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Hat Alter einen Sinn?

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Theorien über das Alter

Part of the book series: Studien zur Sozialwissenschaft ((SZS,volume 192))

  • 102 Accesses

Zusammenfassung

Die Methode des Funktionalismus ist von Talcott Parsons zur Entwicklung einer Gesellschaftstheorie verwendet worden, die eine ganze Epoche soziologischen Denkens beeinflußt hat und deren Wirkungsgeschichte auch heute noch — z.B. in der soziologischen Alternsforschung — anhält. Da mit dem Status einer „reifen“ Theorie jedoch immer auch ihre oberflächliche Rezeption verbunden ist, verspricht eine Überprüfung der Alternsforschung auf ihre Prämissen einen neuen Blick auf z.T. bereits zum „Kanon“ der Alternsforschung gehörige Antworten. Die allgemeine Frage, die diesen Antworten vorausgeht, thematisiert die soztalstrukturelle Bedeutung die hohem Alter in der modernen Gesellschaft zukommt. Den Soziologen Parsons trotz seiner vergleichsweise spärlichen Äußerungen zum hohen Alter an den Anfang dieses Kapitels zu stellen, rechtfertigt sich durch seine theoretische Grundlegung einer Gesellschaftstheorie, die die Integration aller Mitglieder einer Gesellschaft beschreibt. Die — aus der Sicht der klassischen Alternsforschung —problematische Integration alter Menschen hat mit dem Parsonsschen Strukturfunktionalismus ein erstes Erklärungsmodell gefunden.

Die Frage nach der Funktion des Alters. Antworten von T. Parsons, S.M. Eisenstadt, H. Schelsky, R. Tartier und I. Woll-Schumacher

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Literatur

  1. Die Behauptung, der Vorwurf des Konservatismus beruhe auf mangelhafter Rezeption des Parsonsschen Werks (vgl. Jensen 1976, 57, Anmerkung 3; Münch 1982, 19ff.), läßt sich nur schwer entkräften angesichts einer Theorie, die ihr Inventar immer wieder umgestellt hat. Vgl. dazu auch Jeffrey C. Alexander (1987, 59), der Parsons selbst eine ungenaue Rezeption seines eigenen Werks vorwirft. Talcott Parsons und Robert F. Bales formulieren 1955 in einem Vorwort zu ihrer Sozialisationstheorie eine Begründung für die uneinholbaren Ausmaße der Theorie: „Indeed, it is our experience ... that the relations of interdependence and interpenetration of these problems are so close, that any depth of exploration on the one hand must lead directly into deeper preoccupation with the other.“ (Parsons & Bales 1955, VI)

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  2. Malinowski rekurriert z.B. auf Bedürfnisse und Triebe (vgl. Malinowski [1944] 1965, 75ff.), Radcliffe-Brown dagegen auf Institutionen und Rituale (vgl. Radcliffe-Brown 1931, 58ff).

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  3. Der Auswahl dieser Soziologen könnten sicherlich noch andere, vor allem US-amerikanische Autoren wie Mathilda W. Riley und Irving Rosow zugerechnet werden. Die Repräsentativität der Lösungswege ist jedoch auch so gesichert.

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  4. Jensen definiert Holismus wie folgt: „Aus einem holistischen System, beispielsweise einer holistisch interpretierten Theorie, kann man nicht einzelne Teile aussondern und für sich sinnvoll betrachten oder überprüfen. Insbesondere lassen sich holistische Theorien nur als ganze testen und daher nur als ganze akzeptieren oder verwerfen.“ (Jensen 1976, Fn. 45, S. 66) Da Parsons „immer die ganze Welt auf einmal zum Thema machen muß“ (ebd., 49), fällt seine Sozialtheorie mit der Gesellschaftstheorie zusammen.

