischen Fertigkeiten nun das Wesentliche menschlichen Lernens ausmachen, darf wohl bezweifelt werden.

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  33. In dieselbe Kerbe der hier geübten Kritik an der Abwertung analytischen Denkens durch

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  34. e Dreyfus-Brüder schlägt auch D’Avis: „Die Beispiele, die von Kritikern der Annahme einer systematischen Abhängigkeit von Symbol und Geist in widerlegender Absicht gegeben werden, belegen nicht ihre apodiktische Grundannahme, daß das Denken nichts mit Regeln und Inferenzen zu tun hat. Die Tatsache, daß wir,nicht in Worte fassen können’ (Dreyfus/ Dreyfus 1987, S. 37), wie wir z. B. das Fahrradfahren oder Gesichter wiederzuerkennen gelernt haben, schließt nämlich nicht aus, daß wir in Worte, Regeln etc. fassen müssen, wenn wir z. B. Differentialrechnung lernen wollen. Die Folge dieser Dreyfus-sehen Ausgrenzung der Zeichendimension des Denkens, die (zwar nicht erklärte, aber implizite) Folge nämlich, daß zwar das Fahrradfahren, nicht aber das Lösen von Differentialgleichungen etwas mit Denken zu tun haben soll, zeigt die Fragwürdigkeit seiner Grundannahme — es sei denn, Dreyfus könnte die Behauptung verteidigen, daß auch z. B. das Lösen von Differentialgleichungen außerhalb einer Zeichendimension gelingt.“ (D’Avis 1994, S. 354 f.)

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  35. Mindestens als Hinweise lassen sich auch Vorgehensweisen identifizieren, Elemente der KI-Technik anders als für die Nachahmung und Substitution intelligenten Handelns zu nutzen. Solche Ansätze sind beispielsweise in dem Versuch zu sehen, die Expertensystemtechnik im Bereich der Systemanalyse und Wissensakquisition einzusetzen, die eigentliche Lösung einer Aufgabe oder Teilaufgabe aber konventionell zu programmieren.

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  36. Mit einer Reihe sehr fundierter wissenschaftstheoretischer Einwände destruiert Martin Beckenkamp (1995) die starke KI-These. Eines seiner Hauptargumente besteht in dem Nachweis, daß kognitive Prozesse des Umweltbezuges bedürfen, welcher wiederum auf Intentionen mit einer semantischen Bedeutung fußt. Diesen Umweltbezug besitzen Systeme der künstlichen Intelligenz nicht, in denen Denken als Symbolverarbeitung realisiert ist. Umso verwunderlicher, daß Beckenkamp (ebd., S. 131) zu folgendem Schluß kommt: „Daher sollte man für die psychologische Modellierung nicht den Bau von Systemen anstreben, die verstehen, denken oder ähnliches können — das würde dem Anspruch „Denken ist Symbolverarbeitung“ und somit der „starken” These genügen — sondern vielmehr (symbolverarbeitende oder Computer-) Modelle über menschliches Verstehen, Denken usw. -- gemäß der „schwachen“ These.” Nach der schwachen KI-These können kognitive Prozesse als Symbolverarbeitung beschrieben werden (ebd., S. 80). Es bleibt mir jedoch unerklärlich, wie Systeme, die erklärtermaßen dem menschlichen Denken nicht äquivalent sind, zugleich adäquate Modelle dieses Denkens sein sollen. Die von Beckenkamp selbst angeführten Argumente sprechen m. E. dafür, sich vom Programm der Nachbildung kognitiver Prozesse zu verabschieden. Was allenfalls mit dem Computer realisiert werden kann, ist eine funktionelle Modellierung (vgl. Fischer 1995a, S. 25–106) von gewissen kognitiven Leistungen. Das aber ist, hier kommt es auf genaue Ausdrucksweise an, kein Modell über den menschlichen Denkprozeß, mit dem diese Leistung erbracht worden ist — genausowenig, wie die funktionelle Modellierung des Grabens durch eine Baggerschaufel etwas über den Prozeß aussagt, mit dem Menschen dieselbe Leistung auch ohne Bagger vollbringen.

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  37. Dies geschah gleichwohl in unterschiedlicher Durchführung und mit unterschiedlichen Schlußfolgerungen, worauf in dieser Arbeit nicht im einzelnen eingegangen werden kann.

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  38. Zu Kants Stellenwert in der Erwachsenenbildung vergleiche die Zusammenfassung von Erhard Meueler (1993, S. 15–22).

