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Die Altersphase

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Theorien über das Alter

Part of the book series: Studien zur Sozialwissenschaft ((SZS,volume 192))

  • 102 Accesses

Zusammenfassung

Im ersten Teil der Arbeit hat sich als dominante Thematisierung von ‘Alter’ die Voraussetzung einer funktionslosen ‘Altersphase’ herausgestellt. Parsons und die in seiner Tradition stehende Alternsforschung haben diese aus der Dreiteilung des Lebenslaufs resultierende Bestimmung von ‘hohem Alter’ als ahistorisches Charakteristikum gesellschaftlicher Strukturen eingeführt. Mit den demographischen Umbrüchen der vergangenen Jahrzehnte hat die ‘Altersphase’ eine Prominenz erlangt, die jedoch ihre Bindung an historische Entwicklungen nicht verleugnen kann. Der Kollektivsingular ‘Alter’, wie er uns heute vertraut ist, ist eine spezifisch moderne, genauer: neuzeitliche Erfindung, die ein Ausmaß an Generalisierung kennt, wie es vorher kaum möglich war. Die Nachzeichnung der gesellschaftsstrukturellen Ermöglichung von solchen ‘Altersschablonen’ verdeutlicht die Vielfalt historischer Umgangsweisen mit dem ‘hohen Alter’ und die spezifisch moderne Verknüpfung des Themas ‚Alter‘ mit der Sinnfrage.

Warum nach dem Sinn des Alters gefragt wird

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Literatur

  1. Franz Bölsker-Schlicht identifiziert sicherlich zu Recht drei Faktoren, die den Alternsprozeß zu allen Zeiten bestimmen: „a. Arbeitskraft und Arbeitsleistung, b. Bedürfnisse und Bedürfnisbefriedigung (Konsum), c. ökonomisch-soziale Kompetenz (Besitz und/oder profesionelle Kenntnisse und Fertigkeiten)“ (Bölsker-Schlicht 1988, 60). Diese Faktoren bestimmen jedoch nicht nur das Leben alter Menschen, sondern auch aller anderen. Alle Menschen unterscheiden sich hinsichtlich dieser Bedingungen und für alle ist die mangelhafte Ausstattung mit Arbeitskraft, Konsummöglichkeiten und Besitz problematisch. Viel interessanter als diese „sozial-ökonomischen Aspekte“ (ebd., 36) sind m.E. Umgangsweisen mit Mtetsunterschieden, — und nicht mit Mtttsproblemen, in denen die Unterscheidung von Altersgruppen immer schon vorausgesetzt wird.

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  2. Zur Erinnerung: Parsons unterstellte eine über das Ziel der Bestandserhaltung mit einem normativen Zentrum ausgestattete Gesellschaft, in der Funktionen aus Strukturen abgeleitet werden.

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  3. Ein ganz typisches Problem sozialgeschichtlicher Forschungen zum Thema ‘Alter’ ergibt sich z.B. durch die noch ungeklärte Sachlage der familiären Unterstützung alter Menschen. Während Laslett von der Dominanz einer vormodemen Kernfamilie ausgeht und eine der modernen Gesellschaft ähnliche Vielfalt familiärer Strukturen in traditionalen Gesellschaften vermutet (vgl. Laslett 1995a, 47), relativiert Kertzer diese Diagnose und beschränkt sie auf England. Er fordert eine komplexere Analyse, die Kernfamilien und Stammfamilien nicht an Neolokalität oder Nonneolokalität bindet, sondern stattdessen den Fall des Zusammenziehens im Alter, ein „reincorporation system“, vorsieht. (Vgl. Kertzer 1995, 377)

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  4. Die über diese Interaktionsnähe entstandene Limitierung der Handlungsmöglichkeiten in einfachen Gesellschaften ist verantwortlich für das Etikett ‘primitive Gesellschaft’, das bis in die 80er Jahre das Forschungsfeld umgrenzt hat.

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  5. Nassehi und Kneer (1993, 125), aber auch Richter ergänzen zusätzlich „Funktionsdifferenzierungen durch besondere Sakralrollen“ (Richter 1996, 155). Für unsere Frage nach Altersdifferenzierungen kann dieses Phänomen jedoch zunächst vernachlässigt werden, da es später als eine der Möglichkeiten, als alter Mensch zu leben, angesprochen wird.

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  6. Simmons gliedert seine Arbeit in folgende Titel: I. The Assurance of Food, II. Property Rights, III.

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  7. Prestige, IV. General Activities, V. Political and Civil Activities, VI. The Use of Knowledge, Magic, and Religion, VII. The Functions of the Family, VIII. Reactions to Death. Vgl. Simmons 1970, VII.

