Zusammenfassung
Bisher wurde das Hauptaugenmerk in erster Linie auf gesellschaftliche Faktoren gelegt, die den Hypothesen zufolge ethnozentristische Einstellungen bei einzelnen Personen hervorrufen oder zumindest begünstigen. Die beiden zentralen Argumentationen waren: a) die durch gesellschaftliche Desintegrationsprozesse ausgelöste individuelle Verunsicherung wird durch den Rückgriff auf ethnozentristische Orientierungen kompensiert, und b) Konflikte zwischen ethnischen Gruppen verursachen ethnozentristische Einstellungen bei den einzelnen Personen. Es gilt nun, ein Erklärungsmodell auf der individuellen Ebene zu diskutieren. Insbesondere bei den konflikttheoretischen Ansätzen wurde ja schon deutlich, dass die Identifikation mit einzelnen Gruppen sowie die wahrgenommene Bedrohung durch Fremdgruppen auf der individuellen Ebene durchaus variieren kann. Auch müssen wahrgenommene Konflikte zwischen Gruppen keinesfalls einen „objektiven“ Kern aufweisen, sondern können kollektiven oder auch individuellen psychologischen Bedürfnissen der Aggressionsreduktion entspringen (LeVine und Campbell 1972, S. 117ff.; vgl. auch Abschnitt 5.1, S.123). Ethnozentrismus als Einstellungssyndrom kann dann verstanden werden als ein psychologischer Mechanismus, durch den die innergruppenspezifischen Zwänge, Frustrationen und negativen Impulse auf Fremdgruppen projiziert werden. Die einfachste Variante eines solchen psychodynamischen Modells ist die sog. Frustrations-Aggressions-Hypothese oder auch alltagssprachlich ausgedrückt: die Sündenbocktheorie (Dollard, Doob und Miller 1939; Mummendey 1990).
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Literatur
Die methodische Kritik richtet sich vor allem auf drei Argumente: erstens die starke Anfälligkeit der F-Skala für die sogenannte Ja-Sage-Tendenz (“acquiescent response set”), zweitens die Ideologienantülligkeit des Ansatzes, da “linker Autoritarismus” nicht erfasst würde und drittens die Problematik der Erfassung einer Charakterstruktur mittels der Einstellungsmessung (vgl. Hyman und Sheatsley 1954; Oesterreich 1998; Rippl, Kindervater und Seipel 2000 ).
und muß daher nicht nur die psychische Struktur des Individuums in Betracht ziehen, sondern seine gesamte objektive Lage (…). Daher war es eine wichtige Aufgabe dieser Studie, herauszufinden, welche sozioökonomischen Faktoren mit der EmpPanglichkeit für und welche mit der Widerstandsfähigkeit gegen antidemokratische Propaganda zusammengehen“ (Adorno 1973, S. 10). Adorno et al. konnten jedoch in ihrer Studie anders als in einigen Nachfolgestudien keinen empirischen Zusammenhang zwischen sozialstrukturellen Faktoren und dem Autoritarismus nachweisen.
Das bisher dargelegte Material erlaubt zumindest, die Charakterstruktur als eine der Determinanten von Ideologien zu betrachten. Doch verbietet der Bereich, mit dem wir uns hier beschäftigen, jede vereinfachende Reduktion auf psychologische Kategorien“ (Adorno 1973, S. 176). Als weitere wesentliche Determinante einer faschistischen Ideologie betrachtet Adorno das ”allgemeine kulturelle Klima“ (ebd.).
Diese Variablen oder Dimensionen des Autoritarismus wurden in den empirischen Studien von Adorno, Frenkel-Brunswik, Levinson und Sanford mittels der F-Skala erhoben. Nach zahlreichen Validierungsstudien und Modifikationen der F-Skala entschieden sich die Forscherinnen bewusst für ein mehrdimensionales Messinstrument. Dieses Vorgehen wurde mit der Komplexität des Autoritarismussyndroms begründet. Den theoretischen Annahmen zufolge müssen diese postulierten Subdimensionen des Autoritarismus nicht alle gleichzeitig auftreten, sie finden sich aber nach Adorno u.a. bei allen Autoritären in unterschiedlichen Kombinationen und Ausprägungen wieder (Adorno u.a. 1950, S. 228ff.).
Die Autoritarismusforschung hat mittlerweile eine lange Forschungstradition, die zahlreiche Untersuchungen hervorgebracht hat. Von 1950 bis 1989 wurden in den Psychological Abstracts 2341 Publikationen, die sich mit Autoritarismus (oder Dogmatismus) befassen, erwähnt (vgl. Meloen 1993). Jos Meloen bezog eine Vielzahl dieser Studien, die auf äquivalenten Messinstrumenten basieren, in eine Metaanalyse ein und kommt zu dem Schluss: “One may wonder about the amount of support provided by the present analysis for the authoritarian personality theory. Strictly speaking, this report shows that only the F scale has greater validity for measuring potential and actual fascism than is often assumed ” (Meloen 1993, S. 68 ).
