Zusammenfassung
Wenn heute von Mobilität (lat. mobilitas, „Beweglichkeit“) gesprochen wird, ist die Zuordnung des Wortes meist eindeutig: Mobilität gilt als positiv besetzter Begriff, der sich auf die räumliche Bewegungsfreiheit des Menschen bezieht und eine vielfältige Auswahl von Bewegungsmöglichkeiten impliziert. Mobilität erzeugt nach diesem Verständnis Verkehr (Petersen/ Schallaböck 1995, S. 9). Jede Art der Mobilität ist mit verschieden hohen Kosten für die Umwelt verbunden und hat Auswirkungen auf alle Umweltmedien, also Luft, Wasser und Boden. Daher liegt die Vermutung nahe, dass Mobilität, die hohe Kosten für die Umwelt verursacht, einer Entwicklung zu einer am Leitbild der Nachhaltigkeit ausgerichteten Gesellschaft im Wege steht. Nur: wie kann man Erkenntnisprozesse fördern, die ein Umdenken im Bereich der Mobilität in diese Richtung voranbringen? Eine zentrale Annahme des Forschungsvorhabens ist, dass kontextabhängige Bedingungen spezifischer sozialer und biographischer Gegebenheiten derartige Prozesse beeinflussen können.
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Literatur
Durch die unüberschaubare Menge des umweltrelevanten Einzelwissens scheiden Experten bei entsprechenden Fragen prinzipiell besser ab und würden somit als umweltbewusster gelten. Die Auswahl verhaltensrelevanter Bereiche für die Dimension Wissen wird zudem in empirischen Erhebungen meist kaum näher begründet (vgl. Lecher 1997, S. 78).
Besonders Ingleharts Postmaterialismushypothese spielt in diesem Zusammenhang eine Rolle. Sie geht in Anlehnung an die Maslowsche Bedürfnishierarchie davon aus, dass sich in Industriegesellschaften ein langsamer Wechsel von materialistischen hin zu postmaterialistischen Werten vollziehen würde (vgl. Inglehart 1989). Neuere Studien belegen allerdings diesen Wandel nicht.
Die aus der Einstellungsforschung stammende und von Ajzen und Fishbein entwickelte Theory of planned behavior (TOPB) spielt in diesem Zusammenhang eine bedeutende Rolle (vgl. z.B. Ajzen 1991, Lüdemann 1997, S. 43 ff.; Bamberg/Schmidt 1994, S. 83 f.).
Zum Teil wird versucht, verschiedene theoretische Ansätze zur individuellen Mobilitäts wahl zu vereinen oder das eigene Modell zu ergänzen (vgl. z.B. Krämer-Badoni/Wilke 1997) Verkehrsteilnehmer über ein hohes Maß an Umweltbewusstsein verfügen. So wird beispielsweise die Bahn entsprechend ihrer Fahrzeit in Konkurrenz zum Flugzeug weniger gewählt (vgl. z.B. Franzen 1998, S. 64–65; Bamberg/Schmidt 1994, S. 96).
Auch Heine (1995) weist in Bezug auf das Individuum auf subjektiv-rationale Motivatoren hin, „die aus der Sicht der Verkehrsteilnehmenden objektiv, vernünftig und nachvollziehbar vorliegen, auch wenn sie einer Überprüfung von unabhängiger Seite nicht standhalten (Heine 1995, S. 374).
Verzichtet wird auf längerfristige Verbindlichkeiten wie Mitgliedschaften von Vereinen; Polarisierung wird negiert; klassische gesellschaftliche und politische Organisationen werden ironisiert etc.
Bei männlichen Jugendlichen rangieren seit kurzem neue Formen des Jugendtourismus und der motorisierten Wochenendmobilität auf dem ersten Rang gewünschter Konsumformen (vgl. Ferchhoff 1999: 207).
Gemeint sind hier subjektive Kosten-Nutzen-Kalküle, die sich sowohl an rationalen Gegebenheiten, als auch an persönlichen Werten, Einschätzungen und Verhaltensweisen orientieren (vgl. Diekmann/Preisendörfer 1992; Heine 1995; Krämer-Badoni/Wilke 1997).
