Zusammenfassung
Die ökonomische Theorie der Politik und ihre kritischen Weiterführungen bilden den Gegenstand dieses zweiten Kapitels. Das Ziel der ökonomischen Theorie der Politik ist es, politische Prozesse mit Hilfe wirtschaftswissenschaftlicher Erkenntnisse und Methoden zu verstehen. Caporaso und Levine (1994) grenzen die wirtschaftswissenschaftlichen Methoden von politikwissenschaftlichen Methoden ab, die sich nicht mit der Knappheit von Gütern und Preisbildungsfragen beschäftigen, sondern die Machtverteilung in den Mittelpunkt stellen. Sie entwerfen eine Typologie, bei der die beiden Methoden zum einen auf den Untersuchungsgegenstand Wirtschaftssystem und zum anderen auf das politische System angewandt werden. Auf diese Art und Weise entfalten sie eine Übersicht über die unterschiedlichen theoretischen Zugänge zu wirtschaftlichen und politischen Prozessen (idem: 127).
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Literatur
Die im Deutschen verwendete Terminologie ist nicht immer eindeutig. Gelegentlich wird auch von „ökonomischer Theorie der Demokratie“ gesprochen oder von „neuer politischer Ökonomie“ (vgl. Lehner 1981). Ich halte den Begriff der ökonomischen Theorie der Politik für eindeutiger und umfassender. Vor allem die neue politische Ökonomie konzentriert sich z.B. stark auf die Vernetzung von Politik und Wirtschaft, insbesondere auf die Wirtschaftspolitik.
„If a person behaves rationally in the economist’s sense, it amounts to saying he or she gets what he or she wants subject to the constraints of the situation“ (Caporaso und Levine 1992:128).
Almond formuliert es so: „Government and politics are assumed to be similar to markets. Officials, politicians, and voters are short-term, material, self-interest maximizers, seeking benefits in the form of power, legislative and administrative decisions, votes, and the like“ (1991: 38).
Schon Jeremy Bentham hatte im vorigen Jahrhundert versucht, mit seinem „greatest happiness principle“ eine ähnliche Leistung zu vollbringen. Bentham nahm an, daß kollektive Entscheidungen an dem Nutzen orientiert sein müßten, den diese Entscheidungen der Bevölkerung erbringen würden. Der Nutzen war die Summe aus einerseits den Freuden, den die Entscheidungen verbreiten und andererseits den Kosten, die sie verursachen. Die Maßnahme war die richtige, die, wenn man die Summen aller Gesellschaftsmitglieder addieren würde, den meisten Nutzen, also den Nutzen für die größte Zahl an Gesellschaftsmitgliedern erbringen würde. Dieses Prinzip ist gleichzeitig der Inhalt des utilitaristischen Gerechtigkeitskriteriums.
Unter Nutzeneinkommen versteht Downs die „Ströme von Nutzen“, die ihm insgesamt aus der Regierungstätigkeit zufließen.
Downs nennt dies die „Diskontierung des Parteiendifferentials“, d.h. er berücksichtigt den Einfluß der anderen Wähler auf die Wahlen und berechnet hieraus seinen Stimmenwert.
Er formuliert selbst: „Da der Stimmenwert jedes einzelnen Bürgers im allgemeinen ganz niedrig ist, kann schon durch das Auftreten auch nur der geringsten Kosten dem politischen System der Zusammenbruch durch Mangel an Beteiligung seiner Bürger am politischen Leben drohen“ (S. 261).
Diese Unterscheidung deckt sich völlig mit David Eastons Unterscheidung von spezifischer Legitimation und diffuser Legitimation des politischen Systems. Im ersten Fall entscheidet der Bürger über die konkreten Leistungen der Politik, im zweiten Fall besitzt er aufgrund von So-zialisationserfahrungen ein diffuses Vertrauen in das politische System, das durch die einzelnen Regierungsmaßnahmen nicht ohne weiteres erschüttert werden kann (Easton 1975).
Hargreaves Heap u.a. (1992: 221) definieren es folgendermaßen: „It is important to note that the median voter is not necessarily located at the point midway between zero public expenditure and 100 percent public expenditure. If opinion in the electorate is skewed generally to the right, then the median voter prefers less than 50 per cent expenditure; and if it is skewed to the left the median voter prefers more than 50 percent expenditure. The median voter is identified by reference to the relation between his or her preferences and the preferences of all other voters, not by reference to the underlying terms in which the ideological space is defined. The median voter is that voter we identify when we have counted half the voters, starting from the left or from the right. It is that voter who fixes the policy position of political parties when they are competing with one another“.
Das Wahlrecht ist die zweite wichtige Variable, die die Zahl der Parteien in einem Parteiensystem mitbestimmt.
Im übrigen mit ganz ähnlichen skeptischen Argumenten, wie sie Downs auch vorbringt, nämlich aufgrund der informationalen und intellektuellen Verarbeitungskapazitäten der Wähler (Parsons 1959)
Selbstverständlich, und das vergessen die Kritiker häufig, behauptet Downs seine These nicht in dieser radikalen Form: Vorausgesetzt ist immer eine unimodale Verteilung der Wählerschaft. Sobald wir eine zweigipflige oder mehrgipflige Verteilung der Präferenzen haben, findet die Annäherung nicht mehr statt.