Die Beziehung von Ethnozentrismus und Autoritarismus wurde in “The Authoritarian Personality” nicht systematisch expliziert. Es bleibt unklar, ob der Ethnozentrismus eine Teildimension des Autoritarismus bildet, oder ob es sich um unterschiedliche Konstrukte handelt, die in einem Ursache-Wirkungszusammenhang stehen. Die theoretischen Ausführungen sowie die Operationalisierung der Konstrukte lassen jedoch vermuten, dass die Autorinnen implizit davon ausgingen, dass Autoritarismus die Ursache und Ethnozentrismus die Wirkung ist.
Eine gute Übersicht über die Kontroversen und Ansatze der aktuellen Autoritarismusforschung findet sich in einem jüngst erschienen Sammelband von Rippl, Seipel und Kindervater (2000).
Hopf bezieht sich bei der Interpretation der Beziehungserfahrungen von Autoritären sehr stark auf die sog. Attachment-Forschung, die mit dem Namen John Bowlby und Mary Ainsworth verbunden ist und macht deren Erkenntnisse für die Autoritarismusforschung fruchtbar.
Der Forschungsschwerpunkt der “Berkeley Group” lag zunächst auf dem Antisemitismus und dem Ethnozentrismus. Erst aus diesen theoretischen wie empirischen Arbeiten wurde das Konzept der Autoritären Persönlichkeit entwickelt und später nicht auf den Ethnozentrismus und Antisemitismus rückbezogen. Diese Vorgehensweise führt zu erheblichen Unklarheiten und Uneindeutigkeiten der Formulierungen an zahlreichen Stellen.
Hierbei handelt es sich um die folgenden Residuenkorrelationen: E17 und D3 (0.185); E2 und E1 (0.114); E1 und E5 (0.068); E2 und E6 (-0.116); E5 und E6 (-0.094); E4 und E2 (-0.074); E16 und E6 (0.111); E2 und E16 (-0.161); E16 und E3(0.108); E2 und E17 (-0.096)
Die Ausarbeitung der familien-und sozialisationstheoretischen Teile der AP können in erster Linie Else Frenkel-Brunswik zugerechnet werden.
So kann durchaus von zwei unterschiedlichen Autoritarismuskonzepten gesprochen werden: das erste, das sich entlang der individualpsychologischen Erklärungsmuster als “autoritäre Persönlichkeit” konzipiert und das zweite, das sich als “autoritärer Sozialcharakter” auf den Zusammenhang der Lebensbedingungen der Menschen im Spätkapitalismus und den daraus erzeugten autoritären Dispositionen bezieht. Während sich die empirische Forschung primär auf das individualpsychologische Konzept bezieht, wird vor allem in der deutschen Soziologie der Arbeit von Adorno große Bedeutung beigemessen und umgekehrt die Arbeit der “Nicht-Frankfurter” nahezu ignoriert (vgl. C. Hopf 1987; Herrmann 1995).
In der Studie aus dem Jahre 1995 wurde ein anderes Messinstrument zur Erfassung der Anomia verwendet, und die Autoritarismuskurzskala umfasste ein zusätzliches Item.
Es ergaben sich in der Gruppe der Arbeiterinnen zwei methodische Probleme: Zum einen deutet eine über 1.00 geschätzte standardisierte Faktorenladung des items ausländ2 auf ein Multikoliniaritätsproblem hin und zum anderen verursacht eine negative Beziehung der Ost-Westvariable mit dem Antisemitismus und eine positive Beziehung der Ost-Westvariablen mit dem Faktor Ethnozentrismus Schätzprobleme.
Die nun folgenden Hypothesen wurden strenggenommen nicht aus der Theorie expliziert, sondern explorativ gewonnen.
Testtheoretisch ist es zwar möglich, zwei Modelle mit gegensätzlicher Kausalrichtung zwischen zwei Konstrukten zu spezifizieren, gegeneinander zu testen und sich dann far dasjenige Modell zu entscheiden, welches auf der Basis der Chi2-Statistik die besseren Anpassungswerte liefert. Meines Erachtens ist dieses Verfahren jedoch kein zuverlässiger Indikator für die Richtung der kausalen Beziehung.
Die zugelassenen Residuenkorrelationen in beiden Teilmodellen sind dem AMOS-Output auf der schon erwähnten CD zu entnehmen (siehe S. 23 dieser Arbeit).
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Herrmann, A. (2001). Autoritarismus. In: Ursachen des Ethnozentrismus in Deutschland. Forschung Soziologie , vol 130. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-11707-0_7
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