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  5. Parsons hat diesem Vorgehen den Namen „Analytischer Realismus“ gegeben, der der Tatsache Rechnung trägt, daß die Zerlegung von Ganzheiten an der Realität orientiert ist, aber nicht der Realität entspricht. (Vgl. Parsons, The Structure of Social Action, 1939, 730, zit. n. Wenzel 1986, 15) In seinen Untersuchungen greift Parsons auf „abstrakte, analytisch definierte Entitäten (zurück), die sämtlich aus der Masse der bekannten und erkennbaren ‘Daten’ über menschliches Handeln und Verhalten abstrahiert werden“ (Parsons & Platt [1973] 1990, 29).

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  6. Die Einteilung in Stxukturfunktionalismus und Systemfunktionalismus folgt dem Vorschlag von Harald Wenzel (1990, 16ff). Niklas Luhmann betont dagegen, daß Parsons Emergenz auf Handlungen, nicht auf Systeme zurückfuhrt. (Vgl. Luhmann 1978, 215; 1980, 6) Die von Wenzel eingeführte Unterscheidung ist im gegenwärtigen Rahmen hinreichend komplex.

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  7. Parsons selbst vermutet, daß u.a. dieser Text für seinen Ruf als „talentierter und ‘anregender’

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  8. Essayist, der über die vielfältigsten Themen schrieb, jedoch ohne ‘Solidität’ und ‘Gründlichkeit’“ (Parsons 1975, 51), verantwortlich ist.

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  9. Johnson findet eine überzeugende Begründung für die laufende Veränderung der Parsonsschen Theorie: „Good theory rarely springs full blown from the head of the scientist.“ (Johnson 1975, 7)

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  10. Luhmann legt eine Lesart des seiner Meinung nach für die Bedeutung von Parsons’ theoretischer Arbeit zentralen Handlungssystems nahe, die eine Abschaffung des „begrifflich-deduktiven Theoriearrangements“ (Luhmann 1988, 137) und die Umstellung auf Selbstreferenz behauptet.

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  11. „[T]he ultimate reality with which we are ultimately concerned in grappling with what Weber called the ‘problems of meaning’ — e.g., evil and suffering, the temporal limitations of human life, and the like“. (Parsons 1966, 8) Klaus Feldmann sieht in diesen Formulierungen eine anthropologische Fun-dierung von Parsons’ Religionssoziologie. (Vgl. Feldmann 1995, 150) M.E. handelt es sich jedoch hier nur um Grenzen strukturfunktionaler Erklärungen, die u.a. über die „Natur“ des Menschen formuliert werden. Ob dies schon ausreichend ist für eine anthropologische, eine inhaltliche Komponente umfassende Bestimmung, ist zweifelhaft. Insofern Parsons aber in seinen späteren Schriften die „ultimate reality“ zu einem umfassenden System ausbaut („conditio humana“, Parsons 1978), erübrigt sich eine genauere Einordnung. Da Parsons Systeme über menschliches Handeln erklärt, läßt sich keine Trennung von ‘menschlichen Attributen’ und Strukturfunktionalismus plausibilisieren; anthropologische Begrenzungen werden nicht als eine Qualität sui generis eingeführt. (Vgl. Brandt 1993, 231ff.)

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  12. Vgl. zur Problematik „eines religiösen Kollektivbewußtseins in einer säkularen Gesellschaft“ bei Parsons Feldmann 1995, 151f.

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  13. Parsons bezieht sich auf die berühmte Studie von Elaine Cumming und William E. Henry: Growing Old: The Process of Disengagement (1961).

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  14. Individualisierungsprozessen liegen bei Parsons immer gemeinsam geteilte Werte zugrunde. (Vgl. Parsons 1990a, 11 f.) Ihre Bedeutung liegt im Strukturfunktionalismus nicht so sehr im Bausatzcharakter „biographischer Kombinationsmöglichkeiten“ (Beck 1986, 217), die der „Außensteuerung“ (ebd., 212) durch Institutionen ausgeliefert sind, sondern — im Gegenteil — in der institutionell gestützten Erweiterung von „Fähigkeiten ..., jene Werte zu verwirklichen, denen sie verpflichtet sind“ (Parsons 1990a, 11).