Diese Konflikt ähnelt im übrigen dem von Mitglieder- und Einflußlogik, mit dem die Verbände in korporatistischen Systemen leben müssen (Offe und Wiesenthal 1981; Lehm-bruch 1991).
So ist der Wähler z.B. sowohl Angestellter wie in der Landwirtschaft tätig als auch aktiv an der Kirche beteiligt. Er muß in diesem Fall also bereits drei Dimensionen berücksichtigen: den Kapital-Arbeit-Konflikt; die Differenz von Stadt-Land und die von Religion-Laizismus.
„Organisationsfähig sind gesellschaftliche Bedürfnisse und Interessen dann, wenn sie in ausreichendem Umfang diejenigen motivationalen und materiellen Ressourcen mobilisieren können, die zur Etablierung eines Verbandes oder eines ähnlichen Instruments der Interessenvertretung erforderlich sind“ (Offe 1969, S. 167).
Und dazu zählen dann alle „Grundbedürfnisse aus den Bereichen Wohnen, Freizeit, Gesundheit, Konsum“ sowie die Interessen der gesellschaftlich marginalisierten Gruppen wie Ausländer und Arbeitslose (von Alemann 1991: 45).
Diesen Gedanken hat im übrigen schon David Hume in seiner Staatstheorie formuliert: Er schlug vor, die politischen Geschäfte Funktionären zu übergeben, die aus dem Interesse am Erhalt ihrer Tätigkeit geneigt seien, dafür zu sorgen, daß das Allgemeinwohl gefördert wird.
Die Autoren stehen mit dieser Annahme allerdings im Gegensatz zu anderen Theorien, die genau das Gegenteil behaupten. So hatte Latsis (1972) gezeigt, daß die Rational Choice Theorie eher dann adäquat anwendbar ist, wenn wir es mit existentiell bedrohlichen Situationen für die Akteure zu tun haben, mit sogenannten ,fligh-Cost-Situations“. Und March und Olsen bauen ihre institutionalistische Theorie darauf auf, daß gerade in Routinesituationen eher Gewohnheit, ,flabits“ und sonstige institutionelle Faktoren von Bedeutung sind, aber gerade nicht die, wie sie es nennen, „logic of consequentiality“ (March und Olsen 1984,1989).
Amartya Sen vertritt genau diese Annahme mit seinem Konzept des „meta-ranking“ (Sen 1977: 336–342). Auf der Grundlage von John Harsanyi’s (1955) Unterscheidung von „ethischen Präferenzen“ und „subjektiven Präferenzen“ unterstellt Sen, daß die Akteure ihre Wahlentscheidungen nicht nur nach egoistischen Motiven, sondern auch noch nach ihrer Kompatibilität mit den geltenden ethischen Maximen einer Gesellschaft ordnen würden. Akteure haben nach Sen immer unterschiedliche Möglichkeiten, aus einer Zahl von Handlungsalternativen Präferenzordnungen zu entwickeln. Die Maximierung des eigenen Nutzens ist nur eine davon. Die Moral könnte dann als Maßstab dienen, um aus diesen möglichen Präferenzordnungen diejenige herauszufiltern, die schließlich handlungsanleitend wird.
Als sozialen Anreiz betrachte ich aber auch den von Margolis hervorgehobenen Fall des „Partizipations-Altruismus“ (Margolis 1982: 21). In diesem Fall spendet jemand Geld für eine gute Sache und zieht einen Nutzen aus der sozialen Tat, die er hiermit vollbringt (Kirch-gässner 1991: 60, Fn 116) und nicht nur aus der Verbesserung derjenigen, die durch die Spende besser gestellt werden.
Und dies sind nicht nur Kosten, die man in Geld ausdrücken kann, sondern auch alle sonstigen Unannehmlichkeiten, die mit dem Spenden verbunden sind, wie die Suchkosten nach der richtigen Kontonummer, der Gang zur Bank, der Streit mit dem Ehepartner über den Stellenwert von Greenpeace usw. Solange der „Schleier der Insignifikanz“ gegeben ist (Kliemt 1986), solange also Aufwand und mögliche negative Auswirkungen denkbar klein bleiben, hat der Partizipations-Altruismus eine Chance.
Das, was Olson „inclusive goods“ genannt hat, im Unterschied zu den „exclusive goods“.
Unter einer Dummy-Variable versteht man eine Variable, die binär kodiert ist, also nur zwei mögliche Werte kennt: Ja oder Nein, Groß oder Klein, Mann oder Frau usw.
Olson nennt hier als Beispiel Gewerkschaften, „die die meisten manuell tätigen Arbeiter in einem Land“ umfassen (S. 62).
„Eine Partei, deren Klienten die Hälfte der Gesellschaft oder mehr umfaßt, ist natürlich um Effizienz und Wohlfahrt der Gesellschaft als Ganze besorgt, insbesondere im Vergleich mit Lobbys für Sonderinteressen und mit Kongreßabgeordneten, die nur für kleine Wahlkreise zuständig sind“ (S. 66–67).