Witzel versteht das Problemzentrierte Interview als Methodenkombination aus qualitativem Interview, Fallanalyse, biographischer Methode, Gruppendiskussion und Inhaltsanalyse (Witzel 1985, S. 230). Hier wird nur der Verlauf des Problemzentrierten Interviews geschildert.
Durch die Vorzüge des Problemzentrierten Interviews wird auch der sinnvolle Einsatzbereich deutlich: „Es eignet sich hervorragend für eine theoriegeleitete Forschung, da es keinen rein explorativen Charakter hat, sondern Aspekte der vorrangigen Problemanalyse in das Interview Eingang finden“ (Mayring 1999, S. 52)
Witzel verweist auf die Wichtigkeit von empirischen „Untersuchungen aus der Akteurs-perspektive“ in Zusammenhang mit der Individualisierungsthese Becks (Witzel 1996, S. 50; Witzel 2000, S. 1).
Bem Gesprächsanfang wurde darauf geachtet, eine narrative Gesprächsstruktur aufzubauen, „deren inhaltliche Abfolge und Gliederungspunke möglichst weitgehend vom Befragten entwickelt werden“ konnte (Witzel 1985, S. 245). Im Rahmen der allgemeinen und spezifischen Sondierung wurde versucht, den Interviewten zu einer Spezifizierung einzelner Sachverhalte und Zusammenhänge anzuregen, mit denen er sich nach Ansicht des Interviewers näher beschäftigen sollte (vgl. Witzel 1985, S. 246–250). Ad-hoc-Fragen ergeben sich aus dem Interviewleitfaden und der spezifischen Interviewsituation (vgl. Witzel 1985, S. 250; Witzel 2000, S. 5).
Es gibt eine diverse Anzahl von Transkriptionsregeln, nach denen festgehalten wird, in welcher Form Sprechpausen, Versprecher, Unterbrechungen, Veränderungen von Lautstärke, Betonungen usw. festgehalten werden. Es gilt abzuwägen, welche Genauigkeit für die geplante Auswertung angemessen ist (vgl. Schmidt 1997, S. 546; Witzel 1985, S. 237).
Um dieses Hineinversetzen zu erleichtern, bleibt bei diesem ersten Schritt der Paraphrase die Ich-Form der Erzählpassagen innerhalb des Interviews (Im Gegensatz zu Mayrings Zusammenfassung bei der Qualitativen Inhaltsanalyse (Mayring 1997, S. 59f.)) erhalten.
Die Schrift „The discovery of grounded theory“ (Glaser/Strauss 1980), erstmals erschienen 1967, wird bei der Schilderung der Umgangsweise mit der Grounded Theory nur zu vergleichenden Zwecken herangezogen. Obwohl sie als eine der grundlegenden pragmatischen Schriften qualitativer Sozialforschung verstanden wird, bleibt zurecht die Kritik, der Anspruch an den Forscher theorielos als tabula-rasa in den Forschungsprozess zu gehen, sei nicht praktikabel und nicht einmal von Glaser und Strauss selbst praktiziert worden (vgl. Kelle 1996, S. 23; Kelle/Kluge 1999, S. 16f.) Spätere Schriften tragen den Vorwürfen an die Grounded Theory Rechnung (vgl. Kelle 1996, S. 23f.).
Diese Sensibilität kann durch Literaturstudium, berufliche Erfahrungen, persönliche Erfahrungen und dem Kontextwissen im analytischen Prozess (Wissen über Zusammenhänge, Verständnis für Phänomene und ihre zugeschriebene Wichtigkeit in den Interviews, Entwickeln von kleinen theoretischen Netzen) erworben worden sein.
Stauss und Corbin orientieren sich nicht mehr an dem Postulat aus „The discovery of grounded theory“, in der noch empfohlen wird to ignore the literature of theory and fact on the area of study, in order to assure that the emergence of categories will not be conmaminated by concepts more suited to different areas.” (Glaser/Strauss 1980, S. 37). In der Publikation von Strauss und Corbin (1996, S. 25ff.) wird die Literatur zum Forschungsthema quasi zur sinnvollen Vorraussetzung guter, „theoretisch sensibler“ Forschung. Doch schon Glaser und Strauss verwenden in ihrem Konzept die Analyse von Literatur, allerdings nur „after the analytic core of categories has emerged” (1980, S. 37).
„The initial decisions for theoretical collection of data are based only on a general sociological perspective and on a general subject or problem area…“ (Glaser/Strauss 1980, S. 45).