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  15. Vgl. z.B. den Essay „Age and Sex in the Social Structure of the United States“ (1946, 89), den Eisenstadt gekannt haben wird. (Vgl. Kap. II.1a)

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  16. Vgl. zum Begriff der „Verschmelzung“ Luhmanns Kritik an dieser und ähnlichen Metaphern (1981a, 210). Die mit der „Verschmelzung“ verbundenen Probleme für Analysen sind charakteristisch für alle strukturfunktionalistischen Versuche zur „ganzheitlichen“ Rekonstruktion von Wirklichkeit. Harald Wenzel bezeichnet den „Analytischen Realismus“ von Parsons als die „Kehrseite des organischen Charakters komplexer Ganzheiten und der damit einhergehenden emergenten Eigenschaften“ (1986, 15).

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  17. Den Analysen von Schelskys Aufsatz liegt die Untersuchung von Rudolf Tartler zugrunde (vgl. Kap. II.4). Da Tartler jedoch als Mitarbeiter von Schelsky auch von dessen theoretischen Instrumentarien geprägt ist und Schelskys Veröffentlichung zu einem früheren Zeitpunkt entstanden ist, scheint die Reihenfolge der Kapitel gerechtfertigt.

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  18. Vgl. zur Kritik des idealisierten Bildes der traditionalen Familie Kapitel VII.3a.

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  19. Ungewöhnlich ist diese Interpretation deshalb, weil die moderne Suche nach Identität, die in der Alternsforschung in inhaltlicher und theoretischer Hinsicht alle nur denkbaren Freiheiten genießt, funktionale Limitierungen kritisiert und eben nicht zum Ausgangspunkt von Identitätskonzepten macht. (Vgl. Kap. II.5)

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  20. Parsons benutzt für diesen Zusammenhang den Begriff „binary fission“ (Parsons 1955, 396) und vermutet in binärer Teilung „the most ‘economical’ way of taking any given step from relative simplicity to a higher level of complexity“ (ebd.).

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  21. Nicht Schelskys allgemeine Paradoxic (= strukturell erzeugte Altersbilder verweisen auf ein besseres Alter, das jedoch an eben diesen Strukturen scheitert.) wird hier wieder aufgegriffen. Tartler verortet seine Paradoxic auf dem Boden konkreter Handlungen. Nicht Ziele, sondern Operationen stehen hier im Vordergrund.

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  22. Luhmann kritisiert, Parsons’ Funktionsbegriff suggeriere die Existenz „determinierter Systeme“, in denen bestimmte Ursachen bestimmte Wirkungen zeitigten, was jedoch im sozialen Leben nicht vorkomme. (Luhmann 1972a, 12) Vgl. für den Luhmannschen Gegenbegriff ‘Komplexität’ Kap. VII.1.

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  23. Der Einfluß von David Riesmans Untersuchung zum Zusammenhang von Gesellschaftsformen und Charaktertypen ist unübersehbar. (Vgl. Riesman [1950] 1961) Tartler übernimmt bei seiner Typisierung von Rentnern auch Riesmans Unterscheidung von Autonomen, Angepaßten und Anomalen (vgl. Tarder 1961, 154ff, Riesman 1954, 484–491).

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  24. Für die Wahl dieses Begriffs zeichnen u.a. auch Untersuchungen des Psychiaters Hans Bürgerprinz zur Gefährdung der Persönlichkeit durch Veränderungen der persönlichen Umwelt verantwortlich. Vgl. Tartier 1961, 87.