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  8. Die begrenzte Gültigkeit von privilegierenden Regelungen für alte Menschen verdeutlicht auch die Beobachtung von Simmons, daß weniger hohes Alter selbst, als speziell Wissen für eine besondere Stellung auch in einfachen Gesellschaften qualifiziert. Auch junge Menschen mit ungewöhnlichen Erfahrungen können in den Kreis „weiser alter Männer“ aufgenommen werden. (Vgl. Simmons 1970, 137)

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  9. Müller vermutet eine Begründung für die Undifferenziertheit der klassischen Altersgruppenforschung darin, „daß die Entdeckung von Alters- und Generationsklassen für die damaligen Ethnographen eine willkommene Möglichkeit war, diesen Ethnien eine beschreibbare sozio-politische Organisationsform zuzuordnen.“ (Müller 1990, 34) Um eine solche Überbewertung der Altersgliederung zu verhindern, weisen Müller und Elwert auf die dynamischen, sich durch gesellschaftliche Krisen oder äußere Einflüsse verändernden Alterssysteme hin. (Vgl. ebd.; Elwert 1990, 103f.)

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  10. Altersklassen spielen in familialistischen Gesellschaften nur eine Rolle, soweit in ihnen den jüngeren Mitgliedern über Beschränkungen der Status der Reife vorenthalten wird. (Vgl. Eisenstadt 1966, 257)

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  11. Wolfgang Voges verwendet für diese Unterschiede die Begriffe altersheterogen (Zusammenleben aller Altersstufen) und altershomogen (Zusammenleben zwischen Angehörigen einer Altersstufe). Vgl. Voges 1983, 7.

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  12. Wie eingangs schon erwähnt, können einfache Gesellschaften, die auf gemeinsamer Anwesenheit an einem konkreten Ort beruhen, als Interaktionssysteme beschrieben werden. (Vgl. Luhmann 1975a, 13, vgl. zu Interaktion auch Kap. VIII.4)

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  13. Rosenmayr beschreibt dieses Phänomen im Rückgriff auf Beauvoir als Zeichen für die „immer wieder durchschlagende Rücksichtslosigkeit des Menschen gegenüber dem Mitmenschen“ (Rosen-mayr 1983, 59) Aufgrund seiner Hypostasierung der ‘kulturellen Integration’ erscheinen ihm vernachlässigte alte Menschen als Indikator fehlender Werte. Daß er zwei Seiten derselben Medaille beobachtet, bleibt ihm aufgrund des normativen Zugangs verborgen.

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  14. Giesen formuliert deshalb: „Die ‘Normen’ einfacher Gesellschaften sind Regeln praktischen Handelns.“ (Giesen 1991, 28f.)

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  15. Peter Borscheid faßt als tödliche Krankheiten noch des späten Mittelalters zusammen: „Malaria, Pest, Blattern, Lepra, Syphilis, Typhus, Ruhr und Diptherie“ (Borscheid 1987, 21)

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  16. Auch Minois weist darauf hin, wie zweifelhaft in vieler Hinsicht die Angaben dieser im 3. Jahrhundert n. Chr. entstandenen Lebensbeschreibungen sind. Immerhin lassen sich daraus jedoch Anhaltspunkte für sowohl ungefähre Altersbestimmungen als auch Todesarten finden. (Vgl. Minois 1989, 55ff.)

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  17. Die Stichprobe differenziert zwischen italienischen Gebieten und den Provinzen Afrika, Asien, Narbonne, Ägypten und Spanien.

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  18. Ob dabei auf- oder abgerundet wurde, läßt sich nicht eindeutig beantworten. Minois widerspricht Georges Duby, der bei älteren Menschen eine Tendenz zum Aufrunden vermutet. Ein Vergleich unterschiedlicher Altersbeweise bei Vasallen englischer Könige zwischen 1250 und 1450 ergab eher eine Tendenz zum Abrunden. (Vgl. Minois 1989, 172f)

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  19. Wenn Minois vermutet, daß sich entscheidende Unterschiede im Altemsverlauf zwischen den Ständen erst im späten Mittelalter, nicht jedoch in der griechischen bzw. römischen Antike finden lassen, läßt er sich wahrscheinlich von der Tatsache irreleiten, daß in dieser Epoche erstmalig auch Informationen zum Leben der „einfachen Leute“ vorhanden sind. (Vgl. Minois 1989, 156f.) Von den wenigen Altersschilderungen der Philosophen, Dramatiker und Poeten auf ein einheitliches Altersbild zu schließen, scheint mir etwas voreilig zu sein. Darauf weist auch Thomas M. Faulkner hin, der der Erforschung des griechischen und römischen Altersbildes eine Konfundierung von „literary representations“ und „social realities“ vorwirft: „Historical models of old age offer not self-contained systems of classification but windows on the social and conceptual systems that circumscribe the culture.“ (Faulkner 1994, 113)

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  20. In den reformierten Gebieten stellte sich die Situation der Pfarrer, die nicht evangelisch werden wollten, durchweg als katastrophal dar. (Vgl. Borscheid 1987, 43)

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  21. Auch Solon entscheidet sich, als er selber älter wird, das allgemeine Todesdatum vom 70. auf das 80. Lebensjahr zu verlegen. Wie oben schon erwähnt, ist Solon 80 Jahre alt geworden. (Vgl. Ro-senmayr 1978, 34)

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  22. Die entscheidende Neuerung des hippokratischen biologischen Verständnisses besteht in der Annahme, daß der Mensch immer schon alle Säfte und alle Elemente enthält, also nicht eine grundsätzliche Veränderung durch den (unerklärlichen) Austausch eines Elements durch ein anderes durchmacht, sondern sich nur das Mischungsverhältnis ändert. (Vgl. Kapferer 1934, Buch 7, 9)

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  23. Natürlich ist hiermit nur eine Auswahl genannt. Altersstufenmodelle sind in mehr oder weniger expliziter Form auch von anderen Philosophen entwickelt worden. Die oben aufgeführten Modelle repräsentieren typische Beispiele.

