Paradigmenwechsel im Völkerrecht? Die Frage der Legalität der NATO-Luftangriffe auf Jugoslawien unter dem Gewaltverbot der UN-Charta

Zusammenfassung

Eine auf Demokratie und Rechtsstaatlichkeit gegründete politische Ordnung bietet keine Garantie dafür, daß sich politische Entscheidungen immer in den durch diese Ordnung gezogenen Grenzen halten. Auch die Wissenschaft bietet keine Gewähr, daß sich ihre Vertreter von den wissenschaftlichen Kategorien „sine ira et studio“ und „audiatur et altera pars“ leiten lassen. Im Kosovo-Konflikt sind nicht alle, die mit völkerrechtlichen Stellungnahmen an die Öffentlichkeit getreten sind, den Herausforderungen der NATO-Intervention gerecht geworden.¹ Viele Völkerrechtler und Friedensforscher haben auch nicht erkannt, daß Friedensziele nur mit friedlichen Mitteln verfolgt werden können und daß jede Abweichung von diesem Handlungsprinzip kontraproduktiv ist. Die Wirklichkeit im Kosovo nach dem Ende der dreimonatigen Bombardierung Jugoslawiens bestätigt diese Tatsache voll und ganz.

Die Humanität, die nicht mit dem Menschen rechnet, mit seinem Egoismus, seinem Verrat, seinem Kompromiß, ist keine. Von dem Idealisten erwartet man aber Passivität, sonst begegnet er Argwohn. (Franklin D. Roosevelt, 1942)

(…) und natürlich ist Milosevic böse. Aber es leben viele Bösewichter in der Welt. Im Sudan gibt es weit schlimmere Gesellen. Warum also ziehen wir nicht gegen den Sudan in den Krieg? (Gore Vidal, 1999)

Wenn wir nun, am Ende dieses Jahrhunderts, zurückschauen, erkennen wir, daß es eines der widersprüchlichsten war, seitdem es Menschen gibt (…) Wie es scheint, hat sich der Kreis des rasenden Fortschritts und des mörderischen Hasses zwischen den Volksgruppen im Kosovo geschlossen. (Beqe Cufaj, 1999)