Staatenwelt und Demokratie. Zur Transformation der Demokratie durch Globalisierung

Zusammenfassung

In Ostasien ist die Metapher vom „Reiten auf dem Tiger“ weitverbreitet: Um nicht von der Bestie gefressen zu werden, bleibt dem Menschen in der Not nichts anderes übrig, als sie zu beherrschen, sie zu zähmen. Dieses Bild soll das Unmögliche möglich erscheinen lassen, unterschlägt allerdings die Frage, wie der Mensch auf den Tiger gekommen ist. Die Bestie ist jedenfalls stärker als er. Dieses paradoxe Bild wird hierzulande gerne auch auf die Zivilisierung des entfesselten Kapitalismus übertragen — auf den wirtschaftlichen Globalismus, dem von zahlreichen Zeitbeobachtern unterstellt wird, daß er auch die demokratischen Errungenschaften der nationalstaatlichen Ära erodieren, wenn nicht destruieren würde. Daraus ergibt sich für Sozialwissenschaftler die beunruhigende Frage, ob die Vorstellung der demokratischen Zähmung des neoliberalen globalen Marktsystems im 21. Jahrhundert genauso illusorisch ist wie die Vorstellung, ein Mensch könnte auf einem Tiger reiten? Ist wirtschaftliche Globalisierung im Begriff, auch die demokratischen Errungenschaften des sozialstaatlich gezähmten Industriekapitalismus zu zerstören, weil die internationale Wettbewerbsfähigkeit als goldenes Kalb des Zeitalters der Globalisierung den Regierungen keine andere Wahl läßt, als den kostengünstigen Abbau „überflüssiger“ Anspruchsrechte der Bürger?

„Die herrschenden Machte sind dabei zu globalisieren: Industrieprozesse und Technik, Information und Finanzen, Arbeit und Migration, Waffenhandel, Einflüsse des Menschen auf die Biosphäre und die Strukturen der westlichen Kultur. Dabei werden mehr und mehr lokale Grenzen und Strukturen überrannt. Die Artenvielfalt der Welt und der Reichtum der menschlichen Kulturen machen einer globalen Monokultur Platz. Zu den Folgen gehören der Verlust nationaler Souveränität, die Erosion des sozialen Kontrakts, der Rückzug in Fundamentalismus und Nationalismus, Gruppenrivalitäten und Bürgerkriege, sezessionistische Bewegungen und das Phänomen der „failed states“

(Henderson 1997: 348)