Auf die Verwendung des Begriffes „Kernkategorie (core-categorie) wird nun verzichtet, da die Hauptkategorien durch einem Vergleich mit dem Leitfaden entstehen, was sich nach der Grounded Theory verbieten würde.
Witzel bezeichnet diese Validierung gesondert als Validierung am Text. Diese Trennung ist kaum sinnvoll, da die diskursive Validierung sich immer auf Text, d.h. die Transkripte oder Paraphrasen stützen muss. Insofern scheint eine Trennung der Zuordnung nicht angemessen zu sein.
Eine Validierung erfolgte durch die Diskussion, Entwicklung und Überprüfung über Auswertungsergebnisse in der Arbeitsgruppe des Forschungsprojekts Nachhaltigkeitsbewusstsein.
Bei der Auswertung der Interviews wurden geschlechsspezifische Unterschiede mit berücksichtigt. Sie werden allerdings nur dann erwähnt, wenn sich aussagekräftige Unterschiedlichkeiten bemerkbar machten. Die unterschiedliche Gewichtung von Männern und Frauen in den beiden Befragtengruppen wurde bei der Betrachtung von Differenzen zwischen den Gruppen mit berücksichtigt.
Baethges Teilung von Arbeit in Sinnhaft-subjektbezogene und materiell-reproduktionsbezogene Ansprüche bietet sich für die interviewten Jugendlichen nicht an, da die Ausbildungssituation für sie offener ist und auch als offener beschrieben wird, um als rein materiell-reproduktionsbezogene Arbeit angesehen zu werden (Baethge 1990, S. 73 f.).
Im Vergleich zu Witzel und Kühns Untersuchung kommen Argumentationen, die auf eine stärkere Betriebsidentifizierung schließen lassen, kaum vor, was nicht verwundert, wenn man davon ausgehen kann, dass die Jugendlichen ihre Lehrstelle realistisch als Übergangsort hin zur späteren Stelle betrachten. Die Unter (2) zusammengefassten Kriterien könnten hingegen nach Witzel und Kühns Typologie mit Tendenzen zum Lohnarbeiterhabitus und zur Chancenoptimierung beschrieben werden (Witzel/Kühn 1999, S, 36 fi).
Im Gegensatz dazu schreibt Schulze „Männliche Jugendliche entwickeln sehr früh ganz präzise Vorstellungen über das ideale Auto, wobei technische Ausstattung (PS usw.) im Vordergrund steht. Demgegenüber entwickeln weibliche Jugendliche eher vage Vorstellungen bezogen auf das ideale Auto, die sich eher auf Größe, Form, Farbe und Verbrauch beziehen“ (Schulze 1996, S. 1 l).
Ähnlich wie bei Flade kann in der Studie kaum von geschlechtsspezifischen Unterschieden beim Bild des ÖPNV und des Fahrrades gesprochen werden (vgl. Flade 1999, S. 126).
Eine Gruppe von Interviewten, die aus ökologischen Gründen auf das Auto verzichten würde, wie in der Auswertung bei Lappe, Tully und Wahler (2000, S. 134), gab es bei den Interviewten Jugendlichen dieser Befragung nicht.
Bögeholz unterscheidet verschiedene Muster der Naturwahrnehmung und differenziert in einen ökologisch-erkundenden, einen instrumentell-erkundenden, einen ästhetischen und einen sozialen Typ (vgl. Bögerholz/Barkmann 1999, S. 97f.). Die von ihr beschriebenen Naturerfahrungsmuster lassen sich allerdings kaum mit den Argumentationslinien aus den Ergebnissen der vorliegenden Studie verknüpfen.
Es handelt sich dabei um Gärtnerinnen und Kfz-Mechanikerinnen.
Fuhrer schlägt z.B. vor, Umweltveränderungen anhand sozialer Repräsentationen zu bestimmen, da sich „Umweltprobleme im sozialen Diskurs“ (Fuhrer 1995, S. 96) herausbilden, worunter Fuhrer die indirekte Wahrnehmung über Meinungen anderer versteht, die sozial geteilt sind und die Funktion kollektiver Beurteilungs-und Handlungsmuster darstellen. Individuen übernehmen durch den „Konformitätsdruck” solche „sozial geteilten Kognitionen“ als Individuelle soziale Repräsentationen (Fuhrer 1995, S. 96f.). Ähnlich könnte man als Voraussetzung für das Entstehen der erwarteten Verhaltenskontrolle (wer kontrolliert das Verhalten des Einzelnen?) und der subjektiven Norm von Ajzen und Fishbein gesellschaftlich geprägte Normen voraussetzen (vgl. Ajzen 1991).