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  25. Daß er selbst diese Kategorie trotzdem inhaltlich füllt, ist mehr dem Untersuchungsdesign als den theoretischen Prämissen geschuldet: Wer nach Alter fragt, bekommt Beschreibungen von Alter. Altersbilder werden auf genau diese Weise erzeugt. (Vgl. Kap. VIII)

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  26. Ärgerlich ist dies vor allem, wenn man bedenkt, daß Woll-Schumacher im Gegensatz zu ihren Vorgängern 1978/79 bereits eine umfangreiche Diskussion von Parsons’ Schriften vorlag. Auch positive Anschlüsse an den Strukturfunktionalismus sind offensichtlich vor der Gefahr der ungenauen Rezeption nicht gefeit.

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  27. Neben der oberflächlichen Rezeption ist dieser Argumentation sicherlich auch eine anachronistische Einschätzung sozialisatorischer Limitierungen vorzuwerfen. Eher Uneindeutigkeiten als Regeln altersspezifischen Verhaltens dominierten auch 1978/79, dem Zeitpunkt der Abfassung dieser Habilitationsschrift, schon die soziologische Diskussion und sicher auch die gesellschaftliche Praxis.

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  28. Woll-Schumacher konzediert geschlechtsspezifische Differenzen, die sie jedoch über die Trennung der Funktionsbereiche Beruf und Familie erklärt und im weiteren wegen der Orientierung des Strukturfunktionalismus am Berufsleben vernachlässigt. Vgl. ebd., 60ff.

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  29. Auch wenn Jeffrey C. Alexander an Parsons selbst eine Neigung beobachtet, gesellschaftliche Ordnung auf kulturelle Vermittlung zurückzuführen, „an equation that reinforced his tendency to reduce his multidimensional position to a more idealistic one“ (Alexander 1987, 56), verbietet sich die Herstellung eines kausalen Bezugs zwischen Kultur und Altersdesozialisation.

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  30. Woll-Schumacher begeht nicht den Fehler, von ‘Freizeit’ zu sprechen, deren Sinn sich in einer Leistungsgesellschaft nur über Arbeit, also nicht über Ruhestand ergeben kann. (Vgl. Woll-Schumacher 1980, 87) Schelsky und Tartler bauen — im Gegensatz dazu — ihre Kritik am Ruhestandsmodell über genau dieses Freizeitideal auf. (Vgl. Kap. II.3 und 4)

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  31. Parsons selbst hat — auch wenn er altersspezifische Freiheiten des institutionalised individualism konstatiert — die Annahme, es gäbe eine altersspezifische Lebensweise, abgelehnt. Genau wie alle anderen Menschen beschäftigten sich alte Menschen auch weiterhin mit alltäglichen Sorgen: „The same basic interlocking of considerations of task or obligation with those of self-interest which applies at other age-levels seems also to be present here.“ (Parsons 1964b, 242)

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  32. Genau diese Regel scheint heute am offensichtlichsten in volkswirtschaftlichen Planungen an ihre Grenzen zu gelangen und schärft schon an dieser Stelle den Blick für eine evolutionstheoretische Beschreibung anstelle des ehemaligen Entwicklungskonzepts. (Vgl. Kap. VII)

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  33. Für Tartler gilt dies nur eingeschränkt, da er über die „Funktionsdoppelbödigkeit“ einen Zusammenhang zwischen funktionalen sachlichen und den eher dysfunktionalen persönlichen Handlungselementen behauptet und auf diese Weise die persönlichen Anteile fimktionalisiert.

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  34. In seiner letzten größeren Veröffentlichung formuliert Parsons auf der Basis der „ultimate realities“ unter dem Titel „conditio humana“ ein eigenständiges System. (Vgl. Parsons 1978) Trotzdem bleibt er jedoch auch hier den zentralen Prinzipien des ‘Agil-Schemas’ verpflichtet und fuhrt keine eigenständige anthropologische Dimension ein. (Vgl. Brandt 1993, 231)

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Saake, I. (1998). Hat Alter einen Sinn?. In: Theorien über das Alter. Studien zur Sozialwissenschaft, vol 192. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-11646-2_2

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  • DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-663-11646-2_2

  • Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden

  • Print ISBN: 978-3-531-13055-2

  • Online ISBN: 978-3-663-11646-2

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