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  39. Mit Kants Vorstellung vom synthetisierenden Vermögen des Verstandes argumentiert auch Christoph Türcke (1986, S. 18) gegen die Lernpsychologie: „Hätte der menschliche Intellekt nicht eine spezifische Struktur an sich, die ihn befähigt, die Vielfalt von Sinnes82 eindrücken unter Begriffe zu fassen und diese Begriffe zu Urteilen und Schlüssen zu verknüpfen, wäre er also nicht dies produktive Vermögen zur geistigen Synthesis - kein Mensch könnte etwas lernen. Die Lernpsychologie ignoriert dies Vermögen und beschränkt sich aufs Wahrnehmbare. Damit zerfällt ihr der Lernprozeß in eine Vielzahl einzelner Momente, deren Abgrenzung gegeneinander rein willkürlich ist.“

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  40. Es dürfte deutlich geworden sein, daß die „unmittelbare sinnliche Wahrnehmung“ keine wirkliche Modalität des Wahrnehmens ist, sondern ein hypothetisch-analytisches Konstrukt. Stellt man sich vor -- dies sollte gezeigt werden —, die Wahrnehmung sei ausschließlich eine Sache der Sinne, wäre man nicht in der Lage, bedeutungsvolle Dinge wahrzunehmen. Dieses Konstrukt ist jedoch durch die Reiz-Reaktions-Theorien in der Psychologie in den Rang einer theoretischen Annahme gelangt. Gemeint ist die Auffassung, man würde „Reize” wahrnehmen, diese aber, weil ihre Anzahl die Aufnahmekapazität der Sinnesorgane und des Gehirns übersteigt, „filtern“ müssen, um sie dann verarbeiten zu können. Auf diese Weise bleibt allerdings die Umwandlung von Reizen zu bewußten Empfindungen unerklärlich: „Wie allerdings aus der zentralnervösen Erregungskonstellation die bewußte Empfindung entsteht, ist bis heute noch unbekannt.” (Schmale 1983, S. 58)

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  41. Hegels Kennzeichnung eines Begriffs, der durch das Denken bestimmt werden soll, als „leerer Name“ ist übertrieben. Denn der Begriff „Rose” hat natürlich eine Bedeutung. Die Bemühungen um eine computergestützte Modellierung der Begriffsbildung (Klix 1992, S. 366) zeigen jedoch folgendes: „Die Frage lautet: Wieviele Merkmale hat denn nun ein Begriff? Die schlichte Antwort: überabzählbar viele. Jeder Versuch, natürliche Begriffsbildung computertechnisch zu simulieren, muß davon ausgehen, daß ein beliebiger Merkmalssatz für einen Begriff durch weitere Merkmale, verfeinernde oder erweiternde, ergänzt werden kann.“ Angesichts der mannigfaltigen Möglichkeiten der Begriffsbestimmung im natürlichen Denken ist es, wie das Zitat zeigt, nicht völlig aus der Luft gegriffen, einen Namen, dem noch kein Merkmal oder Prädikat zugewiesen wurde, als „leer” zu bezeichnen. Richtiger wäre jedoch, hier von einem bestimmungsbedürftigen Namen zu reden.

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  42. Dies zeigt auch Friedhart Klix (1992, S. 311 f.) auf Basis neuerer experimenteller Untersuchungen: „Es ist vom Erscheinungsbild eben nicht so, daß die Merkmale unabhängig sind vorn wortbindenden Begriff: das Weich eines Kükenflaums, eines Federkleids, eines Plüschmantels, eines Rasens, eines Grases, einer Bürste oder einer Haut -. das sind immer ganz spezifische „Weichs“, die ihre Besonderheit durch die Invarianzeigenschaften der klassifizierten Objektmenge erhalten. Und so ist es immer: Das Rot einer Tomate, eines Apfels, eines Ziegels, einer Eisenbahnermütze usf., es sind immer verschiedene Rots. Sie sind mit der Klassenbildung gegeben und durch ein Wort gebunden.”

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  43. Mißverständlich ist allerdings Aeblis Redeweise von der „Teilmenge von Bedeutungsmerkmalen”, die im Rahmen einer Verknüpfung von Subjekt und Prädikat durch ein neues Merkmal bereichert wird. Entscheidend ist, daß der Begriff in der Verknüpfung seine besondere Qualität gewinnt. Dies ist, was hier allzuleicht nahegelegt wird, keine Frage der Quantität oder ein Mengenproblem von Bedeutungsmerkmalen.

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  44. Schon solche sinnlich-gebundenen Bestimmungen wie das Urteil „die Flamme ist rot“ unterstellen übrigens Wissen, das den Sinnen aktuell nicht zugänglich ist. „Rot (ist, M. F.) nur vorhanden, insofern demselben Gelb und Blau entgegensteht. Dieses Andere aber ist außer dem Sinnlichen, und dieses ist nur, insofern es das Andere nicht ist, und nur, insofern das Andere ist.” (Hegel 1970, Bd. 8, Zusatz I zu § 42, S. 117)

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  45. Einen Überblick gibt Wilke Thomssen (1990).

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Fischer, M. (2000). Psychologische Lerntheorien und ihre (begrenzte) Bedeutung für das berufliche Lernen. In: Von der Arbeitserfahrung zum Arbeitsprozeßwissen. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-11783-4_2

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