Zusammenfassung
Die ökonomischen Modelle rationaler Wahlhandlungen fanden, vor allem in den Vereinigten Staaten, seit den 50er Jahren auch in der Politikwissenschaft reges Interesse. In Anlehnung an einerseits behavioristisches (das Lernen durch physischen Zwang und materielle Anreize) und andererseits ökonomisches Gedankengut (insbesondere Adam Smith und die neoklassische Wirtschaftstheorie; vgl. Alexander/Giesen 1987) wurde ein radikaler Wechsel in der Betrachtung der Politik und ihrer Prozesse vollzogen. Während bis dahin vor allem die Erforschung von Meinungen, Werten und politischen Kulturen im Zentrum des Interesses stand, wurde Politik jetzt in Analogie zum Markt und seinen Wirtschaftssubjekten analysiert. Politische Akteure erschienen ohne Unterschied als egoistische Nutzenmaximierer, denen es lediglich um eine Vermehrung ihrer Macht und Ressourcen ging (Almond 1991). Die Public Choice Theorie, wie die ökonomischen Modelle rationaler Wahlhandlungen oft genannt werden — oder auch „Neue Politische Ökonomie“ (vgl. Lehner 1981) — , begann sich mit praktisch allen Themen der Politikwissenschaft zu beschäftigen, insbesondere mit dem Wählerverhalten, der Parteipolitik, Regierungskoalitionen und der politischen Administration (grundlegend Downs 1957; Black 1958; Niskanen 1971; RiKer 1962).
This is a preview of subscription content, log in via an institution.
Buying options
Tax calculation will be finalised at checkout
Purchases are for personal use only
Learn about institutional subscriptionsPreview
Unable to display preview. Download preview PDF.
Literatur
In der Bundesrepublik zählte Herder-Dorneich zu den ersten, der das ökonomische Paradigma auch in der Politikwissenschaft anwandte (Herder-Dorneich 1959).
Unter Akteur versteht man im allgemeinen handelnde Individuen, wobei diese Individuen durchaus auch Aggregate oder Kollektive sein können. Also auch Organisationen, Klassen oder der Staat können als Akteure verstanden werden, obwohl eine Handlungstheorie hier in Begründungsprobleme kommen kann: Wie läßt es sich nachweisen, daß solche Aggregate tatsächlich nach ähnlichen Selektionsregeln wie individuelle Akteure vorgehen können (siehe auch weiter unten)?
„Andererseits bedeutet für die Tragweite soziologischer Erkenntnisse selbst die evidenteste Sinnadäquanz nur in dem Maß eine richtige kausale Aussage, als der Beweis für das Bestehen einer (irgendwie angebbaren) Chance erbracht wird, daß das Handeln den sinnadäquat erscheinenden Verlauf tatsächlich mit angebbarer Häufigkeit oder Annäherung [...] zu nehmen pflegt“ (Weber 1976: 5–6; Hervorhebungen im Text). Für Weber sind Intentionalerklärungen kausale Deutungen, die einerseits den äußeren Ablauf und das Motiv zutreffend wiedergeben, andererseits in ihrem „Zusammenhang sinnhaft verständlich“ erkannt werden können (idem: 5; siehe auch Angehrn 1983).
Max Weber hat die Ungewißheit über unsere Beobachtungsfähigkeit in Handlungstheorien an dem Beispiel des Tausches zwischen zwei Personen demonstriert. Er konstatiert das Problem der „Dogmatik des Sinns“, den man den beiden Tauschenden aus verschiedener Perspektive unterstellen könnte, aber die Unmöglichkeit festzustellen, ob auch tatsächlich dieser Sinn von den Akteuren unterstellt wurde. In einer amüsanten Passage fährt er fort: „Denn es wäre natürlich reine Fiktion und entspräche etwa der Hypostasierung der ‚regulativen Idee‘ vom ‚Staatsvertrag‘, wenn man einfach dekretiert: die beiden haben ihre sozialen Beziehungen zueinander in einer, dem idealen ‚Gedanken‘ des ‚Tausch‘ entsprechenden, Art ‚regeln‘ wollen, weil wir, die Beobachtenden, diesen ‚Sinn‘, vom Standpunkt der dogmatischen Klassifikation aus gesehen, hineinlegen. Man könnte — logisch betrachtet — ebensogut sagen: der Hund, der bellt, habe, wegen des ,Sinnes\ den dies Bellen für seinen Besitzer haben kann, die ‚Idee‘ des Eigentumsschutzes verwirklichen wollen (Weber 1988: 334–335). Ohne hobbes explizit zu nennen, greift er damit natürlich dessen handlungstheoretische Ableitung des „Leviathan“ an. Allerdings kann sich Hobbes sehr wohl gegen diesen Vorwurf verteidigen: Es kommt in den Modellen rationaler Wahlhandlungen nicht so sehr darauf an, den tatsächlichen Sinn zu erfassen, den die Akteure ihrer Handlung zuschreiben, als modelltheoretische Annahmen zu machen, die den Ablauf plausibel beschreiben können. Ich werde auf diese Problematik bei der Diskussion der methodologischen Annahmen der Modelle rationaler Wahlhandlungen zurückkommen.
„Zweckrational handelt, wer sein Handeln nach Zweck, Mitteln und Nebenfolgen orientiert und dabei sowohl die Mittel gegen die Zwecke, wie die Zwecke gegen die Nebenfolgen, wieendlich auch die verschiedenen möglichen Zwecke gegeneinander rational abwägt [...]“ (Weber 1976: 13).
„Agents are maximizers who choose that action or set of actions having the highest expected utility with respect to their own preferences“.
Author information
Authors and Affiliations
Rights and permissions
Copyright information
© 1999 Springer Fachmedien Wiesbaden
About this chapter
Cite this chapter
Braun, D. (1999). Grundlagen der Theorien rationaler Wahlhandlung. In: Theorien rationalen Handelns in der Politikwissenschaft. Grundwissen Politik, vol 25. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-11645-5_2
Download citation
DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-663-11645-5_2
Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden
Print ISBN: 978-3-8100-2118-2
Online ISBN: 978-3-663-11645-5
eBook Packages: Springer Book Archive