Lappe, Tully und Wahler kommen in Bezug auf Umwelt zu anderen Ergebnissen, was darauf zurückzuführen ist, dass unter „allgemeinem Umweltbewusstsein“ von Jugendlichen bereits Äußerungen, die die gesellschaftliche Norm repräsentieren, als umweltbewusste Einstellung gewertet werden (vgl. Lappe/Tully Wahler 1999, S. 208)
Auch hier kann man durchaus davon sprechen, dass das in der Evaluationsforschung abgefragte Umweltwissen selten als „hoch“ eingestuft wird — was natürlich z.T. auch auf die Befragungen zurückzuführen ist (vgl. z.B. Blasius 1998, S. 22).
Heine spricht bereits vom „Habituellen Führerscheinerwerb“, da die Aneignung eines Führerscheins gesellschaftlich hoch angesehen ist und fragt, ob nicht „der Erwerb der Fahrerlaubnis die Kategorialentscheidung für den motorisierten Individualverkehr ausmacht” (Heine 1995, S. 373).
Versteht man unter habitualisierten Verhaltensweisen Muster, die im Verhalten der Individuen eine relative Konstanz aufweisen (wie z.B. auch bei der Lebensstilforschung), so kann man sicher davon sprechen, dass habitualisiertes Verhalten eine Grundlage für sinnvolle empirische Umweltforschung ist, da sie meist bei der Veränderung von umweltrelevanten Verhalten ansetzt. Was kann man verändern, wenn „alles fließt“?
Bei einigen der Interviewten dieser Gruppe liegt auch eine starke Peerorientierung vor.
Diese Personengruppe als konsistente Aktive zu bezeichnen (vgl. Lappe/Tully/Wahler 2000, S. 175) wäre anhand der Interviews nicht angemessen.
Das unter dem Terminus High-Cost — Low-Cost-Hypothese bekannt gewordene Ergebnis einer Studie von Diekmann und Preisendörfer besagt: „Umweltbewußtsein und Umweltwissen (lässt sich) vor allem in ‘Low-Cost’ -Situationen in faktisches Verhalten transformieren“ (Diekmann/Preisendörfer 1992, S. 240). Die Hypothese legt nahe, dass es Unterschiede in Bezug auf persönliche Verhaltenskosten einer Verhaltensänderung gibt, wobei sich die eingeschätzte Höhe einer der Verhaltenskosten an einer individuellen, subjektiven Rationalität der untersuchten Personen orientiert. Personen handeln eben nicht umfassend umweltverträglich, sondern konzentrieren sich auf bestimmte Bereiche, die auch zur Legitimation von nicht umweltbewussten Handeln in anderen Bereichen dienen (vgl. Preisendörfer 1993, S.49; Diekmann/Preisendörfer 1992, S. 240).
Der Terminus Engagement bezieht sich in diesem Zusammenhang auf ein geringeres Maß an körperlichen Aktivitäten und dem Desinteresse an handlungsorientierten Formen des Einsatzes für Ziele. Es wird hier eher eine allgemeine Haltung der Interviewten beschrieben, die sich auch im Verhalten bezüglich der Umwelt äußert..
Im Rahmen seiner empirischen Untersuchung zu Umweltlernen und beruflichem Handeln formuliert Hans Günther Wagner den Schlüsselqualifikationen ähnelnde Zielbestimmungen, und benennt u. a. das vernetzte Denken und Methoden integrativen Problemlösens (Wagner 1997, S. 353).
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Winkel, J. (2002). Mobilität und Nachhaltigkeit. In: Bolscho, D., Michelsen, G. (eds) Umweltbewusstsein unter dem Leitbild Nachhaltige Entwicklung. Schriftenreihe „Ökologie und Erziehungswissenschaft“ der Kommission „Umweltbildung“ der Deutschen Gesellschaft für Erziehungswissenschaft, vol 9. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-11675-2_3
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