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  24. Diese Überschrift ist einer Veröffentlichung von Hans Ulrich Klose entlehnt Altern hat Zukunft (1993). Vgl. mit ähnlichem Titel Hoppe & Wulf 1996: Altem braucht Zukunft, Brauchbar & Heer 1995: Zukunft Alter.

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  25. Daß die Lebensverhältnisse vermutlich zu weiten Teilen nur einen erschreckend elenden Alternsver-lauf gestatteten, kann dieses Ergebnis nicht widerlegen. Die direkte Interpretation dieses Befunds aus heutiger Perspektive legt moderne Maßstäbe an und verlängert heutige Gesellschaftskritik in die Vergangenheit. Stattdessen wählen wir den Umweg über eine begriffsgeschichtliche Analyse und paralle-lisieren semantische Neuerungen mit strukturellen Veränderungen der Gesellschaft.

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  26. Heidi Rosenbaum weist darauf hin, daß vor dem 18. Jahrhundert noch vom ‘ganzen Haus’ gesprochen wurde und erst später die Familie in den Sprachgebrauch Eingang fand. (Vgl. Rosenbaum 1980, 21)

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  27. Das Interesse an solchen anthropologischen Konstanten muß stattdessen umgekehrt als Produkt der neuzeitlichen Gesellschaft verstanden werden. Die ‘Unterbestimmtheit der menschlichen Natur’ als anthropologisches Problem korrespondiert mit den sozialstrukturellen Erfordernissen nach Beteiligungsmöglichkeiten für alle, ohne ständische, religiöse oder nationale Bestimmung. (Vgl. Luhmann 1980c, 169ff.)

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  28. Laslett weist darauf hin, daß diese Bezeichnung eigentlich irreführend ist, da sie nur für den Fall gilt, daß alle am Punkt der höchsten Lebenserwartung sterben. Tatsächlich müsse aber weiterhin von einer Zunahme unheilbarer Krankheiten ausgegangen werden, die zu unterschiedlichen Sterbezeiten führe. (Vgl. Laslett 1995, 110f.)

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  29. Vgl. Imhofs Einleitung zu „Die gewonnenen Jahre“ (1981). Seine historische Analyse soll betroffen machen: „Man denke nur an den geringen Einsatz vieler von uns in bezug auf eine aktive Altersvorsorge. Je älter wir nun werden, umso früher müßten wir eigentlich mit einer auf die zusätzlichen Lebensjahre bewußt zugeschnittenen Lebensführung beginnen.“ (Imhof 1981, 24)

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  30. Daß nach wie vor Nationalismus ein großes Problem der modernen Gesellschaft darstellt, kann nicht darüber hinwegtäuschen, daß dieses Programm seine umfassende Gültigkeit verloren hat.

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  31. Kondratowitz führt in seiner Analyse zur stationären Unterbringung alter Menschen ein ähnliches Beispiel für die Formierung des Alters im institutionellen Zugriff an. Im Vergleich zu mittelalterlichen „Alterssicherungen“ konstatiert er: „Gegenüber einer solch forcierten Vielfalt der Überlebenssicherung produziert die Etablierung des Altenheims eine Vereinheitlichung, ja geradezu eine soziale Standardisierung von Lebensfirmen“ (Kondratowitz 1988, 104)

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  32. Kapitel IV und V meiner Arbeit illustrieren die Grenzen eines solchen Zugangs.

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  33. Ähnliche Semantiken gesellschaftlichen Sinnverlusts charakterisieren kulturkritische Stellungnahmen zur modernen „Verdrängung des Todes“. Im Unterschied zu gerontologischen Programmen läßt sich das Thema Tod und Sterben jedoch seit der Säkularisierung nicht mehr mit so einem eindeutigen Zukunftsbezug ausstatten. Auch das Motiv, für die (nationale) Gesellschaft zu sterben, ist hinter individuelle Ansprüche zurückgetreten. Alter dagegen ist zu einer großen Spielwiese für jede Art von politisierenden Programmen geworden.

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Saake, I. (1998). Die Altersphase. In: Theorien über das Alter. Studien zur Sozialwissenschaft, vol 192. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-11646-2_7

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  • DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-663-11646-2_7

  • Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden

  • Print ISBN: 978-3-531-13055-2

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