„Jede Gesellschaft, was immer auch ihre Institutionen und herrschenden Ideologien sein mögen, gibt den am besten angepaßten die größeren Belohnungen ...“ (S. 96).
„... this research seeks to satisfy a rigid definition of ‚theory‘, and not some ambigious criteria of good journalism and insightful comment“ (Ordeshook 1986: Ix; zitiert in Willems 1996: 149).
Im Englischen wird durchgängig von „bureaus“ gesprochen. Die bisherigen deutschen Übersetzungen haben meist den Ausdruck „Amt“ als deutsches Synonym verwendet. Man könnte aber ebenso gut von Administration oder Abteilungen sprechen. Ich werde mich im weiteren Verlauf an die bisher gewählte Übersetzung halten.
Es ist noch interessant zu erwähnen, daß die Bürokratie zwar ein Monopol besitzt, aber ganz anders reagiert als ein Monopolunternehmen auf dem Markt: Dieses wird, wie wir bereits bei Olson kennengelernt haben, den Output reduzieren, um sein Rentenstreben zu maximieren. Im Fall der staatlichen Bürokratie wird der Output erweitert, um im Anschluß daran, das Budget maximieren zu können. Die Verwirklichung der Motive hängt auf dem Markt von der Rentabilität ab, bei der Bürokratie von der wachsenden Größe des eigenen Amtes. Dies erklärt die unterschiedlichen Reaktionsweisen staatlicher und marktwirtschaftlicher Monopole.
„But regardless of the particular goals involved, every official is significantly motivated by his own self-interest even when acting in a purely officiai capacity“ (Downs 1974: 2).
Auch diese Unterscheidung geht in Niskanens Theorie verloren, weil er unter Bürokratie immer nur staatliche Bürokratie versteht. Es ist aber kaum anzunehmen, daß eine Administration in einem großen Unternehmen, auch wenn sie unter Marktbedingungen handeln muß, wesentlich anders reagieren wird als die staatliche Bürokratie. Zumindest in Hinsicht auf Effizienz, den Gesetzen des Konservatismus sowie dem Gesetz der sich ständig ausweitenden Kontrolle dürfte es in Marktunternehmen ganz ähnlich ablaufen. Und auch hier werden die einzelnen Abteilungen im Sinne Niskanens danach streben, ihre persönlichen Motive durch eine Vergrößerung der eigenen Abteilung zu befriedigen.
Dunleavy bemüht sich hier, Downs Vermischung von instrumentellen und altruistischen Motiven zu vermeiden. Für ihn sind individuelle Wohlfahrtsstrategien ausschließlich instrumenteilen Motiven entsprungen wie „Beförderung, bessere Arbeitsbedingungen, Verringerung der Arbeitsbelastung usw.“ (S. 175).
McLean faßt denselben Gedanken so zusammen: „The main fallacy is ... of assuming that what is in the interests of all is in the interests of each. Many people would deny that managers and workers within a firm have the same interests at all. But even if, for the sake of argument, we assume that it is in the interests of everybody who is paid by the firm that it should maximise profits, it does not follow that each should do his bit towards maximising profits“ (1987: 94).
Er unterscheidet zwischen Dienstleistungsbehörde, Regulierungsinstanz, Transferagentur, Vertragsämtern und Kontrollagenturen.
Siehe zur Theorie korporativer Akteure: Coleman 1979; Flam 1990; zu den „reflexiven Interessen“: Schimank 1992; Mayntz und Scharpf 1995.
Breton und Wintrobe (1982: 3) formulieren es so: „According to one approach, subordinates are assumed to obey orders, to carry out instructions, and to follow commands from above, whereas according to the second, they disobey orders, do not carry out instructions, and disregard directives if these do not coincide with their own. In both, organizations and hierarchies are conceived as structures in which the interactions between individuals are governed by authority“.
„One actor who wants to accomplish a certain goal but lacks some of the skills or capacities necessary to do so finds another actor with those skills or capacities and obtains the latter’s services in return for remuneration of some sort“ (Coleman 1990: 146).
Überwachung und Vertrauen sind einander ausschließende Handlungsweisen. Wer überwachen will, spricht kein Vertrauen aus und wer vertraut, bedarf keiner Überwachungsmechanismen.
Dieser Punkt weist noch einmal darauf hin, daß Niskanen auch insofern zu vereinfachend verfährt, weil er alle Ämter über einen Kamm schert und nicht die unterschiedlichen Handlungslogiken von Ämtern aufgrund ihrer Aufgabenstruktur wahrnehmen will. Diesen Punkt hat besonders Dunleavy herausgearbeitet (1991).
Dies um so mehr als die Meinung des Publikums ein wichtiges Signal für die Politik sein kann, die Leistungen der Ämter einzuschätzen.
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Braun, D. (1999). Die ökonomische Theorie der Politik. In: Theorien rationalen Handelns in der Politikwissenschaft. Grundwissen Politik, vol 25. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-11645-5_3
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